Frei Otto - forschen, bauen, inspirieren
Was Frei Otto bei diesem Privatissimum nur skizzieren konnte, kann man nun in einem angenehm kompakten Band nachlesen und nachschauen, der als ein Geschenk zum 90. Geburtstag gedacht war.
Text: Stock, Wolfgang Jean, München
Frei Otto - forschen, bauen, inspirieren
Was Frei Otto bei diesem Privatissimum nur skizzieren konnte, kann man nun in einem angenehm kompakten Band nachlesen und nachschauen, der als ein Geschenk zum 90. Geburtstag gedacht war.
Text: Stock, Wolfgang Jean, München
Der Rezensent erinnert sich an den sonnigen Tag im Frühjahr 2001, den er mit Frei Otto und seiner Frau in Warmbronn bei Stuttgart verbringen durfte. Anlass des Treffens war die Vorbereitung eines „Baumeister-Gesprächs“ im Frankfurter DAM. Über das Mittagessen hinweg führte Frei Otto den Besucher in sein komplexes Werk ein: Er erläuterte seine Grundsätze, er zeigte Modelle, er stellte neue Projekte vor, assistiert von seiner Frau, weil sein Augenlicht schon reduziert war. Abschließend bedauerte er, dass er so häufig missverstanden werde: „Ich will doch nicht Formen der Natur nachahmen, sondern ihre Gesetze besser verstehen für ein Bauen im Einklang mit der Natur.“
Was Frei Otto bei diesem Privatissimum nur skizzieren konnte, kann man nun in einem angenehm kompakten Band nachlesen und nachschauen, der als ein Geschenk zum 90. Geburtstag gedacht war. Doch kurz davor, am 9. März dieses Jahres, starb der große Ingenieur-Architekt. So ist dieses Buch – wie auch der Pritker-Preis – zu einer posthumen Würdigung geworden. Seine Autoren sind Irene Meissner und Eberhard Möller, die beide an der umfassenden Frei-Otto-Schau 2005 im Architekturmuseum der TU München mitgewirkt hatten. Ihnen ist es gelungen, das große Spektrum sei-ner Ideen, Entwürfe und Projekte ohne akademischen Jargon darzustellen. Im Mittelpunkt stehen die Pionierleistungen: die hängenden, stehenden und schwebenden Konstruktionen, mit denen sich Frei Otto neben Buckminster Fuller als der bedeutendste Anreger für das Bauwesen im 20. Jahrhundert in die Geschichte eingeschrieben hat. Das mit Skizzen, Fotos und Plänen reich illustrierte Buch enthält auch ein Verzeichnis der Werke, Projekte und Schriften.
Die Bauwelt hat in Heft 20.2015 sieben Betrachtungen zu Frei Ottos epochalem Erbe veröffentlicht. Eine Art Vermächtnis ist auch das Hörbuch, das eine kleine bayerische Edition in vier CDs herausgebracht hat, ebenfalls zum 90. Geburtstag. Die Sammlung von Texten und Vorträgen ist aus Gesprächen hervorgegangen, die der Regisseur Gerd Pfafferodt in den letzten Jahren mit Frei Otto geführt hat. Zu hören ist aber nicht der Meister selbst, sondern die Stimme des Schauspielers Jens Harzer. Wer noch Frei Ottos sächsisch unterlegtes Deutsch im Ohr hat, mag zunächst etwas konsterniert sein. Doch Harzer trifft ohne Nachahmung den richtigen Ton: inhaltlich. Seine zwischen Sachlichkeit und Spannung modulierende Stimme vermittelt sowohl das gesellschaftliche und politische Pathos des Architekten als auch seinen pädagogischen Impetus.
Die Auswahl der insgesamt 53 Beiträge überzeugt, weil sie die ganze Bandbreite von Frei Ottos Anliegen und Interessen abdeckt. Da gibt es kurze Feuilletons zur Orchidee oder zur Schönheit, aber auch eine halbstündige Sequenz über Architektur und Natur, in der er seine Trias von Wahrheit, Glauben und Wünschen erläutert. Herrlich, wie er etwa den eitlen Frank Lloyd Wright beschreibt, den er als junger Stipendiat nach dem Zweiten Weltkrieg in Taliesin West erlebt. Liebevoll hingegen äußert er sich über Hans Scharoun, vor allem aber über den Konstanzer Unternehmer Peter Stromeyer, den Praktiker des Zeltbaus, mit dem ihn „die intensivste Freundschaft“ verbunden habe. Frei Otto sorgt sich, dass Bauarbeiter zu Tode kommen könnten, er erzählt von seiner Kriegsgefangenschaft in Frankreich, er beklagt, dass ihn kein Ingenieur von Daimler-Benz je im nahen Warmbronn aufgesucht habe. Noch immer zornig ist er auf jenes Deutschland, das sich unter den Nazis „verdummt und verroht“ habe. Und mittendrin spricht er davon, Architektur müsse erotisch sein: Die „Durchseelung der Materie“ sei die Grundaufgabe des Architekten. Themen über Themen: Dieses von einem nützlichen Booklet begleitete Hörwerk ist der ideale Begleiter für Architekten und Planer auf langen Auto- oder Zugfahrten.
Die Auswahl der insgesamt 53 Beiträge überzeugt, weil sie die ganze Bandbreite von Frei Ottos Anliegen und Interessen abdeckt. Da gibt es kurze Feuilletons zur Orchidee oder zur Schönheit, aber auch eine halbstündige Sequenz über Architektur und Natur, in der er seine Trias von Wahrheit, Glauben und Wünschen erläutert. Herrlich, wie er etwa den eitlen Frank Lloyd Wright beschreibt, den er als junger Stipendiat nach dem Zweiten Weltkrieg in Taliesin West erlebt. Liebevoll hingegen äußert er sich über Hans Scharoun, vor allem aber über den Konstanzer Unternehmer Peter Stromeyer, den Praktiker des Zeltbaus, mit dem ihn „die intensivste Freundschaft“ verbunden habe. Frei Otto sorgt sich, dass Bauarbeiter zu Tode kommen könnten, er erzählt von seiner Kriegsgefangenschaft in Frankreich, er beklagt, dass ihn kein Ingenieur von Daimler-Benz je im nahen Warmbronn aufgesucht habe. Noch immer zornig ist er auf jenes Deutschland, das sich unter den Nazis „verdummt und verroht“ habe. Und mittendrin spricht er davon, Architektur müsse erotisch sein: Die „Durchseelung der Materie“ sei die Grundaufgabe des Architekten. Themen über Themen: Dieses von einem nützlichen Booklet begleitete Hörwerk ist der ideale Begleiter für Architekten und Planer auf langen Auto- oder Zugfahrten.
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