Gestalterin mit sozialem Gewissen
Charlotte-Perriand-Ausstellung in Zürich
Text: Altemeier, Katharina, Basel
Gestalterin mit sozialem Gewissen
Charlotte-Perriand-Ausstellung in Zürich
Text: Altemeier, Katharina, Basel
Als Charlotte Perriand 1927 in der männerdominierten Ateliergemeinschaft von Le Corbusier als Innenarchitektin anfing, musste sie so manches wegstecken. „Hier werden keine Kissen gestickt!“, soll der Meister die damals 24-Jährige begrüßt haben.
Zimperlich war Charlotte Perriand (1903–1999) bestimmt nicht – sonst hätte sie es kaum zehn Jahre in dem Atelier in der Pariser Rue de Sèvres ausgehalten. Zusammen mit Le Corbusier und Pierre Jeanneret entwarf die junge Französin Stahlrohrmöbel, die in die Designgeschichte eingegangen sind und bis heute vom italienischen Hersteller Cassina produziert werden. Darunter Klassiker wie die Chaise longue LC4 oder der Sessel LC2, die schon aufgrund ihrer Bezeichnung „LC“ immer zuerst Le Corbusier alleine zugeordnet werden.
Dass Charlotte Perriand definitiv weit mehr war als das Anhängsel von Le Corbusier und Pierre Jeanneret, führt derzeit eine Ausstellung im Museum für Gestaltung in Zürich auf intelligente Weise vor Augen. Jene Stahlrohrklassiker streifen die Kuratoren Andres Janser und Arthur Rüegg nur am Rande – in einer Art Leseecke im Eingangsbereich, wo es sich Besucher auf besagten Cassina-Möbeln bequem machen dürfen. Die mit den LC-Möbeln verbundenen Copyrightfragen und Genderaspekte werden so geschickt aus der eigentlichen Ausstellung ausgeklammert. Stattdessen konzentriert man sich unter dem Titel „Charlotte Perriand – Designerin, Fotografin, Aktivistin“ auf das facettenreiche eigenständige Werk der Gestalterin.
Was zunächst irritiert: Möbel spielen hier nur eine untergeordnete Rolle. Von insgesamt 350 Exponaten sind nur gut ein Dutzend Einrichtungsgegen- stände. Gezeigt werden ein paar ihrer meist organisch geformten Holzmöbel: Tische, Regale, Hocker und Stühle – viele davon aus den 50er Jahren, die auf Designmessen heute zu horrenden Preisen gehandelt werden. Eine absurde Entwicklung, wenn man bedenkt, dass die kommunistischen Vorstellungen zugetane Perriand davon ausging, „Möbel für die Masse“ zu entwerfen.
Charlotte Perriand ging es keinesfalls nur da- rum, eine neue, biomorphe Formensprache zu entwickeln. Sie war davon überzeugt, dass sie mit ihrem Design die herrschenden sozialen Bedingungenverbessern könne. Unter dem Stichwort „Aktivistin“ subsumiert die Schau ihr soziales Engagement anhand etlicher Beispiele. Mit der für den Salon des Arts Ménagers 1936 entwickelten riesigen Fotomontage „La grande misère de Paris“ etwa übte sie scharfe Kritik an den Lebensbedingungen in der Pariser Banlieue. Gleich neben einer Rekonstruktion der 3 x 15 Meter großen Collage stößt man in der Ausstellung auf einen von Perriands Lösungsansätzen: ein Wohnraum mit günstigen Möbeln – einfache Kästchen und Büchergestelle aus dem Bürobedarf, ein Holztisch und ein campingartiger Klappstuhl, den man stapeln und mit einer Fußstütze verlängern konnte.
Neben der Aktivistin und der Designerin steht die Fotografin Perriand im Zentrum der Schau. Während die meisten ihrer Kollegen einen Skizzenblock mitführten, war sie immer mit der Kamera unterwegs. Ende der 20er Jahre fängt sie an, Räume und Bauten zu fotografieren – ein Karussell, ein Hochhaus, ein Fischernetz. Ihr Interesse gilt (architektonischen)Strukturen, die sie für ihre eigenen Entwürfe inspirieren. Bald erweitert sie ihr Repertoire um Landschaftsaufnahmen und sozialkritische Straßenfotografien. Aus den 30er Jahren stammen Fotos von Steinen, Hühner- oder Fischknochen, die CharlottePerriand auf langen Spaziergängen mit ihrem Lebenspartner Pierre Jeanneret und dem befreundeten Maler Fernand Léger am Ärmelkanal bei Dieppe ge-funden hatte. „Die Beschäftigung mit diesen zum Teil von der Natur zerstörten Objekten, die die Struktur dieser Objekte freilegt, hat ganz stark die Formen beeinflusst. Sowohl was den Städtebau, die Archi-tektur als auch die Möbel von Charlotte Perriand angeht“, sagt Arthur Rüegg.
Wer mit einer „klassischen“ Designausstellung rechnet, wird in Zürich womöglich enttäuscht werden. Wer sich aber auf die Bilder einlässt, dem wird schnell ersichtlich, dass die Fotos von Charlotte Perriand der Schlüssel zum Verständnis ihrer Arbeitsweise, ihrer von der Natur inspirierten Gestaltungsauffassung, ihres gesamten Werkes sind.
Dass Charlotte Perriand definitiv weit mehr war als das Anhängsel von Le Corbusier und Pierre Jeanneret, führt derzeit eine Ausstellung im Museum für Gestaltung in Zürich auf intelligente Weise vor Augen. Jene Stahlrohrklassiker streifen die Kuratoren Andres Janser und Arthur Rüegg nur am Rande – in einer Art Leseecke im Eingangsbereich, wo es sich Besucher auf besagten Cassina-Möbeln bequem machen dürfen. Die mit den LC-Möbeln verbundenen Copyrightfragen und Genderaspekte werden so geschickt aus der eigentlichen Ausstellung ausgeklammert. Stattdessen konzentriert man sich unter dem Titel „Charlotte Perriand – Designerin, Fotografin, Aktivistin“ auf das facettenreiche eigenständige Werk der Gestalterin.
Was zunächst irritiert: Möbel spielen hier nur eine untergeordnete Rolle. Von insgesamt 350 Exponaten sind nur gut ein Dutzend Einrichtungsgegen- stände. Gezeigt werden ein paar ihrer meist organisch geformten Holzmöbel: Tische, Regale, Hocker und Stühle – viele davon aus den 50er Jahren, die auf Designmessen heute zu horrenden Preisen gehandelt werden. Eine absurde Entwicklung, wenn man bedenkt, dass die kommunistischen Vorstellungen zugetane Perriand davon ausging, „Möbel für die Masse“ zu entwerfen.
Charlotte Perriand ging es keinesfalls nur da- rum, eine neue, biomorphe Formensprache zu entwickeln. Sie war davon überzeugt, dass sie mit ihrem Design die herrschenden sozialen Bedingungenverbessern könne. Unter dem Stichwort „Aktivistin“ subsumiert die Schau ihr soziales Engagement anhand etlicher Beispiele. Mit der für den Salon des Arts Ménagers 1936 entwickelten riesigen Fotomontage „La grande misère de Paris“ etwa übte sie scharfe Kritik an den Lebensbedingungen in der Pariser Banlieue. Gleich neben einer Rekonstruktion der 3 x 15 Meter großen Collage stößt man in der Ausstellung auf einen von Perriands Lösungsansätzen: ein Wohnraum mit günstigen Möbeln – einfache Kästchen und Büchergestelle aus dem Bürobedarf, ein Holztisch und ein campingartiger Klappstuhl, den man stapeln und mit einer Fußstütze verlängern konnte.
Neben der Aktivistin und der Designerin steht die Fotografin Perriand im Zentrum der Schau. Während die meisten ihrer Kollegen einen Skizzenblock mitführten, war sie immer mit der Kamera unterwegs. Ende der 20er Jahre fängt sie an, Räume und Bauten zu fotografieren – ein Karussell, ein Hochhaus, ein Fischernetz. Ihr Interesse gilt (architektonischen)Strukturen, die sie für ihre eigenen Entwürfe inspirieren. Bald erweitert sie ihr Repertoire um Landschaftsaufnahmen und sozialkritische Straßenfotografien. Aus den 30er Jahren stammen Fotos von Steinen, Hühner- oder Fischknochen, die CharlottePerriand auf langen Spaziergängen mit ihrem Lebenspartner Pierre Jeanneret und dem befreundeten Maler Fernand Léger am Ärmelkanal bei Dieppe ge-funden hatte. „Die Beschäftigung mit diesen zum Teil von der Natur zerstörten Objekten, die die Struktur dieser Objekte freilegt, hat ganz stark die Formen beeinflusst. Sowohl was den Städtebau, die Archi-tektur als auch die Möbel von Charlotte Perriand angeht“, sagt Arthur Rüegg.
Wer mit einer „klassischen“ Designausstellung rechnet, wird in Zürich womöglich enttäuscht werden. Wer sich aber auf die Bilder einlässt, dem wird schnell ersichtlich, dass die Fotos von Charlotte Perriand der Schlüssel zum Verständnis ihrer Arbeitsweise, ihrer von der Natur inspirierten Gestaltungsauffassung, ihres gesamten Werkes sind.
0 Kommentare