Bauwelt

Die Stadt der Moderne

Strategien zur Erhaltung und Planung

Text: Hotze, Benedikt, Berlin

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Die Stadt der Moderne

Strategien zur Erhaltung und Planung

Text: Hotze, Benedikt, Berlin

Kennen Sie die Kettenhäuser aus den Sechzigern in Wolfsburg-Detmerode? Ein- und zweigeschossig stehen sie da, aufgeschnürt wie Perlen an der Kette: roter Verblendziegel, weiße Attika, Flachdach, Patiohof. Denkmalschutz? Nein. Aber das einheitliche Erscheinungsbild soll erhalten werden, bevor die Generation „Erben“ hier macht, was sie will. Also hat die Stadt Wolfsburg schon vor einigen Jahren einen Modellversuch aufgesetzt, mit Workshop-Bürgerbeteiligung nach innen und Kommunikation nach außen. Wolfsburg ist übrigens die einzige deutsche Großstadt, die eine hauptberufliche Kraft für Architekturvermittlung beschäftigt. Aber wir schweifen ab.
Wie den Bungalow-Clustern in der Trabantenstadt Detmerode geht es vielen Ensembles der Moderne: Veränderungsdruck, energetische Ertüchtigung, Nutzerwechsel allenthalben. Vittorio Magnago Lampugnani und Konstanze Sylva Domhardt haben mit dem vorliegenden Band eine Sammlung von Fallbeispielen vorgelegt, anhand derer sie die theoretischen und praktischen Schwierigkeiten des Denkmalschutzes für „urbane Gebilde“ (im Gegensatz zum „architektonischen Objekt“) erörtern wollen. Der Schwerpunkt liegt auf Ensembles der späten Moderne, auch wenn Zwischenkriegs-Klassiker wie der Wiener Karl-Marx-Hof oder die Berliner Siedlung Britz, besser bekannt als Hufeisen, hier ebenfalls aufgeführt werden. Nicht alles davon steht unter Denkmalschutz – auch deshalb, weil zunächst einmal definiert werden muss, was an solchen Ensembles eigentlich schutzwürdig sein soll: das einzelne Beispielhaus, das zu Anschauungszwecken erhalten bleibt, während der Rest abgerissen wird? Der städtebauliche Zusammenhang, auch wenn das Quartier aus Solitären besteht wie in der Hamburger Bürostadt City Nord? Die Fassaden, die wie in Wolfsburg vor dem individuellen Verpacken mit Wärmedämmverbundsystemen bewahrt werden sollen?
Die neun deutschen und internationalen Beispiele, darunter mit der Stalinallee eines aus der DDR und mit Le Havre eine Weltkulturerbe-Stätte, werden ausführlich im Hinblick auf Entstehungsgeschichte, Erhaltung und Schutz beschrieben. Die zum Teil ausufernd detaillierten Schilderungen örtlicher Verhältnisse und Maßnahmen sind nicht immer frei von Selbstbespiegelung, handelt es sich bei den Autoren doch oft um beteiligte Akteure. Vor allem können die Fallbeispiele nicht die eingangs von den Herausgebern aufgeworfenen denkmaltheoretischen Fragen beantworten – was aber letztlich zu der Erkenntnis führt, dass es solche allgemeinen Antworten auch gar nicht gibt, sondern jedes Ensemble individuell zu analysieren und zu beurteilen ist. Die Komplexität solcher Fragen breit beleuchtet zu haben, ist das Verdienst des Buches.
In Erinnerung bleibt Lampugnanis Pointe, dass die beiden „wohl wichtigsten Stadterhaltungsunternehmungen des 20. Jahrhunderts“, nämlich die Sanierung des Stadtzentrums von Bologna in den 60er und die von Berlin-Kreuzberg in den 70er (und 80er!) Jahren, federführend von zwei Architekten (Cervellati hier, Hämer dort) konzipiert wurden und die Denkmalpflege „ironischerweise“ daran nur marginal beteiligt war. „Daraus abzuleiten“, lenkt Lampugnani dann aber ein, „eine städtische Denkmalpflege brauche es nicht, wäre ein Irrtum“.
Fakten
Autor / Herausgeber Vittorio Magnago Lampugnani und Konstanze Sylva Domhardt (Hrsg.)

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aus Bauwelt 19.2017
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