Vom Heldenberg zur Sportarena
Bauten und Projekte für den Bergisel 1809–2009
Text: Froschauer, Eva Maria, Berlin
Vom Heldenberg zur Sportarena
Bauten und Projekte für den Bergisel 1809–2009
Text: Froschauer, Eva Maria, Berlin
Der Bergisel südlich von Innsbruck ist ohne Zweifel ein Heldenhügel, dessen Bedeutungsschwere kaum zu überbieten ist. Er ist mit dermaßen vielen Bezügen aufgeladen, dass diese sich in gegenseitiger Konkurrenz fast aufzuheben drohen: historische, gedenktechnische, tirolpatriotische. Sie feiern die Weihestätte der Schlachten und Freiheitskämpfe um Andreas Hofer von 1809.
Unmittelbar daneben und nicht weniger forsch ist die Geschichte sportlicher Helden inszeniert – der Olympioniken von 1964 und 1976, der modernen Skispringer und mit dem neuen Schanzenbau auch die der architektonischen Heldin der Gegenwart.
Am Mythos wird im positiven wie negativen Sinn munter gewerkt und gestückt; erst 2009 hat das Tiroler Gedenkjahr dem weitere Kapitel hinzugefügt. Eines davon, im Zuge der Errichtung des neuen Museumsbaus auf dem Bergisel, ist die unrühmliche Debatte um die Translokation des Riesenrundgemäldes von 1896, das die dritte Bergiselschlacht darstellt und nun von seinem städtischen Schauplatz auf den Heldenhügel hinauf gehoben wird.
In dieser Gemengelage kann es nur von Nutzen sein, ein Buch zu haben, das nüchtern alle faktischen und historischen Zusammenhänge aufreiht und die Geschichte dieses Bergs von der Prähistorie bis heute erzählt. Ein Buch, das zwar nicht ohne die unumgänglichen politischen Vorworte auskommt, schließlich erschien es im „Geschichte trifft Zukunft“-Jahr, doch es türmt Material um Material auf, womit die Gedenkgeschichte und all ihre Baulichkeiten, viele geplanten und wieder verworfenen Projekte, viele Zeitschichten und viele Male Bedeutungswandel des Bergs beschrieben sind.
Schon eine einfache Karte vom Bergisel zeigt, wie räumlich dicht hier die Erinnerungsbausteine beieinander liegen. Dazu gehören die selbstherrlichen Bauten des Kaiserjägerregiments, das hier seit dem frühen 19. Jahrhundert beispielsweise Schießplätze, Obelisken, das Andreas-Hofer-Denkmal und ein „Sommer-Offizierskasino“ errichtete. Es folgten ein heeresgeschichtliches Museum, der bisherige zentrale Museumsbau am Bergisel, und viele kleinere Gedenkorte.
Der Berg wurde nebenbei in seiner Substanz immer wieder malträtiert und durchlöchert, schließlich steht er den Tiroler Hauptverkehrswegen, den Passagen über den Brenner und durch das Inntal, einfach im Weg. Darüber hinaus nimmt es kaum wunder, dass auch die Nationalsozialisten an diesem Heldenberg weiterbauen wollten, doch ihre gigantomanischen Pläne sind Papier geblieben. Und die Geschichte des Bergs verschob sich im Laufe des 20. Jahrhunderts zugunsten der sportlichen Helden. Nicht dass immer wieder Ehrenhallen und Glockentürme geplant wurden, doch die beiden Olympiaden entwickelten so viel Sog, der Sprungschanzenbau so viel Kraft, dass dem Berg eine weitere Tonart hinzugefügt wurde. In Folge wurde vieles möglich – vom Papstbesuch in der Naturarena bis zum Open-Air-Konzert.
Diesem Band gelingt es, die Baugeschichte des Bergisel übersichtlich und faktenreich zu erzählen. Das ausgebreitete Bildmaterial ist umfangreich, wenn in der Qualität auch unterschiedlich; in jedem Fall könnte es den Hintergrund für eine versachlichte Debatte über den Berg abgeben. Der Nicht-Tiroler Christoph Hölz zeigt im einleitenden Text die gebotene kritische Distanz zum Freiheitskämpfermythos des Landes. Martin Lochmann schreibt im dokumentarischen, kaum wertenden Stil der Diplomarbeit, vielleicht auch, weil das Buch bis in die Gegenwart reicht, und so mancher aktuelle Zankapfel nur nüchtern, aber nicht spitz berührt sein wollte.
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