Bauwelt

Künftige Sinneswahrnehmung

László Moholy-Nagy im Bauhaus-Archiv Berlin

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

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    László Moholy-Nagy, Kinetisches konstruktives System, Bau mit Bewegungsbahnen für Spiel und Beförderung, 1928


    © VG Bild-Kunst, Bonn 2014; Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln; Bauhaus-Archiv Berlin

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    László Moholy-Nagy, Kinetisches konstruktives System, Bau mit Bewegungsbahnen für Spiel und Beförderung, 1928


    © VG Bild-Kunst, Bonn 2014; Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln; Bauhaus-Archiv Berlin

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    Porträt von László Moholy-Nagy, 1926, fotografiert von Lucia Moholy

    © VG Bild-Kunst, Bonn 2014; Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln; Bauhaus-Archiv Berlin

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    Porträt von László Moholy-Nagy, 1926, fotografiert von Lucia Moholy

    © VG Bild-Kunst, Bonn 2014; Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln; Bauhaus-Archiv Berlin

Künftige Sinneswahrnehmung

László Moholy-Nagy im Bauhaus-Archiv Berlin

Text: Schulz, Bernhard, Berlin

Zwölf Stockwerke hoch sollte sich der „Bau mit Bewegungsbahn für Spiel und Beförderung“ erheben, den László Moholy-Nagy (1895–1946) unter dem Obertitel „Kinetisches konstruktives System“ entwarf. Nun war Moholy-Nagy allerdings kein Architekt, und sein Entwurf von 1928 ist als aquarellierte Fotomontage ausgeführt, ohne Angabe zu Konstruktion und Maßen. Ursprünglich wollte der in Südungarn Geborene Jurist werden, kam aber durch den Ersten Weltkrieg davon ab und wandte sich der Kunst zu – ohne je bildender Künstler im herkömmlichen Sinne zu werden. Seinen Nachruhm haben die Jahre am Bauhaus begründet, dem er seit 1923 durch einen Lehrauftrag verbunden war, das er aber 1928 wieder verließ, um in Berlin als Gestalter zu arbeiten. „Gestalter“ ist als Begriff weit genug gefasst für Moholy-Nagys Tätigkeit: Er arbeitete mit Film und Fotografie, mit den damals brandneuen Kunststoffen, überhaupt mit allem, das eine optische und mehr als nur optische Wirkung hervorrufen konnte.
Seinem Werk ist nun die Ausstellung „Sensing the Future: Moholy-Nagy, die Medien und die Künste“ im Berliner Bauhaus-Archiv gewidmet, ausdrücklich keine Retrospektive, aber letztlich doch ein Überblick über das Gesamtwerk, das sich stets um die Wirkung unterschiedlichster Medien drehte. Wegweisend ist, was er 1925 in seinem Buch „Malerei, Fotografie, Film“ schrieb: „Durch die Riesenentwicklung der Technik und der Großstädte haben unsere Aufnahmeorgane ihre Fähigkeit einer simultanen akustischen und optischen Funktion erweitert. Schon im alltäglichen Leben gibt es Beispiele dafür: Berliner queren den Potsdamer Platz. Sie unterhalten sich, sie hören gleichzeitig.“ Und es folgt eine Aufzählung aller möglichen Geräusche mit dem Hinweis auf die ortsansässigen Passanten, sie „können diese verschiedenen akustischen Eindrücke auseinanderhalten. Dagegen wurde vor kurzem ein auf diesen Platz verschlagener Provinzmensch durch die Vielheit der Eindrücke so aus der Fassung gebracht, dass er vor einer fahrenden Straßenbahn wie angewurzelt stehen blieb.“
László Moholy-Nagy, und das macht seinen Ansatz so spannend, verurteilte die technisch bestimmte Entwicklung der Kultur nicht, folgte ihr aber auch nicht affirmativ. Er wollte die neuen Möglichkeiten für eine „organische Lebensweise“, wie er es nannte, fruchtbar machen. Daher auch der englische Titel der Ausstellung: „Sensing the Future“ hat die Doppelbedeutung, die Zukunft zu erahnen, wie auch, sie mit den Sinnen wahrzunehmen. Moholy-Nagy entwarf multimediale Installationen, die eine Ahnung von der künftigen Sinneswahrnehmung geben sollten. Im Bauhaus-Archiv steht ein begehbarer Zylinder aus weißem Stoff, auf dessen Innenseite vier Projektoren Filme werfen, wie sie Moholy-Nagy in Berlin gedreht hat, Filme vom rastlosen Mit- und Durcheinander des Großstadtverkehrs.

Zukunft sichtbar machen

Es versteht sich beinahe von selbst, dass Moholy-Nagy in Berlin zur Bühne fand. Mit Gropius arbeitete er am Entwurf eines nie ausgeführten „Totaltheaters“ für den linkspolitischen Regisseur Erwin Piscator. Doch immerhin brachte Anfang 1929 die unter Otto Klemperer experimentell ausgerichtete Krolloper eine Inszenierung von Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“ heraus, für die Moholy-Nagy das Bühnenbild entworfen hatte. Wandelbare Räume, durch Gerüste und Gestelle lediglich angedeutet, ließen ein quasi-simultanes Spiel zu. Überhaupt faszinierte ihn in der Architektur das Unbestimmte und nur Angedeutete: Seine Fotos vom Berliner Funkturm oder von der Marseiller Hafenbrücke geben keine Totalansicht, sondern machen das metallene Gerüst zum alleinigen Bildgegenstand. Extreme Sichten senkrecht nach oben oder unten kennzeichnen seine Architekturfotografien.
Schließlich hatte er Gelegenheit, Räume zu gestalten: bei der legendären Werkbund-Schau „Film und Foto“ 1929 in Stuttgart und im Jahr darauf bei der Art-déco-Ausstellung in Paris. Projektionsräume waren das, mit Bauhaus-Klappgestühl, ganz und gar ausgerichtet auf Filme, wie er sie selbst drehte, als Mischung von Dokumentation und Verfremdung. László Moholy-Nagy war seiner Zeit voraus, aber es gelang ihm wie nur wenigen, innerhalb der eigenen Zeit und mit deren Mitteln die Zukunft bereits sichtbar zu machen.

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