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Mit Benedikt auf dem Eichsfeld

Landeplatz und Pilgerfeld für den Papstbesuch

Text: Ballhausen, Nils, Berlin

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Foto: Nils Ballhausen

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Mit Benedikt auf dem Eichsfeld

Landeplatz und Pilgerfeld für den Papstbesuch

Text: Ballhausen, Nils, Berlin

Für einen Augenblick wird das thüringische Etzelsbach im Zentrum der katholischen Welt stehen. Mit riesigem Aufwand bereitet man sich dort auf den Besuch des Papstes vor. Doch was passiert, wenn er wieder weg ist?
Als mit Hadrian VI. (1522–23) zuletzt ein deutscher Papst in Amt und Würden stand, war das Dorf Etzelsbach wohl schon längst verschwunden. Urkundliche Erwähnung fand ledig­lich die Etzelsbacher Kapelle, und zwar erstmals 1525 in einem Schadensbericht des zuständigen Klosters Beuren – eine Folge der Bauernkriege. Was davor war, bleibt im Dunkeln, und auch was danach kam, wirft unter dem Lichte der Vernunft eigenartige Schatten.
Die Etzelsbach-Visite von Papst Benedikt XVI. am 23. September ist ohne Zweifel der Höhepunkt in der Geschichte des Ortes. Dass der Heilige Vater für seinen Deutschlandbesuch den entlegenen Fleck in Thüringen ausgewählt hat, mag mit dieser frommen Legende zusammenhängen: Eines Tages habe ein Bauer an der wüsten Dorfstelle zu pflügen begonnen. Plötzlich seien die Pferde stehengeblieben und auf die Knie gefallen. Zwar ließen sie sich mühsam weiterbewegen, seien der Stelle jedoch ausgewichen. Als dieser Vorgang sich dreimal wiederholt habe, sei der Bauer daran gegangen, an der fraglichen Stelle zu graben und habe eine Holzschnitzerei zu Tage gebracht: ein Bildnis von Maria, der Schmerzensmutter, um das herum er eine Kapelle baute. Die Quellenlage ist dürftig, aber seit Ende des 16. Jahrhunderts sind Wallfahrten zur Kapelle von Etzelsbach belegt. Der Anlass waren offenbar bevorstehende oder überwundene Tierseuchen. Die Wallfahrer führten ihre Zugtiere zu der auf freiem Feld gelegenen Kapelle und baten hier in einer Messe um Segen. Anschließend wurden die Gespanne in einer Prozession dreimal um die Kapelle her­umgeführt. Bis heute wird der Ort zur „Pferdewallfahrt“ von Mensch und Vieh angesteuert.
Geschichten wie diese lassen Kritikern der katholischen Kirche die Haare zu Berge stehen. Sie dienen ihnen als Beleg dafür, dass die Institution im wesentlichen auf Aberglauben und Psychosen fußt. Damit ist aber noch nicht erklärt, warum derlei Wundergeschichten bis in die Gegenwart ihre Wirkung entfalten und in der Lage sind, quasi aus dem Nichts heraus Räume zu bilden. In der französischen Kleinstadt Lourdes, wo die Gottesmutter 1858 dem Mädchen Bernadette erschienen sein soll, stehen heute 30.000 Hotelbetten für über sechs Milli­onen Übernachtungen pro Jahr bereit. Was Aufwand und Ertrag angeht, verblasst dagegen jedes säkulare Konjunkturprogramm.
Schon das Gerücht eines Papstbesuchs im Eichsfeld, einer katholischen Enklave, hatte vergangenes Jahr zu hektischer Bautätigkeit geführt. Der marode Weg von Leinefelde hinauf zur Burg Scharfenstein wurde vorsorglich zur Protokollstrecke geteert. Später stellte sich heraus, dass die enge Burg für ein Event dieser Größenordnung ungeeignet ist. Seither fokussieren sich die Werktätigen der lokalen Tiefbaubetriebe auf die 4,5 Hektar große Kuhwiese von Etzelsbach. Sie wird seit Wochen in ein Pilgerfeld für 40.000 Teilnehmer verwandelt. Das Protokoll sieht vor, dass Benedikt um 17:30 Uhr mit dem Helikopter landet und mit dem Papamobil zur Kapelle gelangt. In dem – sonderbar unproportionierten – neogotischen Nachfolgebau von 1898 ist dann eine kurze Sammlungspause vorgesehen. Um 17:45 Uhr wird der Pontifex als Höhepunkt des Tages auf der Altarbühne neben der Kapelle eine halbstündige Mari­anische Vesper zelebrieren. Es folgt eine Rundfahrt durch das Pilgerfeld und um 19 Uhr der Abflug nach Erfurt.
Der Aufwand, den das Bistum Erfurt für diese 90 Minuten treibt, ist enorm. Das Organisationsteam um den Veranstaltungsmanager Peter Kittel, der bereits 2006 den Papstbesuch in Regensburg organisierte, schottert ein kilometerlanges Pilgerwegenetz, asphaltiert Straßen, verlegt Wasserrohre und Kabeltrassen, richtet einen Landeplatz für elf Helikopter ein und funktioniert die fünf Kilometer entfernte A 38 zu einem beleuchteten Busparkplatz um. Diese jederzeit aktivierbare „Koste-es-was-es-wolle“-Mentalität bringt der katholischen Kirche seit jeher Bewunderung und Verachtung ein. Wie sich die investierten Millionen refinanzieren sollen, fragen sich allerdings nicht nur atheistische Erbsenzähler, denn mit ei­nem neuen Wunder (und frischem Geld) ist an diesem Tag – allein schon wegen der Dichte an Kameras  – nicht zu rechnen. Die Lösung liegt im Bauplan des Pilgerfelds. Das Regensburger Architekturbüro Peithner hat die Blockstruktur mit Marktplatz präzise in das historische Feldwegenetz eingefügt. Darauf muss man aufbauen! Entweder in Gestalt eines jährlich wiederkehrenden Events, ähnlich dem „Burning Man“-Festival in Nevada, oder als spirituelle Mustersiedlung, die mit dem Papstbesuch ihren idealen Gründungsakt bekommt. Vergeudet ist das Geld jedenfalls nur dann, wenn tatsächlich alles rückstandsfrei abgebaut wird, nur um dort wieder Kühe grasen zu lassen, wo Etzelsbach seit Jahrhunderten auf seine Renaissance wartet.

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