Bauwelt

Venedig? Las Vegas?

Die Berliner Akademie der Künste proklamiert die „Wiederkehr der Landschaft“

Text: Kasiske, Michael, Berlin

Venedig? Las Vegas?

Die Berliner Akademie der Künste proklamiert die „Wiederkehr der Landschaft“

Text: Kasiske, Michael, Berlin

In den Eröffnungsreden ist von unterhaltsamer Wissensvermittlung die Rede. Doch der ungebrochene Landschaftsverbrauch durch die boomenden Megacities ist alles andere als unterhaltsam, er ist bitter ernst und nur durch eine grundlegende Veränderung von vornehmlich wirtschaftlichen Zielsetzungen zu stoppen – ein brisantes gesellschafts- und kulturpolitisches Thema, dessen sich die Berliner Akademie der Künste mit ihrer Ausstellung „Wiederkehr der Landschaft“ angenommen hat.
Es grüßt der umfassende Anspruch der Akademie, wenn die Kuratoren einleitend versuchen, das Phänomen Landschaft mit Zitaten aus Literatur, Film und Tanz jenseits romantischer Verklärung als „kulturelles Produkt“ zu erschließen. Im Zentrum der Schau aber stehen Venedig und Las Vegas, zwei Städte, deren Existenz nur mit einem hohen techni­schen Aufwand und auf Kosten ihres Landschaftsraums gesichert werden kann. Was von den künstlichen Städten – zwei Fixpunkte des weltumspannen­den Tourismus – und ihrer Umgebung im Kopf desAusstellungsbesuchers vor allem haften bleibt, sind die hoch ästhetischen Schrägluftbilder des US-amerikanischen Fotografen Alex S. Maclean: Die wie grafische Muster wirkenden Anlagen, die für die extensive Feld- und Fischwirtschaft in der Lagune nötig sind, stehen im krassen Gegensatz zum pittoreskenVenedig, ebenso wie die stereotypen Fertighaussied­lungen in der Wüste von Nevada zum glitzernden Las Vegas.
Beide Städte repräsentieren jedoch historisch derart singuläre Ansiedlungen, dass sie kaum Anknüpfungspunkte bieten für die dringliche Aufforderung vor allem an die Megacities außerhalb der westlichen Sphäre, Landschaft nicht lediglich als Ver­fügungsmasse zu betrachten. Ungleich greifbarer sind die im abschließenden Teil der Schau vorgestell­ten Projekte zeitgenössischer Landschaftsarchitek­ten, die Freiraum und Stadt auf pflegearme und ressourcenschonende Weise zu gestalten versuchen. Für eine Übereinstimmung von Ökologie und Ästhetik stehen etwa der Biomassepark Hugo auf einem ehemaligen Zechengelände in Gelsenkirchen oder die chinesische Regenstadt Putian. Ob derlei Konkretisierungen auch bei den Ausstellungsbesuchern nachhallen, die über ihr nächstes Reiseziel vermutlich auch nicht unbedingt mit Blick auf die Folgen für die Landschaft entschieden haben?
Der Landschaftsarchitekt Walter Rossow (1910–1992), der einst als Mitglied der Berliner Akademie die Sektion Baukunst leitete, schrieb uns
vor einem halben Jahrhundert ins (Planer-)Stammbuch: „Wir wissen sicher nicht, was in 30 Jahren notwendig sein wird, wir wissen aber, dass alles, was wir heute in Stadt und Land tun, nicht einmal den Ansprüchen von heute genügt, nicht unseren Kenntnissen von der Materie entspricht.“ Seine bislang unerhörte Schlussfolgerung „Die Landschaft muss das Gesetz werden“ sollte mehr Ansporn als unterhaltsames Zitat sein.

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