Aufstocken oder auftrumpfen?
Wien suchte für den Ausbau des Stadtmuseums am Karlsplatz ein architektonisches Ausrufezeichen, das auch städtebaulich wirkt. Gewonnen hat ein Projekt, das weder das eine noch das andere tut
Text: Herzog, Andres, Zürich
Aufstocken oder auftrumpfen?
Wien suchte für den Ausbau des Stadtmuseums am Karlsplatz ein architektonisches Ausrufezeichen, das auch städtebaulich wirkt. Gewonnen hat ein Projekt, das weder das eine noch das andere tut
Text: Herzog, Andres, Zürich
„Wien Museum Neu“: Der Titel des Wettbewerbs verspricht mit undeklinierter Klarheit Aufbruch. „Das Wien Museum steht vor einem der spannendsten Momente seiner Geschichte“, doppeln die Auslober im Vorwort nach. Entsprechend groß waren die Erwartungen. Die Stadt sucht ein neues Gesicht für das Museum, das seit 1959 in einem klassisch modernen Gebäude von Oswald Haerdtl am Karlsplatz untergebracht ist. Zudem forderte der Wettbewerb in einem Ideenteil städtebauliche Vorschläge für das benachbarte „Winterthur“-Gebäude. Für das Museum war eine „Vision“ gefragt, eine „starke architektonische Landmark“, schließlich ging es um ein Projekt mit „internationaler Dimension“. Die „einmalige städtebauliche Chance“ sollte ergriffen werden, um das Gebiet neben der imposanten Karlskirche aufzuwerten. 274 Architekturbüros aus 26 Ländern gaben in der ersten Phase ab, die lobenswerterweise offen gehalten wurde. Die Jury vergab drei Preise, je einen nach Österreich, Deutschland und in die Schweiz. Doch wer nun auf den ersten Rang schaut, schluckt zwei Mal leer.
Die österreichischen Büros Winkler + Ruck Architekten aus Klagenfurt am Wörthersee und Ferdinand Certov aus Graz setzen dem Bestand eine dunkle Krone auf, die sich mit einer geschosshohen Fuge von diesem abhebt. „Es ist ein ebenso naheliegender wie bestechender Gedanke: Die Erweiterung für das Museum kommt aufs Dach“, heißt es im ersten Satz des Juryberichts. Das überrascht. In der Ausschreibung zum Wettbewerb lautete die Empfehlung nämlich 180 Grad anders: „Eine Aufstockung sowie ein weiterer Anbau an das Bestandsgebäude werden aus Sicht des Bundesdenkmalamtes als nicht möglich erachtet.“ Der Haerdtl-Bau – obwohl kein Meisterwerk – steht unter Denkmalschutz. Und nun gewinnt ein Projekt, das dem Bestand einen Deckel aufsetzt und ihn mit einer neuen Eingangshalle zusätzlich bedrängt?
Man schluckt aber auch leer, weil man sich fragt: Wo ist das architektonische Zeichen? Wo die städtebauliche Jahrhundertlösung? Der Sieger macht das Gegenteil: Möglichst nicht auffallen, möglichst Abstand halten. Doch so leicht ist das Projekt nicht zu haben, wie es auf dem ersten Blick erscheint. Das Tragwerk, das die Aufstockung im Hof abfängt, ist laut Jury „alles andere als einfach“. Und um die Proportionen zwischen Alt und Neu so schön schlank zu halten, müssen die Sieger unterirdisch nachhelfen. Trotzdem bleiben wichtige Funktionen „zu gering dimensioniert“, wie die Jury festhält.
Das Konzept der zwei anderen Projekte mit einem Preis heißt nicht aufstocken, sondern auftrumpfen. Beide errichten vor dem Bestand einen Neubau, der ein Ausrufezeichen setzt. Damit umschiffen sie schwierige Anschlussfragen, schaffen aber neue Probleme. Kim Nalleweg Architekten aus Berlin schlagen ein Gebäude als Brücke vor, unter dem der Platz hindurchfließt. Architektonisch nimmt sich der Solitär zurück; nur ein Rundfenster öffnet geometrisch präzise die Frontfassade. Der Bestand gibt die Breite des Neubaus vor, der leicht erhöhte Platz dazwischen bindet beide zusammen. Und doch negiert der stramme Bügel die Umgebung, drängt sich städtebaulich auffällig vor und reagiert weder auf die Kirche noch auf die Wasserfläche.
Ilg Santer Architekten aus Zürich auf dem dritten Rang schielen nach Paris und bauen eine louvreske Pyramide vor den Altbau. Ein elementares Symbol, das zwischen Kirche, Platz und Bestand vermitteln soll, das aber auch lokale Bezüge aufnimmt. Auf der Fassade platzieren die Architekten nämlich architektonische Zitate, die augenzwinkernd auf die Baugeschichte Wiens anspielen: Elemente aus dem Palais Erzherzog Rainer, Brüstungen des alten Burgtheaters, Otto Wagners gläserne Badewanne. Trotz dieser Liebe zu den historischen Details bleibt die Pyramide ein Fremdkörper. Zudem schöpfen die Architekten in den Ausstellungsräumen keine Kraft aus der Schräge und schlagen – wie gefordert – neutrale Boxen vor.
Mit schiefen Fassaden operieren auch Juri Troy Architects aus Wien, die für ihre geknickte Skulptur eine Anerkennung erhielten. Mit einer Freitreppe öffnet sich der Bau zur Stadt, bezieht sich aber weder auf Haerdtl noch auf die Karlskirche. Auch der angefügte Knick am Nachbargebäude wirkt unmotiviert. Also doch aufstocken?
Querkraft Architekten, ebenfalls aus Wien, versuchen es mit der Brechstange. Sie setzen dem Haerdtl-Pavillon einen wuchtigen Klotz auf, der in den Raum ausgreift. Doch dem neuen Kopf fehlt jeder Bezug zum Kontext, was die Jury „kontrovers diskutiert“. Subtiler agieren Fiechter & Salzmann Architekten aus Zürich, die ebenfalls eine Anerkennung bekam. Mit ihrem Aufbau erhält das Museum die Höhe, die seiner öffentlichen Funktion entspricht. Die Erweiterung ist nicht als Deckel gedacht, sondern als Hauptteil. Statt Früher und Heute didaktisch gegenüberzustellen, bauen die Architekten ein neues Ganzes.
Der Jury war dieser Vorschlag wohl zu wenig prominent, zu sehr weitergebaut. Gleichzeitig konnte sie sich – zum Glück – nicht zu einem Spektakel-Entwurf durchringen. Also wählte sie ein Konzept, das niemandem weh tut. Für ein Projekt dieser Gewichtsklasse die falsche Entscheidung, und insgesamt ein mageres Resultat angesichts der 274 eingereichten Entwürfe.
Offener Wettbewerb in zwei Stufen
1. Preis Winkler + Ruck Architekten, Klagenfurt am Wörthersee; Architekt Ferdinand Certov, Graz; Winkler Landschaftsarchitektur, Seeboden am Millstättersee
2. Preis Kim Nalleweg Architekten, Berlin; Landschaftsarchitektur Thomanek Duquesnoy Boemans, Berlin
3. Preis Ilg Santer Architekten, Zürich; Hager Partner, Zürich
Anerkennung Juri Troy Architects, Wien; Yewo Landscapes, Wien
Anerkennung Querkraft Architekten, Wien; Doris Haidvogl, Wien'
Anerkennung Fiechter & Salzmann Architekten, Zürich; Andreas Geser Landschaftarchitekten, Zürich
Fachjury
Bernardo Bader, Emanuel Christ (Vorsitz), Elke Delugan- Meissl, Anna Detzlhofer, Franz Kobermaier, Walter Krauss, Erich Raith, Werner Schuster, Karin Triendl, Günter Zamp-Kelp
1. Preis Winkler + Ruck Architekten, Klagenfurt am Wörthersee; Architekt Ferdinand Certov, Graz; Winkler Landschaftsarchitektur, Seeboden am Millstättersee
2. Preis Kim Nalleweg Architekten, Berlin; Landschaftsarchitektur Thomanek Duquesnoy Boemans, Berlin
3. Preis Ilg Santer Architekten, Zürich; Hager Partner, Zürich
Anerkennung Juri Troy Architects, Wien; Yewo Landscapes, Wien
Anerkennung Querkraft Architekten, Wien; Doris Haidvogl, Wien'
Anerkennung Fiechter & Salzmann Architekten, Zürich; Andreas Geser Landschaftarchitekten, Zürich
Fachjury
Bernardo Bader, Emanuel Christ (Vorsitz), Elke Delugan- Meissl, Anna Detzlhofer, Franz Kobermaier, Walter Krauss, Erich Raith, Werner Schuster, Karin Triendl, Günter Zamp-Kelp
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