Die ganze Welt in einem Garten
Die Bundeskunsthalle Bonn widmet sich den Gartenlandschaften Hermann Fürst von Pücklers – ein Werk, das untrennbar mit dessen Biografie verbunden ist
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Die ganze Welt in einem Garten
Die Bundeskunsthalle Bonn widmet sich den Gartenlandschaften Hermann Fürst von Pücklers – ein Werk, das untrennbar mit dessen Biografie verbunden ist
Text: Brosowsky, Bettina Maria, Braunschweig
Nach der Wiedervereinigung Deutschlands rückten einige Marksteine der Gartengeschichte in den östlichen Bundesländern (zurück) ins weltweite Bewusstsein. Das Gartenreich Dessau-Wörlitz, 1765 als erster Landschaftsgarten englischen Typs auf dem Kontinent begonnen, zählt seit 2000 zum Unesco-Weltkulturerbe. Der Park in Bad Muskau/Łęknica kam 2004 als gemeinsames polnisch-deutsches Vermächtnis hinzu. Bereits seit 1990, noch auf Antrag der DDR, ist die Kulturlandschaft Potsdam und Berlin Welterbe, in der Folge wurde sie mehrfach um nun von innerdeutschen Grenzzäunen befreite Partien erweitert. Zum Beispiel um den Park Babelsberg, so dass neben Bad Muskau eine zweite Gartenschöpfung Hermann Fürst von Pücklers Welterbe-Status genießt.
Derzeit illustriert eine mit 250 Exponaten opulent ausgestattete Ausstellung der Bundeskunsthalle Bonn die schillernde Persönlichkeit des Lebens- und Gartenkünstlers Pückler. Pückler war als „Parkomane“ (Pückler über sich selbst) ebenso genial wie in den Widersprüchen seiner Zeit verfangen. Wenngleich die Schau reichlich aktuelles Film- und Bildmaterial auffährt, kann sie letztlich nur als Aufforderung zum authentischen Erleben von Pücklers Parks verstanden werden.
Aristokratischer Tausendsassa
1785 im Schloss Muskau in der kursächsischen Oberlausitz geboren, war dem zukünftigen Standesherren Hermann Fürst von Pückler eine Künstlerbiografie nicht in die Wiege gelegt. Freiheitsliebend, mit tollkühnen Eskapaden, exzentrischer Selbststilisierung und unzähligen Amouren bereits zu Lebzeiten eine Legende, findet er seine Berufung in den durchaus standesgemäßen Beschäftigungen Reisen, Schreiben und der Gartenkunst in Theorie und Praxis. 1811, gerade 26-jährig, eröffnet sich ihm mit dem Erbe Muskaus das erste Betätigungsfeld.
Da in Zeiten erst napoleonischer, dann preußischer Kriegshandlungen in Sachsen aber an konkrete Umgestaltungsmaßnahmen nicht zu denken ist, geht Pückler zunächst auf ausgedehnte Reise durch England. Hier lernt er die klassische Form des Landschaftsgartens kennen. Dem abstrakten Naturideal, wie es im geometrisch objektivierten Regelwerk des Barockgartens bis dahin vorherrschte, setzte diese neue Kunst ab dem 18. Jahrhundert die subjektiven Sinneseindrücke in der ungezwungenen Bewegung durch geformte, wenngleich wie natürlich erscheinende Landschaftsbilder entgegen.
Die Um- und Neugestaltung britischer Landsitze wurde zum aristokratischen Programm, in der Regel durch eine Grand Tour in Italien fundiert. Kampanische Pastoralen, palladianische Architekturen und römische Ruinen verschmolzen anschließend zu einem sinnlichen, intellektuellen wie auch politischen Assoziationsraum in der englischen Natur. Pückler bewundert die Anlagen von Lancelot Capability Brown, nennt ihn den Shakespeare der Gartenkunst.
Muskau – unvollendete Utopie
Zurückgekehrt richtet Pückler einen Aufruf an die Bewohner seiner Standesherrschaft, ihm Grund und Boden zur Vervollständigung seines Parks zu überlassen. Im Gegenzug verspricht er den Wiederaufbau zerstörter öffentlicher Gebäude. 1817 heiratet er Lucie von Hardenberg, die ihm ebenbürtige Partnerin der Parkomanie wird. Der Muskauer Park wächst sukzessive auf 830, mit äußeren Bereichen auf 2500 Hektar Größe. Pückler lässt einen Nebenarm der Neiße ausheben und aufstauen, 30 Hektar Wasserflächen gestalten, hunderte Großbäume pflan-zen, 50 Kilometer Wege anlegen, Brücken bauen.
Friedrich Schinkel zeichnet den Umbau des Schlosses, er blieb unausgeführt, später wird Gottfried Semper mit der gothisierenden Überformung des Amtshauses beauftragt. Dieser verschleppt die Arbeit, wohl aus Unbehagen über die zur Staffage degradierte Architektur, bleibt aber Pücklers Berater. Die finanzielle Lage spitzt sich zu: Auf die formelle Scheidung der Pücklers folgt ab 1826 eine neuerliche Englandreise des Fürsten, um zur Rettung des Anwesens eine vermögende Gattin zu finden. Der Ruf des Mitgiftjägers eilt ihm voraus, er kommt unverrichteter Dinge zurück nach Muskau. Derweil wurde dort seine Reisekorrespondenz editiert, herausgegeben als „Briefe eines Verstorbenen“ wird sie ein Bestseller.
Nachdem Pückler zum autodidaktisch trainierten Parkspezialisten avanciert ist, verkau-fen sich ab 1834 auch seine „Andeutungen über Landschaftsgärtnerei“ gut. Er formuliert dort seine Gartengrammatik, etwa die ästhetische Notwendigkeit großer Bäume im Landschaftspark und ihre Verpflanzung mit Baumwagen englischen Vorbilds. Und er umreißt das Gesamtprojekt Muskau, eher Utopie denn Wirklichkeit.
Der fürstliche Tagelöhner
Trotz anhaltender finanzieller Schwierigkeiten ist Pückler bis dato nur sich selbst verpflichtetet. So lässt sich nur vermuten, weshalb er ab 1840 die weitere Ausgestaltung des Babelsberger Parks übernahm, ein Auftrag des preußischen Kronprinzenpaars. Vielleicht, um in dem Landschaftskontinuum an der Potsdamer Havel, das sein nicht unbedingt geschätzter Konkurrent, der bürgerlich professionelle Parkgestalter Peter Joseph Lenné (1789-1866), in Grundzügen angelegt hat, einen aristokratischen Glanzpunkt zu setzen?
Beide verbindet jedoch, aus unterschiedlich gesellschaftlichem Status, eine gemeinsame Reformidee: Anders als der englische Adel öffnet Pückler seine privaten Parks der Allgemeinheit. Und Lenné ist seit 1824 mit der Planung eines öffentlichen Volksparks in Magdeburg betraut. Im frühen 20. Jahrhundert wird genau das zum großen sozialpolitischen Auftrag der Gartenkunst.
Branitz – konzentriertes Spätwerk
Dem unabwendbaren Verkauf Muskaus folgt ab 1846 die Umgestaltung des rechtlich unveräußerbaren Anwesens in Branitz. Semper zeigt sich bei einem Besuch vom heruntergekommenen Zustand entsetzt, die Pücklers beginnen, die brandenburgische Sandwüste in eine künstlerische Oase zu verwandeln. Es wird ihr Meisterwerk.
Auch hier wird Grund hinzu erworben, der Park bleibt in seiner Gesamtgröße aber kon-zentriert, fast intim. Feine Zonierungen transformieren neu eingeführte formale Gartenelemente direkt am Schloss über einen inneren und einen äußeren Park bis in den Naturraum, der auch die frühindustrielle Silhouette der nahen Stadt Cottbus einbezieht. Im Tagesverlauf dramatisieren wandernde Schattenwürfe die Tiefenstaffelungen der Baumgruppen. Pücklers politischer Blick sieht in dieser harmonischen Dynamik wohl auch das künstlerische Modell einer sich erneuernden Gesellschaft.
Es sind aber vorrangig sein eigener Lebensentwurf, seine kosmopolitische und pantheistische Weltsicht, die Pückler gleichnishaft in die Landschaft setzt. Im Westen des Parks lässt er zwei große, von der untergehenden Sonne beschienene Erdpyramiden errichten. Eine ziert ein transzendenter Sinnspruch, die andere, von Wasser umgeben, lässt er von farblich abgestuftem Wein überwachsen. Dort wird er 1871 beigesetzt.
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