Bauwelt

Unser Ersatzschloss


Humboldt-Box


Text: Ballhausen, Nils, Berlin


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    Foto: Nils Ballhausen

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    Foto: Florian Thein

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Wer sich angesichts der fertig gestellten „Humboldt-Box“ über verstellte Sichtachsen beschwert, wird erst recht seine Schwierigkeiten mit dem „Humboldt-Forum“ haben. Wer sich über ihre Architektur beklagt, sollte wissen, dass es in Berlins historischer Mitte vielleicht besser proportionierte, aber kaum ehrlichere Bauten gibt. Warum belassen wir es nicht einfach dabei?
„Der nächste hässliche Klops“ (Berliner Zeitung), „Mit dem Charme einer Mülltonne“ (Rundfunk Berlin-Brandenburg), „Mo­nument des Scheiterns“ (Die Linke) oder „Kotzbrocken am Eingang zum Forum Fridericianum“ (Tagesspiegel) – selten artikulierte sich der Berliner Feingeist so einmütig vor der Eröffnung eines Neubaus. Und die Bauwelt-Kollegen? Einer vermutet, die „Humboldt-Box“ sei ein Trick der Schlossfreunde, um das Totalversagen der Moderne zu demon­strieren. Ein anderer meint, wenn es die DDR noch gäbe, dann wäre dieses Bauwerk einer ihrer Expo-Pavillons gewesen. Ein Dritter glaubt an einen Seitentrieb, der aus den zurückgelassenen Kellern des „Palasts der Republik“ entsprossen sein müsse.
Wie fühlt man sich wohl als Architekt dabei? Bertram Vandreike gibt sich beim Rundgang gelassen. Sein Büro KSV Krüger Schuberth Vandreike erhielt den Auftrag „aus heiterem Himmel“. Der Investor, die Megaposter GmbH aus Neuss, rief eines Tages einfach an. Die Geschäftsführerin Dorothea Vogel erzählt, sie hätten damals, als sie sich an dem europaweiten Auswahlverfahren beteiligten, per Internet nach einem kleinen, aber renommierten Planungsbüro aus Berlin gesucht, idealerweise mit Ursprüngen in Ostdeutschland. Es hätte so­mit vielleicht nicht jeden, aber doch einige treffen können.
Die Idee einer Info-Box am Schlossplatz geht, wie quasi ganz Berlin, auf Hans Stimmann zurück, der Mitte der 1990er Jahren am Potsdamer Platz gute Erfahrungen mit temporärer Baustellenbesichtigungsarchitektur gemacht hatte (Architekten: Schneider + Schuhmacher). Die von ihrem Raumprogramm her viel umfangreichere Humboldt-Neuauflage (3000 Quadratmeter) kam erst 2009 in Gang, nachdem sich Senat und Verkehrsbetriebe (BVG) auf ein Plätzchen geeinigt hatten, das nicht von Bauarbeitern belegt ist oder aufgerissen werden muss. (Falls es jemand noch nicht wusste: Die U-Bahnlinie 55 wird diagonal unter dem „Schloss“ hindurchgeführt und um den Bahnhof „Museumsinsel“ ergänzt.)
Durch das landeseigene Baufenster führen alle Leitungen hindurch, die man sich nur denken kann, von Glasfaser bis Fernwärme. Daher steht die „Humboldt-Box“ auf vier Füßen, ihre Last wird über Bohrpfähle abgeleitet, die ebenso tief reichen wie das Gebäude hoch ist – etwa 28 Meter. Eine Bohrinsel im sandigen Schwemmland der Spree. Durch die Aufständerung des Gebäudes ist jederzeit Zugang zu den Leitungen gewährleistet; leider musste deswegen die vom leitenden Schlossförderer Wilhelm von Boddien einst anvisierte Steinmetzwerkstatt im Erdgeschoss wieder gestrichen werden. Statt­dessen erhielt sein Förderkreis ein fensterloses Eckchen im ersten Geschoss, wo ein „Spendenautomat“ – ein umgerüsteter Parkscheinautomat – nun auch Kleinstbeträge gegen Spendenquittung verarbeiten kann. 15 Mio. Euro sind angeblich bereits vorhanden, 80 sollen es einmal werden, um so die Schlossfassaden zu rekonstruieren. Das staubig-märklinartige Stadtmodell von der historischen Mitte musste bereits wegen des verknappten Raumangebots in der Box um weite Teile der „Linden“ gekappt werden – kein gutes Bild.
In den beiden darüber liegenden Etagen stellen sich die zusammengezwungenen künftigen Hauptnutzer des „Humboldt-Forums“ vor. Die Staatlichen Museen zeigen Außereuropäisches aus der Dahlemer Sammlung, etwa Masken aus Nordwest-Kanada und Porzellan aus China; die Humboldt-Universität widmet sich dem „Froschhandel in Afrika“ und „Citrusfrüchten in der Welt“ – anspruchsvolle Special-Interest-Themen, die arglose Touristen überfordern dürften. Die Zentral- und Landesbibliothek bietet für deren Entspannung eine knautschige Leseecke an, doch hier wirkt bereits die Anziehungskraft des Dachrestaurants, wo ein Teil des Eintrittspreises (4 Euro) gegen Verzehrbares eingetauscht werden kann. Die Terrassen schließlich bieten erhellende Ausblicke auf das in zwanzig Jahren zur Groteske zerredete Stadtzen­trum.  
Die „Humboldt-Box“ (Baukosten: 6,5 Mio. Euro) kann von ihrer Substanz her ohne weiteres fünfzig oder achtzig Jahre lang stehen bleiben. Und sie sollte es auch. Wir wollen uns gerne zufrieden geben mit diesem einen Versuch der klammen öffentlichen Hand, mit Hilfe eines Privatinvestors Nischenkultur massenwirksam zu verkaufen. So preiswert gelingt uns das wohl nie wieder. Der Außenwerber Megaposter („Neue Formate für den Out-of-Home-Auftritt“) beabsichtigt, die kalkulierten Gesamtprojektkosten von 15 Mio. Euro durch Events und großflächige Werbung an der Schlossbaustelle zu refinanzieren, und zwar so lange, bis der Einzug der Hauptnutzer erfolgt ist. Am lukrativsten wäre es demnach, wenn der Bau nach dem Spatenstich 2014  für mehrere Jahrzehnte ruht.



Fakten
Architekten KSV Krüger Schuberth Vandreike, Berlin
Adresse Schloßplatz 1, 10178 Berlin


aus Bauwelt 26.2011
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