Altes Hospiz St. Gotthard
Umbau des Hospizes auf dem Gotthardpass durch Miller & Maranta
Text: Drewes, Frank F., Herzebrock-Clarholz
Altes Hospiz St. Gotthard
Umbau des Hospizes auf dem Gotthardpass durch Miller & Maranta
Text: Drewes, Frank F., Herzebrock-Clarholz
Der Gotthardpass ist einer der bekanntesten und mystischsten Orte der Schweiz und stellt dennoch einen „Unort“ dar, mehr Passage und Transit als Ort zum Verweilen. Auf über 2000 Meter Höhe gelegen, ist weder die Topografie noch das Klima für einen Aufenthalt geeignet.
Bedeutung und Mythos schuldet der Gotthardpass seiner Lage, die ihn zur kontinentalen Wasserscheide und zur Grenze zwischen germanischem und romanischem Kulturkreis macht. Gleichzeitig ist der Pass aber auch eine Verbindung, die der Mensch seit Jahrhunderten nutzt und die den Süden der Schweiz an den Rest des Landes anbindet. Schon Goethe, Mendelssohn, Balzac und Rimbaud wählten diesen Weg und nächtigten im Hospiz auf dem Gotthardpass.
Das Hospiz stellt das bedeutendste Gebäude auf der Passebene dar. Historische Bauspuren lassen sich bis ins 9. Jahrhundert zurückverfolgen, als mit einer Kapelle der Grundstein für das heutige Gebäude gelegt wurde. Adaptionen, Erweiterungen, Unbilden der Natur und ein Brand mit Totalschaden im Jahr 1905 haben ihre Spuren in der Natursteinsubstanz hinterlassen. Die größte Gefahr stellte allerdings die Gotthardschnellstraße und der Gotthardtunnel dar, denn durch sie wurden Übernachtungen überflüssig, und die ohnehin auf die wenigen schneefreien Monate beschränkte Passage brachte keine Gäste mehr. Als Anfang der 70er Jahre der Verfall und ein Abriss oder auch der Verkauf an einen ausländischen Investor drohte, wurde die Stiftung Pro San Gottardo ins Leben gerufen. Der Erhalt dieses geschichtsträchtigen Monuments war für das Freiheits- und Unabhängigkeitsgefühl der Schweizer von elementarer Bedeutung.
Die Basler Architekten Miller & Maranta wurden mit dem Erhalt und Ausbau des Hospizes in seiner ursprünglichen Funktion beauftragt. Durch die neue Form des Genussreisens mit architektonischem Anspruch eröffnete sich auch ein neues Nutzungspotenzial. Überzeugend ist vor allem das minimalistische Understatement, mit dem die Architekten das Hospiz in seiner historischen Präsenz stärkten, statt einen eigenen architektonischen Meilenstein zu setzen (Bauwelt 9.2011).
Das Buch zum Umbau und zur Historie strahlt die gleiche Zurückhaltung aus wie das Hospiz selbst – pure Funktion und Zeitlosigkeit. Der Inhalt ist als Reise von Norden nach Süden angelegt und beginnt mit einer bebilderten „Autofahrt“ in Göschenen und endet analog mit einer fotografischen Fahrt in Airolo im Tessin. Die Texte in Deutsch und Italienisch unterstreichen zusätzlich die Dimension dieser Reise. Im Zentrum stehen der Pass und das Hospiz selbst. Geschichtliche wie aktuelle Baudaten und Pläne vermitteln einen guten Einblick in die Materie. Der Text von Hubertus Adam erläutert nachvollziehbar die Intention und die Eingriffe von Miller & Maranta, die wiederum Ruedi Walti eindrücklich fotografisch dokumentiert hat.
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