Wir müssen reden
In Deutschland haben sich in etwa 130 Großstädten, kleinen Großstädten, Mittelstädten und Kleinstädten Gestaltungsbeiräte etabliert. Das beratende Gremium avanciert immer mehr zu einem wichtigen Instrument der Baukultur. Aber was kann man mit ihm erreichen?
Text: Klingbeil, Kirsten, Berlin
Wir müssen reden
In Deutschland haben sich in etwa 130 Großstädten, kleinen Großstädten, Mittelstädten und Kleinstädten Gestaltungsbeiräte etabliert. Das beratende Gremium avanciert immer mehr zu einem wichtigen Instrument der Baukultur. Aber was kann man mit ihm erreichen?
Text: Klingbeil, Kirsten, Berlin
In anderen Berufszweigen ist es eine hochpreisige Tätigkeit, in der Architektur wird sie noch als Ehrenamt gehandelt: Beraten! Geht es um konkret greifbare Problemstellungen, wie etwa darum, Arbeitsabläufe vermeintlich effizienter zu organisieren, Kosten zu sparen, die Gewinnspanne zu steigern, sind Unternehmen, aber auch Städte, gern bereit, Geld in die Hand zu nehmen. Ein Rat für gute Gestaltung wird hingegen nicht als ein Wert angesehen, der bezahlt werden muss. Die gängige Annahme, dass es sich bei Gestaltung schlicht um Geschmacksfragen handelt, macht es nicht einfacher. Das könnte ein Grund sein, warum es zwar bereits etwa 130 Gestaltungsbeiräte in Deutschland gibt, diese aber nicht flächendeckend von den Kommunen initiiert werden. Dabei sind die Kosten, um die Beiräte zu etablieren, gerade im Vergleich zu den Baukosten, sehr gering. Seine Mitglieder erhalten in der Regel eher Aufwandsentschädigungen als Honorare, die sich an denen von Preisrichtern, Sachverständigen und Vorprüfern anlehnen.
Schaut man näher hin, ist auffällig, dass trotz der 130 Beiräte jeder seine eigene Geschäftsordnung hat. Auch die Zusammensetzung der Gremien und ihre Arbeitsweisen fallen ganz unterschiedlich aus. Die Forschungsarbeit „Mehr Qualität durch Gestaltungsbeiräte“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB), des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) und des Bundesamts für Bauwesen und Raumordnung (BBR), die Ende 2017 erschienen ist, untersucht die Landschaft der Gestaltungsbeiräte in Deutschland. Anschaulich werden in der Studie Arbeitsweisen, Wirken und Rahmenbedingungen von Gestaltungsbeiräten analysiert. Im Fokus steht aber nicht nur die aktuelle Situation, sondern auch die zukünftige Entwicklung. Zusätzlich wurde über sogenannte Netzwerktreffen versucht, den Austausch untereinander zu stärken. Einerseits um aus den Erfahrungen der anderen zu lernen, andererseits aber vor allem, um sich beim Erreichen des gemeinsamen Ziels zu unterstützen: die Architektur zu verbessern.
Die große Anzahl der Beiräte, das Erscheinen der Studie und der Austausch zwischen den Gestaltungsbeiräten gaben Anlass, sich dieses Instrument näher anzuschauen. Das Versprechen des Titels „Mehr Qualität durch Gestaltungsbeiräte“, ließen mich zunächst glauben, dass es möglich sein könnte, anhand von einigen Projekten, die über den Tisch des Gestaltungsbeirats gingen, aufzuzeigen, was mit ihm erreicht werden kann. Beim Lesen werden Sie feststellen, dass nur wenig konkrete Projekte in dieser Ausgabe thematisiert werden. Dies liegt nicht daran, dass es keine aufbereiteten Dokumentationen über die Arbeit von Beiräten gibt. Allein online lassen sich, gerade von den schon länger aktiven Beiräten, umfangreiche Sammlungen herunterladen. So etwa vom 1998 gegründeten Gestaltungsbei-rat der Stadt Regensburg, die verschiedene Planungsstände einzelner Projekte abbilden und den Weg zum Endergebnis aus ihren 30-jährigen Bestehen aufzeigen. Ein beachtlicher Erfahrungsschatz, von dem sich lernen lässt. Aber so wie jedes Bauvorhaben seine ganz eigenen Herausforderungen hat, stellt jede Kommune und jede Stadt eigene Anforderungen an ihren Gestaltungsbeirat.
Die eingehende Beschäftigung mit dem Themamachte deutlich, dass nicht allein das gelungene fertiggestellte Bauwerk die Stärke dieses Instrument aufzeigt. Nicht nur einmal fiel in Gesprächen mit Gestaltungsbeiratsmitgliedern der Satz, dass mit dem Beirat keine Wunder oder gar architekturpreisverdächtigen Bauten zu erwarten sind. Die Hoffnung, dass mit dem Gestaltungsbeirat ein Werkzeug existiert, mit dem immer gute Architektur entsteht, wird nicht eingelöst. Oft wirkt es gar so, als könnte auch nur minimal korrigiert werden. Der Stand der Planung, wenn der Beirat drüber schaut, ist meist schon fortgeschritten und der gegebene Rat nicht bindend.
Warum braucht es dann überhaupt einen Gestaltungsbeirat und was kann er letztlich erreichen? Sieben Mitglieder berichten von ihrer Arbeit und den Erfahrungen, die sie gemacht ha-ben, von den Stärken des Instruments und vor allem den Voraussetzungen, die es braucht, um erfolgreich agieren zu können. Jürgen Mayer H. und Hans Schneider standen auf der ande-ren Seite und fassen zusammen, wie es war, das eigene Bauvorhaben vom Baukollegium Berlin begutachten zu lassen. Und der Architekt Lothar Tabery aus Bremervörde versucht in Niedersachsen eine Sonderform, den mobilen Gestaltungsbeirat, zu etablieren.
Auch wenn eine Best-Practice-Sammlung sinnvoll ist, um die Arbeit einzelner Gestaltungsbei-rat zu präsentieren, zeigt sich, wie wichtig an erster Stelle der Dialog über die Architektur ist. Mit dem Bauen werden nicht immer die gleichen Interessen verfolgt, weshalb die objektive Meinung von Fachleuten, ermittelt im konstruktiven Diskurs, zu besseren Kompromissen, besserer Architektur führen kann. Gleichzeitig kann durch eine politisch gewollte Legitimation der oft mangelnde Rückhalt für die Baukultur gestärkt werden. Erreichen lässt sich dies nur gemeinsam!
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