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Architecture Activism

Die andere Seite von Graft

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

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Architecture Activism, Graft Architekten, Birkhäuser Verlag, Basel 2016

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Architecture Activism, Graft Architekten, Birkhäuser Verlag, Basel 2016


Architecture Activism

Die andere Seite von Graft

Text: Schade-Bünsow, Boris, Berlin

1998, zur Bürogründung von Graft, schrieben Lars Krückeberg, Wolfram Putz und Thomas Willemeit einen 5-Jahres-Plan. Sieben Jahre später stellen die drei Partner, die sich seit Beginn ihres Architekturstudiums in Braunschweig kennen, fest, dass die damals festgeschriebenen Ziele fast erreicht wurden. Die Haltung stimmte mit der damals gefundenen überein.
Nun, fast 20 Jahre später, geben sie mit Archi­tecture Activism ein „Post-Maifest“ heraus, in dem sie ihre andere Seite zeigen, die mit ihrer Architektur nur in zweiter Linie etwas zu tun hat. Auf der einen Seite steht Graft mit der vermeintlich hedonistischen Attitüde für „design for profit“-Projekte, wie es der Berliner Galerist Ulrich Müller zur Buchvorstellung ausdrückte. Daran sind Graft teilweise selbst schuld. Mit großer, amerikanisch sozialisierter Unbekümmertheit kommunizierten sie alles, was ihnen geschah und was sie bauten. Interior Design, Hotels, Zahnarztpraxen, Luxuswohnungen und das auch noch für Brad Pitt. Und so wurden sie von allen, die nicht genau genug zuhörten oder hinsah­­en, in diese Schublade gesteckt. Und zwar für immer.
Das macht Graft aber nicht aus, weder damals noch heute. Es zeigt nur eine Seite des Büros. Auf der anderen Seite, neben den „design-for-profit“-Projekten, die man braucht, um ein Büro mit über 80 Mitarbeitern zu führen, steht das Bewusstsein für eine gesellschaftliche und soziale Verantwortung. Um dieser Verantwortung gerecht zu werden, wird die Infrastruktur des großen Büros für soziale Projekte genutzt, die auch etwas mit Architektur zu tun haben können. Voraussetzung ist das aber nicht.
In Architecture Activism stellen die Autoren und Büropartner Lars Krückeberg, Wolfram Putz und Thomas Willemeit in vier Kapiteln neun Projekte vor. Die Anmutung des komplett in Englisch geschriebenen Buches ist „rough“: Paperback, 240 Seiten und alle davon zum Raustrennen perforiert. Die Grafik ist laut, farbig, bunt. Fast kein Klischee wird ausgelassen: „urban acupuncture and trojan horses, poor but sexy, nothing lasts forever“ und „too good to be true“ findet man auf nur einer einzigen Doppelseite. Zitate von Sartre, Aravena, Niemeyer, Hadid, Frank Lloyd Wright und natürlich Le Corbusier und vielen mehr im ganzen Buch.
Was macht das mit dem Leser? Er könnte Graft schon wieder in die Schublade der LA-Sonnyboys stecken. Oder er erkennt die Dynamik und das ehrliche soziale Engagement, welches eben nicht im Konjunktiv stecken bleibt, sondern gebaute Realität wird. Das Buch ist ein Appell, es ebenso zu tun, mindestens aber eine Aufforderung, Graft auch aus diesem Blickwinkel wahrzunehmen.
Unter den vorgestellten Projekten sind natürlich die teilweise weltweit bekannten, wie „make it right“ zum Wiederaufbau von New Orleans nach dem Hurrikan Katrina oder der Solarkiosk, der in entlegenen Gebieten in Entwicklungsländern die Menschen mit Strom versorgt (Bauwelt 35.2012). Inzwischen ist daraus eine sich selbst tragende ökonomische Institution geworden, die in sieben Ländern aktiv ist. Beschrieben wird „affordable housing“ in Namibia, was überhaupt nichts mit der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum in Deutschland zu tun hat. Hier engagieren sich die Architekten seit 2016 mit dem Projekt Heimat2. In Berlin soll im Projekt „Eckwerk Holzmarkt“ die Verbindung von urbanem Wohnen, Arbeiten und Leben in unterschiedlichstem Maßstab gelingen. Da arbeitet das Büro mit Jan Kleihues zusammen, eigentlich unvorstellbar, aber trotzdem wahr.
Die Projekte werden inhaltlich beschrieben, die wirtschaftlichen Leitplanken werden mit zahlenorientierten Grafiken gesetzt. Allein gelingt den Architekten keines der Projekte. Sie gewinnen umsetzungsstarke Partner aus ganz unterschiedlichen Bereichen. Die KfW ist in Namibia dabei, die Eckwerk Genossenschaft in Berlin und Produzent Hans Wolfgang Pausch bei Heimat2. Andreas Spiess ist eigentlich Rechtsanwalt und nun auch Geschäftsführer der Solarkiosk GmbH, die von der UNICEF, der UN und der EU unterstützt wird und Coca Cola als Sponsor gewonnen hat. Spiess erklärt die Formel für die Motivation von Graft: „Begeisterungsfähigkeit, gepaart mit Beharrlichkeit und Professionalität in der Umsetzung“.
Fakten
Autor / Herausgeber Graft Architekten
Verlag Birkhäuser Verlag, Basel 2016
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aus Bauwelt 17.2017
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