Fascismo abbandonato
Kinderferienlager in Mussolinis Italien
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Fascismo abbandonato
Kinderferienlager in Mussolinis Italien
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Ruinen der Moderne können eine besondere Faszination ausüben, erzeugt deren Zustand des Verfalls doch eine eigenartige Spannung mit jener Verheißung einer neuen Gesellschaft, die sich mit den Gebäuden einst verband. In Italien ist die Spannung nochmals gesteigert, denn die Moderne der Jahre um 1930 ist dort untrennbar mit dem Faschismus und dem Duce verquickt.
Der unschuldigen Faszination des Künstlers Dan Dubowitz und des Architekten Patrick Duerden ist dieses Buch zu verdanken, welches einige im Norden Italiens gelegene Kinderkolonien jener Zeit in ihrem heutigen Zustand dokumentiert, ergänzt um Illustrationen aus der Hochzeit der „Colonie“ und abgerundet von einem aufklärenden Nachwort Arne Winkelmanns, das die Anlagen gerade in ihrer gestalterischen Konsistenz als exaktes Abbild faschistischen Kinderdrills analysiert. Im Großen und Ganzen eine auch für den deutschen Leser interessante Veröffentlichung, fallen in ihr doch mehrere Aspekte der hiesigen Diskussion um die Moderne zusammen: Wie sich ihre oft kühnen Konstruktionen konservie-ren lassen über einen Zeitraum, für den sie meist gar nicht berechnet worden sind; ob und in welchem Maße ihre moralische Verstrickung in die dunklen Kapitel des 20. Jahrhunderts die Adaptierung für neue Funktionen beeinflusst; wie unsere in Retrospektive und Zukunftsangst schwelgende Gegenwart überhaupt mit diesem Ausdruck vermeintlich naiven Fortschrittsglaubens umzugehen vermag.
Trotzdem lässt der Band den Leser mit einem Quantum Unzufriedenheit allein: Die Gründe für die Beschränkung der Recherche auf die Nordhälfte Italiens bleiben im Dunkeln, die Darstellung der aufgesuchten Anlagen ist eher fragmentarisch, und die Qualität der Fotos kann nicht immer überzeugen – für ein Buch, das vor allem ein Fotoband ist, nicht der kleinste Makel.
0 Kommentare