Bauwelt

Kompromisslos

Sep Ruf 1908–1982

Text: Rumpf, Peter, Berlin

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Kompromisslos

Sep Ruf 1908–1982

Text: Rumpf, Peter, Berlin

Die Monografie ist über 500 Seiten dick. Die fünf Pfund Gewicht erlauben es kaum, das Werk bequem im Sessel oder gar im Bett zu lesen. Der Einband besitzt die Konsistenz von Sperrholz. Der Inhalt ist einschüchternd lückenlos. Der vor sechs Jahren erschienene Katalog zur ersten Sep Ruf Ausstellung in der Pi-nakothek der Moderne in München von Winfried Nerdinger (Mitar-beit: Irene Meissner) gibt sich dagegen wie ein Vorwort (Heft 32.08). Nun also das Opus magnum.
Sep Ruf, in den 50er Jahren Deutschlands meistbeschäftigter Architekt, stand dennoch zeitlebens im Schatten von Kollegen wie Egon Eiermann – von Hans Scharoun oder Ludwig Mies van der Rohe ganz zu schweigen. Sein Einfluss auf die Zeitgenossen und das Ansehen der deutschen Nachkriegsarchitektur wird dennoch gern unterschätzt. In Hatjes „Lexikon der Architektur des 20. Jahrhunderts, herausgegeben von Vittorio Magnago Lampugnani, findet sich zu Ruf kein Eintrag. Irene Meissner will nun mit ihrer erweiterten Dissertation den Bayern vor dem langsamen Vergessen bewahren.
Franz Joseph („Sep“) Ruf kam am 9.März 1908 in München zur Welt, wuchs in bürgerlichen Ver-hältnissen auf, studierte Architektur an der heimischen TH und nahm noch als Student „mit lobender Anerkennung“ an einem Wettbewerb der „Bauwelt“ um das „billige zeitgemäße Eigenhaus“ teil. Folgerichtig führt die Autorin diesen Entwurf eines schlichten, zweigeschossigen Würfels im Werkverzeichnis unter der Nummer 1 von insgesamt 278 Projekten. Schon ein Jahr später machte sich der begabte Jungarchitekt mit seinem älteren Bruder Franz Xaver selbstständig.
Der Lebensweg und die umfangreiche Werkschau sind nicht streng chronologisch aufgebaut, sondern in thematischen Gruppen, die sich Jahresabschnitten zuordnen: Wohnbauten 1933-45, öffentliche Gebäude und Bauten für die Wehrmacht 1936-39, Kriegsjahre, Alliierte Besatzungszeit 1945-49, erste Phase Wiederaufbau, Bauten für die Amerikaner usw. Dieser Durchmarsch in zwölf Abschnitten – er endet mit dem Kanzlerbungalow für Ludwig Ehrhard in Bonn – umfasst rund 35 Schaffensjahre. Ergänzt wird er von Rufs Beziehung zur Kunst (Gutachtertätigkeiten, Kunst am Bau, Künstlerfreundschaften), seiner Lehrtätigkeit an der Akademie der Bildenden Künste München und einem Blick auf das Spätwerk: Bauten für die Bayerische Vereinsbank in München, die Zentrale der Handelsgesellschaft in Frankfurt/M und das Olaf Gulbransson Museum in Tegernsee.
Neben den vielen heute mit seinem Namen nicht immer verbundenen Wohn- und Geschäftsbauten ragen heraus: das amerikanische Generalkonsulat am Englischen Garten – über dessen Nutzung zur Zeit heftig gestritten wird –, das „erste Wohnhochhaus“ an der Theresienstraße, der Komplex Neue Maxburg mit dem historischen Turm an der Pacellistraße, der Deutsche Pavillon auf der Weltausstellung 1958 in Brüssel (mir Egon Eiermann), die Rundkirche in München-Bogenhausen, und – für alle Cineasten – das Roxy-Filmtheater, später Royal-Palast am Münchner Goetheplatz.
Als Merkmal all seiner Entwürfe und realisierten Bauten besticht von Anfang an die kompromisslose Moderne, die es – gerade bei seinen eleganten Villen – durchaus mit Mies aufnehmen kann: Flachdach, Stahlstützen, geschosshohe Glaswände, geschickte Einbindung in die Umgebung. Das brachte ihm in Bayern (!) nicht nur Freunde. In der Chefredaktion des „Baumeisters“ besaß Sep Ruf einen der zuverlässigsten Widersacher. Im Alter und von Krankheit gezeichnet zog er sich in sein Haus in Gmund am Tegernsee zurück, als Nachbar von Ludwig Ehrhard, dessen Privathaus er ebenfalls entworfen hatte. Oder er werkelte an seinem Landhaus aus dem 17. Jahrhundert herum, das er 1969 in Chianti erworben hatte. Gestorben ist Sep Ruf am 3. August 1982 in München. Der Nachlass war lange Zeit nicht zugänglich. Aber dank seiner Tochter und seiner Enkelin kann nun umfassend und zu Recht an den großen Unbekannten erinnert werden.
Anmerkung: Text, Bebilderung und das mehr als 100-seitige Werkverzeichnis mit allen möglichen, auch sehr speziellen Angaben ist sorgfältig ediert und gedruckt. Aber wegen seiner gnadenlosen Ausführlichkeit verleitet es dazu, auch mal Zeilen zu überspringen. Da hätte es die zusätzlichen 20 Seiten Zusammenfassung vor dem Werkverzeichnis eher nicht gebraucht: Siehe eingangs unter dem Stichwort Gewicht.
Fakten
Autor / Herausgeber Irene Meissner
Verlag Deutscher Kunstverlag, Berlin 2013
Zum Verlag
aus Bauwelt 38.2014
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