Die Parkreiniger
Bauwelt-Redakteurin Doris Kleilein über eine fast religiöse Erfahrung am Neujahrstag in Berlin
Text: Kleilein, Doris, Berlin
Die Parkreiniger
Bauwelt-Redakteurin Doris Kleilein über eine fast religiöse Erfahrung am Neujahrstag in Berlin
Text: Kleilein, Doris, Berlin
Der Neujahrsnachmittag begann für mich mit einem Augenwischen: Im Park gegenüber wird aufgeräumt. Fleißige Menschen, ausgestattet mit Neonwesten, Plastiktüten und hölzernen Grillzangen sind ausgeschwärmt, um Raketenreste aufzuklauben. Das gab es noch nie. In Berlin bleiben Böllerfetzen und Weihnachtsbäume grundsätzlich bis Ende Februar liegen.
1. Januar 2018: Um 15 Uhr sieht der Park besser aus als vor der Silvesternacht. Auf Nachfrage erfahre ich, dass es sich bei den Parkreinigern nicht um Mitarbeiter des Grünflächenamtes handelt (was die wohl dazu sagen würden?), sondern um eine internationale Gruppe freikirchlicher Christen, die sich jeden Sonntag im Prenzlauer Berg trifft, um zu überlegen, was sie der Stadt Gutes tun könnten. Freiwillige also, die in einem anderen Viertel wohnen und kein Geld dafür bekommen, säubern froh gelaunt den Park, während wir Anwohner Jahr für Jahr motzend über die Dreckhaufen steigen und uns noch im Frühjahr über das Versagen der Stadtreinigung aufregen können.
Verkehrte Welt? Brauchen wir jetzt auch in der Straßenreinigung Religionsgemeinschaften, weil die öffentliche Hand ihren Aufgaben nicht nachkommt? Wird demnächst ein Kirchentag in Schönefeld abgehalten, um die Restarbeiten am Flughafen fertigzustellen? In meine Begeisterung mischen sich Zweifel: Die wollen doch mehr als nur den Park säubern, die wollen doch irgendetwas verkaufen. Wie diese „Social Entrepreneurs“, die meine Nachbarschaft mit immer neuen Geschäftsmodellen überschwemmen, bei denen man seine Daten an Apps verschenken soll, um sich dann vom Nachbarn eine Bohrmaschine ausleihen zu dürfen. Doch die Park-reiniger verteilen weder Flyer noch Bibeln, sie arbeiten einfach still vor sich hin und verschwinden nach getaner Arbeit wie die Heinzelmännchen. Und so fängt, trotz aller Skepsis, das Jahr gut an. Mir wäre es zwar lieber, die Stadtreinigung würde einfach ihre Arbeit machen – doch vielleicht ist es gar nicht so verkehrt, die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Auch, wenn man keinen einzigen Böller ins Gebüsch geschossen und keine Sektflasche auf dem Spielplatz zertrümmert hat. Auch, wenn die Sozialrendite in Berlin ein Konzept ist, das man nur vom Hörensagen kennt. Vielleicht werde ich doch noch zum Baumscheibenbepflanzer.
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