Auf dem Holodeck
Die Idee, alles was man bauen möchte, erstmal in der virtuellen Realität zu bauen, um es dort zu überprüfen – die ist ja nicht schlecht. Ein Selbstversuch im Virtual-Reality-Labor von Autodesk
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Auf dem Holodeck
Die Idee, alles was man bauen möchte, erstmal in der virtuellen Realität zu bauen, um es dort zu überprüfen – die ist ja nicht schlecht. Ein Selbstversuch im Virtual-Reality-Labor von Autodesk
Text: Friedrich, Jan, Berlin
Manchmal gibt es diese Koinzidenzen, die einen am Zufall zweifeln lassen. Oder wie soll ich mir Folgendes erklären: Nur wenige Tage, nachdem ich entdeckt habe, dass mein Streaming-Anbieter sämtliche Folgen sämtlicher Star-Trek-Staffeln im Angebot hat – was mich auf der Stelle zum Raumschiff-Enterprise-Junkie werden lässt – nur wenige Tage danach also wird der Erscheinungstermin für die „Digital“-Ausgabe der Bauwelt festgezurrt. Und ich werde sie betreuen.
Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Eine Menge. Denn wenn man beginnt, sich intensiver als sonst mit aktuellen digitalen Technologien zu befassen, und sich gleichzeitig die Mutter aller Weltraum-Sagas einverleibt – dann fällt es einem (erneut) wie Schuppen von den Augen: Die Drehbuchschreiber der Serie, die in den späten 60er-Jahren entstand und in den 80ern fortgesetzt wurde, haben alle Kommunikationsmittel vorweggenommen, die heute unseren Alltag prägen. Mehr als einmal stelle ich mir im Verlauf dieses Jahres die Frage: Würde die Welt heute anders aussehen, wenn die Autoren damals andere Ideen von der Zukunft gehabt hätten?
Die Einladung, sich das neu eingerichtete Virtual-Reality-Labor des Softwareentwicklers Autodesk anzuschauen, kommt mir in dieser Stimmung gerade recht. Star-Trek-fixiert, wie ich bin, denke ich natürlich sofort an das legendäre Holodeck – jenen geheimnisvollen Raum auf der Enterprise, in dem der Bordcomputer mittels Holographie und Replikatorentechnik jede erdenkliche Welt erschaffen kann.
So spektakulär, wie man sich den Check-In aufeinem Raumschiff des 24. Jahrhunderts vorstellt, ist die Ankunft bei Autodesk in München-Obersendling dann nicht. Die Firma ist Mieter in einer Büroimmobilie aus den 90er-Jahren. Das VR-Labor haben zwei Spezialisten des Unternehmens in der ehemaligen Kantine eingerichtet. Eigentlich nicht schlecht, denke ich mir: Je weniger die physische Realität beeindruckt, desto lieber lässt man sich in eine virtuelle entführen.
Und um diese Reise in virtuelle Welten zu bewerkstelligen, ist hier technisch alles aufgefahren worden, was state-of-the-art ist: Vier große, superscharfe Bildschirme hängen an den Wänden; in einer Ecke des Raums ist ein Greenscreenals Hintergrund für Videoaufnahmen eingerichtet (das Grün lässt sich in der Postproduktion gegen jeden erdenklichen Hintergrund austauschen); es gibt allerlei 3D- und VR-Brillen, Controller, wie man sie von Computerspielen kennt; und alles wird von vier superleistungsfähigen Rechnern in Gang gebracht. Erwarten Sie keine technischen Details von mir, ohnehin wären solche Angabe nach ein paar Monaten wohl schon hoffnungslos veraltet.
In den folgenden eineinhalb Stunden erlebe ich, wie sich die vier Bildschirme, nachdem ich eine 3D-Brille aufgesetzt habe, in dreidimensionale Schaufenster verwandeln. In ihnen dreht sich ein perfekt gerendertes Auto, das eigentlich (also physisch) als Tonmodell neben mir steht. Wenn ich den Controller betätige, kann ich die Farbe des Autos ändern. Anschließend – ich habe nun eine VR-Brille auf und bin getrackt (dem Rechner wird also stets meine aktuelle Position im Raum übermittelt) – gaukelt mir der Computer vor, dasselbe Auto würde unmittelbar vor mir stehen. Mit dem Controller kann ich die Tür öffnen, mich hineinzoomen. Vorsicht, nicht in die bequem aussehenden Sitze fallen lassen, da ist in Wirklichkeit nämlich gar nichts!
Dann wird es architektonischer. Ich befinde mich in einer Fabrikhalle, in der allerlei Maschinen stehen. Ich kann in der Halle herumlaufen. Wenn ich den Wänden des echten Raums, in dem ich ja immer noch stehe, zu nahe komme, erscheint ein weißes Gitterraster als Warnung, dass ich mir gleich den Kopf stoße. Da das alles im Greenscreen stattfindet, kann ich mich anschließend in einem Video noch einmal durch diese Halle laufen sehen, diesmal als Außenstehender. Ein Grundriss der Halle ist auf dem Tisch im VR-Lab ausgerollt. Wenn ich eine getrackte Kamera durch den Plan schiebe, wird mir auf den Bildschirmen um mich herum die dreidimensionale Halle aus der jeweiligen Position gezeigt.
Die ganze Zeit geht mir natürlich im Kopf herum, ob das alles ein schönes Spiel ist – oder ob in Zukunft auch Architekten, so wie das in der Autoindustrie längst üblich ist, Entwurfsentscheidungen mit der VR-Brille vor dem Gesicht in der virtuellen Realität überprüfen. Wenn man bedenkt, wie viele scheinbar verrückte Ideen aus Star Trek im Alltag angekommen sind, stehen die Chancen auch für das Holodeck ziemlich gut.
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