Bauwelt

Kosovarische Diaspora: Vom Überweiser zum Spekulator

Über den Zusammenhang von ausländischem Geld, Wohnen und Stadtentwicklung

Text: Mydyti, Gyler, Zürich

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    Das Viertel Arbëria wurde nach dem Kosovo-Krieg rapide überformt und verdichtet.
    Foto: Filippo Romano

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    Die Türme des „Pristina City Center“ sind seit 2018 als Nachfolgeprojekt des ENK Komplexes in Bau.
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    Am Stadtrand mangelt es an Infrastruktur, dennoch wächst Suburbia.
    Foto: Filippo Romano

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    Am Stadtrand mangelt es an Infrastruktur, dennoch wächst Suburbia.

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Kosovarische Diaspora: Vom Überweiser zum Spekulator

Über den Zusammenhang von ausländischem Geld, Wohnen und Stadtentwicklung

Text: Mydyti, Gyler, Zürich

„Haben Sie je darüber nachgedacht, dass das Verlassen einer Stadt größere Auswirkungen auf die Stadtentwicklung haben könnte als dort zu leben?“ – Zwar hat sich die Stadtforscherin Caroline Arnulf nicht explizit mit Pristina beschäftigt, als sie die Wirkung von Migration und Rücküberweisungen auf Städte untersuchte, hätte sie jedoch die Metamorphose der kosovarischen Hauptstadt nach dem Krieg 1998/99 untersucht, hät­te die Frage wohl lauten müssen: Ist sich die kosovarische Diaspora ihres starken Einflusses auf Pristina bewusst? Wohl eher nicht. Für viele ist kaum vorstellbar, dass sie für die dramatische Urbanisierung Pristinas mitverantwortlich sind. Fakt ist: Die stattlichen Rücküberweisungen der Diaspora stellen eine zentrale Säule der kosovarischen Wirtschaft dar.
Etwa vierzig Prozent der fast zwei Millionen Kosovaren leben außerhalb des Landes. Jährlich überweisen sie fast eine Milliarde Euro in die Heimat (die dortigen Staatsausgaben betragen rund 2,5 Milliarden Euro pro Jahr). Erwartet wurde, dass der wirtschaftliche und soziale Einfluss der Emigranten nach der Unabhängigkeitserklärung 2008 abnehmen würde, eingetreten ist das Gegenteil, zumal immer mehr Menschen das Land verließen. Während die Migrationswellen der 1960er bis 1990er Jahre vor allem soziopolitische Gründe hatten, entspricht die nach 2008 einsetzende Abwanderung eher einem „Braindrain“ und geht auf Arbeitslosigkeit, politische Instabilität, korrupte Institutionen und den unklaren völkerrechtlichen Status des Kosovo zurück. Deutschland und die Schweiz bleiben dabei, als Anlaufpunkt für 35 bzw. 25 Prozent der Auswanderer, die wichtigsten Ziele.
Entsprechend der Beweggründe haben sich verschiedene Diaspora-Gruppen herausgebildet. Dienten Rücküberweisungen zunächst vor allem als die (vorübergehende) finanzielle Unterstützung der Familie, nach dem Krieg vor allem zur Bereitstellung von Wohnraum, so lässt sich seit 2005 der Einfluss der Diaspora zunehmend auch im Immobiliensektor wahrnehmen. Statistiken zeigen, dass ausländische Direktinvestitionen im Immobi-liensektor, die hauptsächlich von Kosovaren getätigt werden, von sieben Prozent im Jahr 2007 auf 59 Prozent im Jahr 2020 gestiegen sind. Tatsächlich stellen Investitionen in der Bau- und Immobilienwirtschaft Pristinas mittlerweile so etwas wie den gemeinsamen Nenner der kosovarischen Diaspora dar – und sie tragen erheblich zur spekulativen Stadtentwicklung der Hauptstadt bei. Entsprechend hat sich die Wahrnehmung der Diaspora in Pristina selbst zunehmend verschoben: vom Unterstützer der Familie zum Rückkehrer, der sein Wissen im Bausektor weitergibt, oder aber zum Immobilienentwickler. Mit ihrer neuen Rolle als vermögende Player fördern die Auslands-Kosovaren den überteuerten Wohnungsbau und erschweren Einheimischen den Zugang zu bezahlbarem Wohnraum.
Der Kauf einer Wohnung in Pristina wird von der Diaspora dabei allerdings nicht nur als rentable Investition, sondern auch als Ferienwohnung für ihre Nachwuchs betrachtet, der keine ausgeprägten Verbindungen zu den oft außerhalb Pristinas gelegenen Herkunftsorten der Eltern hat und seine Ferien lieber in der lebendigen Hauptstadt verbringt. So spielt sie auch eine wichtige Rolle bei der „Resortisierung“ der Stadt, entsprechend dem typischen Urlaubsrhythmus.
Obwohl es immer stärkere Hinweise auf die Folgen von Diaspora-Investitionen auf die Stadtentwicklung in Pristina gibt, fehlt die Diskussion über langfristige Folgen für die Stadt – sowohl auf Regierungsebene als auch innerhalb der Diaspora. Ein Bewusstsein dafür und der Austausch über damit einhergehende Möglichkeiten sind dringend nötig. Die im Ausland lebenden Kosovaren, mit beruflichem und kulturellem Know-how und ihren finanziellen Mitteln, spielen eine wichtige Rolle als Stadtentwickler. Die Gegenwart birgt noch die Chance, diese Importe zu nutzen: zur Neudefinition der Baukultur und für nachhaltige Planungsprozesse im Kosovo.
Aus dem Englischen von Donika Luzhnica und Jonas König

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