Bauwelt

SO–IL und Pole Dance im New Yorker P.S.1

Debüt Nr. 05

Text: Meyer, Friederike, Berlin; Idenburg, Florian, New York; Liu, Jing, New York

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SO–IL und Pole Dance im New Yorker P.S.1

Debüt Nr. 05

Text: Meyer, Friederike, Berlin; Idenburg, Florian, New York; Liu, Jing, New York

Jeden Sommer verwandelt sich der Hof des MoMA Queens in eine Partylandschaft. Mit Stange, Bungeeseil und iPhone-App hantieren die diesjährigen Gestalter aus New York.
Freunde der zeitgenössischen Kunst kommen in New York am P.S.1 nicht vorbei. In seiner Außenstelle in einem ehemaligen Schulgebäude stellt das MoMA dort Werke von jungen Talen­ten aus. Seit zehn Jahren finden hier auch die Warm Up Parties statt: An den Sommerwochenenden spielen DJs zum Tanz, und die Städter prä­sentieren ihre neuesten Sonnenbrillen – in einem jährlich wechselnden Ambiente, das sich irgendwo zwischen Kunstinstallation und Platzgestaltung einordnen lässt. Was das Partyvolk eher als Dekoration des kargen, von hohen Betonmauern umstellten Hofs der Kunstinstitution wahrnimmt, ist für die Architekten, die dieses Ambiente gestalten dürfen, ein Karrieresprung. In diesem Jahr hat die aus MoMA-Kuratoren bestehende Jury Florian Idenburg und Jing Liu vom Büro SO–IL ausgewählt und ihnen für die Umsetzung ihrer Idee, den Hof mit Stangen, Netzen, Hängematten und Gummibällen zu gestalten, 85.000 Dollar des Young Architects Program (YAP) zur Verfügung gestellt. Im Vergleich zu den Vorjahren ist das Ergebnis ein wirklich anregender Spielplatz für Erwachsene. Dass SO–IL damit auf die Komplexität des Ökosystems hinweisen will und auf jeden Einzelnen, der darin etwas bewegen kann, wird jedoch kaum einer der Partybesucher nachvollziehen können. So kann auch der theoretische Überbau nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem YAP
im Grunde ein inhaltliches Programm fehlt. Wer junge Architekten fördern will, kann ihnen und sich selbst mehr zumuten als einen Wohlfühlbereich für die Feiergemeinde.

Worum geht es beim Young Architects Program?

Florian Idenburg | Die Aufgabe hat das MoMA klar und deutlich formuliert: Die Wettbewerbsteilnehmer sollen für Schatten und Sitzgelegenhei­ten sorgen und Wasser in den Entwurf integrieren – eine Umgebung für die Sommerparties im MoMA-P.S.1 entwickeln. Es geht um eine Art Strand in der Stadt, für diejenigen, die nicht herauskommen oder sich kein Haus auf Long Island leisten können.

Der Wettbewerb gilt als Sprungbrett für junge Architekten in New York. Doch nicht jeder hat die Chance teilzunehmen. Wie läuft das ab?

Jing Liu | Es gibt ein Auswahlkomitee, das junge Architekten vorschlägt. Es besteht aus Leitern von Kunstinstitutionen und Architekturschulen. Wir waren bereits 2009 nominiert worden, von den Gewinnern des vorangegangenen YAP-Wettbewerbs, dem Büro MOS. Das war zwei Monate nachdem wir unser Büro „Solid Objectives  Idenburg Liu“ in New York gegründet hatten. Wir konnten noch überhaupt nichts vorzeigen und sind auch nicht in die Endrunde gekommen. In diesem Jahr hat uns der Dean der Graduate School of Design in Harvard empfohlen, und wir haben es  geschafft. Die Einladung vom MoMA kam genau zum richtigen Zeitpunkt. Vor einem Jahr hätten wir ein solches Konzept nicht umsetzen können. Andererseits kann man so etwas mit einem acht Jahre alten Büro nicht mehr machen.
FI |Ich glaube, MoMA sucht nach Architekten, die sich mit aktuellen Fragen der Architekturdebatte befassen. Aber das ist ein ungeschriebenes Gesetz. Bjarke Ingels aus Kopenhagen war auch unter den letzten fünf.

Ist es nicht ein Wettbewerb für New Yorker Architekten?

FI | Es war tatsächlich das erste Mal, dass jemand von außerhalb nominiert war. Es ist ein nationaler Wettbewerb. Bjarke Ingels wird aber demnächst ein Büro in New York eröffnen.

Herr Idenburg, Sie sind aus den Niederlanden, Frau Liu, Sie sind in China, Japan und Großbritannien aufgewachsen. Sehen Sie sich beide als Armerikaner?

JL | Nein, überhaupt nicht. Obwohl wir Mitglieder im Nationalen Architektenverband AIA sind. Wir sehen New York als einen guten Ausgangspunkt, um in aller Welt Projekte zu machen.

In diesem Jahr hat MoMA erstmals gefordert, dass sich die Teilnehmer mit Nachhaltigkeit auseinandersetzen. Inwiefern machen Sie das?

FI |Wir glauben, dass sich unser Projekt kritisch zum rein technischen Zugang zur Nachhaltigkeit verhält. Wir können die Probleme allein nicht lösen, indem wir mehr Windkraftanlagen und Solarpaneele bauen.
JL | Wir haben bei unserem Projekt einen methaphorischen Ansatz gewählt. Unsere Idee war eine Struktur, mit der die Besucher interagieren können. Damit wollen wir zeigen, dass wir Menschen es sind, die für die Stabilität des ökologischen Systems verantwortlich sind. Die Stäbe stehen im Raster im Boden und lassen sich bewegen. Der Boden ist die Basis.
 
Mit dem iPhone? Zumindest steht das auf dem Plakat und im Netz.

FI | Wir beschäftigen uns seit einer Weile mit der Frage, warum sich viele nicht mehr dafür interessieren, wie ihr Vorgarten aussieht, dafür aber  umso mehr für das Aussehen ihrer Facebookseite. Warum sie in der virtuellen Welt leben und immer weniger auf ihre Umwelt achten.
JL | Warum aber ist die virtuelle Welt für viele so anziehend? Weil jeder entscheiden kann und die Entscheidung sofort Wirkung hat. Das funktioniert dort direkter als in der analogen Welt. Mit Pole Dance wollen wir  die Besucher anregen, aktiv zu werden. Es ist ein Spiel, bei dem jeder seine eigenen Regeln aufstellen kann.

Wie funktioniert das Spiel?

FI | An acht der Stangen sind Lautsprecher angebracht. Das Geräusch ändert sich, wenn man die Stangen in Bewegung versetzt. Das passiert über eine numerische Steuerung, die Informationen über die jeweilige Position der Stange sammelt und dies in Geräusche übersetzt. Die Töne werden höher, je stärker man die Stangen bewegt.
JL | Den Sound kann man auch über das iPhone manipulieren. Man kann zum Beispiel sagen, ich will den von Stange sechs verändern.

Haben Sie die Konstruktion mit einem CAD-Programm entworfen? 

JL |Nein. Die Ingenieure vom Buro Happold, mit denen wir zusammen-gearbeitet haben, sagten: „Unsere Arbeit besteht normalerweise darin, komplexe Entwürfe von Architekten zu vereinfachen. Aber hier liegen ganz einfache Regeln und einfache Elemente zugrunde, die ihr versucht, kompli­zierter zu machen. Das fühlt sich verkehrt an.“ Wir haben uns daraufhin entschieden, Modelle zu bauen, um die Stärke der Stangen und der Seile herauszufinden.

Wofür sind die Bälle?

FI | Sie symbolisieren die Wolken, die für Schatten sorgen. Man kann sie durch die Löcher im Netz auf den Boden stupsen und sich draufsetzen. Der ehemalige Schulhof wird zum Spielplatz für Erwachsene.
JL |Wir wollen, dass die Besucher Grenzen ausloten. Ich bin überrascht, wie wild sie toben. Das Netz wirkt offenbar sehr befreiend.

Wo sind denn die Grenzen der Installation?

FI |Wir wollen, dass die Besucher wenigstens ein Bein auf dem Boden behalten. Sie sollten sich nicht in die Netze hängen.

Auf einigen Fotos, die Sie haben machen lassen, sind junge Frauen zu sehen, die sich sehr akrobatisch um die Stangen wickeln. Beide Beine über dem Boden.

JL | Das sind professionelle Stangentänzerinnen. Sie werden hier im Sommer hin und wieder auftreten.

Stangentänzerinnen treten doch normalerweise in Rotlichtvierteln auf.

FI | Ja, das stimmt, das ist das Klischee. Die Tänzerinnen wollen dieses durchbrechen und den Stangentanz als zeitgenössische Tanzform etablieren. Sie führen eine Schule in New York.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft des YAP-Wettbewerbs?

JL | Weil das so ein wichtiger Wettbewerb ist, meint jeder, der ihn gewinnt, die ganz große Geste bauen zu müssen. Weil die Architekten alles, was über das Budget von 85.000 Dollar hinausgeht, aus eigener Tasche zahlen müssen, steckt fast jeder viel zu viel Geld hinein. Wir haben das vermieden und wir würden das auch den künftigen Gewinnern empfehlen. Seid einfach gelassen und fragt euch, was ihr wirklich sagen wollt. Das hat auch mit Nachhaltigkeit zu tun.
 
Fakten
Architekten Solid Objectives – Idenburg Liu, New York
aus Bauwelt 30.2010
Artikel als pdf

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