Bauwelt

Siemensstadt Square in Berlin

Siemens versucht sich am Städtebau – nicht zum ersten Mal in seiner Geschichte. Bis 2035 soll aus der Berliner Siemensstadt ein gemischtes Stadtviertel werden. Werkswohnungen für die Belegschaft sind keine geplant. Und auch sonst ist die Lage eine gänzlich andere als vor 100 Jahren.

Text: Crone, Benedikt, Berlin

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    Damals: Die Siemensstadt auf ihrem baulichen Höhepunkt, 1931. Blick nach Süden über die Schaltwerkhallen, Hertlein-Scheibe und Verwaltungsgebäude.
    Foto: Siemens Historical Institute

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    Damals: Die Siemensstadt auf ihrem baulichen Höhepunkt, 1931. Blick nach Süden über die Schaltwerkhallen, Hertlein-Scheibe und Verwaltungsgebäude.

    Foto: Siemens Historical Institute

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    Zukunft: Entwurf für das „Modul 1“, ein 60-Meter-Hochhaus und das „Campus Center“ von Robertneun Architekten.
    Bild: Robtertneun, Philipp Obkircher

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    Zukunft: Entwurf für das „Modul 1“, ein 60-Meter-Hochhaus und das „Campus Center“ von Robertneun Architekten.

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    Das Gebiet mit Blick nach Westen, 2020.
    Foto: Nürnberg Luftbild

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    Das Gebiet mit Blick nach Westen, 2020.

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    Bekannte Nachbarn: Wohnzeilen in der Ringsiedlung von Walter Gropius ...
    Foto: alamy

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    ... und Hans Scharoun.
    Foto: alamy

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    ... und Hans Scharoun.

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    Stillgelegter S-Bahnhof Siemensstadt.
    Foto: alamy

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    Stillgelegter S-Bahnhof Siemensstadt.

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    Der Quartiers-Auftakt im Osten, am Bahnhof Siemensstadt, ...
    Bild: Robertneun

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    Der Quartiers-Auftakt im Osten, am Bahnhof Siemensstadt, ...

    Bild: Robertneun

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    ... mit Blick auf Turm, ...
    Bild: Robertneun

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    ... mit Blick auf Turm, ...

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    ... „Campus Center“ und Schaltwerkhochhaus.
    Visua­li­sierungen: Philipp Obkircher

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    ... „Campus Center“ und Schaltwerkhochhaus.

    Visua­li­sierungen: Philipp Obkircher

Siemensstadt Square in Berlin

Siemens versucht sich am Städtebau – nicht zum ersten Mal in seiner Geschichte. Bis 2035 soll aus der Berliner Siemensstadt ein gemischtes Stadtviertel werden. Werkswohnungen für die Belegschaft sind keine geplant. Und auch sonst ist die Lage eine gänzlich andere als vor 100 Jahren.

Text: Crone, Benedikt, Berlin

Als der Ofenfabrikant Jean-Baptiste André Godin im französischen Guise 1859 sein Familistère errichten ließ, hatte der Frühsozialist sicher das Wohl seiner Arbeiter im Sinn. Der genossenschaftlich organisierte Komplex war zwar aufgebaut wie ein Gefängnis, doch steigerte er mit seinen hellen Wohnungen, einer Schule und Wasserversorgung die Lebensbedingungen der Arbeiter ungemein. Dem Prinzip folgend, schufen zahlreiche Industri­elle neben ihren Produktionsstätten vollwertige Werkssiedlungen, in denen ihre Belegschaft vom Werksdienst über Kinderbetreuung bis zum Gesangsverein den Alltag verbrachte. Natürlich nicht ohne Eigennutz der Unternehmer. Während die Arbeiterinnen und Arbeiter in besserer Verfassung Höchstleistungen im Maschinentempo zu leisten hatten, sonnten sich die Firmeninhaber im Ansehen paternalistischer Gönner von Welt.
Dieser Unternehmertypus ist Geschichte, die Freude am Bauen aber hat bei Konzernen nicht nachgelassen. Im Gegenteil. Immer wieder überraschen Firmen damit, dass sie nun auch in Wohnungen machen. Ob Lidl, Volkswagen, Alphabet oder Amazon. Auch Siemens hat „den Immobilienmarkt entdeckt“, titelte das Handelsblatt 2019: Der Immobilienverwalter des Konzerns Siemens Real Estate, der weltweit Immobilien im Wert von über fünf Milliarden Euro hält, wandele sich mit seinem 2015 gestarteten Neubau des Forschungs- und Produktionscampus in Erlangen endgültig zum Immobilienunternehmer. In Berlin sorgte zuletzt die Ankündigung für Aufsehen, die alte Siemensstadt, ein umzäuntes Glelände auf dem nach wie vor für Siemens gearbeitet und produziert wird, solle bis 2035 zu einem öffentlichen Stadtteil umgebaut werden.
Siemens schlägt mit dem Entwicklungsprojekt „Siemensstadt Square“ auch einen Bogen zur eigenen Baugeschichte. 1847 in einem Berliner Hinterhof gegründet, folgten 50 Jahre des Wachstums. Zur Bündelung und Erweiterung der Standorte erwarben Siemens & Halske 1897 ein Areal zwischen Charlottenburg und Spandau, die überwiegend landwirtschaftlich genutzte Nonnenwiese. Auf den 200 Hektar entstand nach und nach die Siemensstadt aus Fabrikhallen, Werkssiedlungen, Verwaltungsbauten und Grünflächen. Die Planung oblag zunächst Karl Janisch, der als Ingenieur die großen Ziegelbauten der Produktionsstätten nüchtern im Blockrand anordnen und mit Ornamentik verzieren ließ. 1915 übernahm Hans Hertlein bei Siemens die Rolle des Hausarchitekten. Hertlein entwarf und realisierte neben heimeligen Werkssiedlungen in der Gestalt von Gartenstädten auch die den Ort prägenden Gebäude der Industriemoderne: das Wernerwerk „M“ mit 70 Meter hohem Klinkerturm, der einem der typischen Berliner Rathaustürme gleicht, das Wernerwerkhochhaus am Siemensdamm mit Kantine und Bibliothek und das 175 Meter lange Schaltwerkhochhaus als Stahlskelett-Monument.
Die bekannte Großsiedlung Siemensstadt, auch Ringsiedlung genannt, in der sich die Meister des Neuen Bauens von Walter Gropius, Hugo Häring bis Otto Bartning zusammenfanden, hat nur indirekt mit Siemens zu tun. Denn für die von Hans Scharoun und Martin Wagner städtebaulich geplante und ab 1929 östlich der Siemensstadt gebaute Zeilensiedlung agierte keine zu Siemens gehörige Gesellschaft mehr, sondern die gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft GEHAG. 2007 wurde die GEHAG von der Deutschen Wohnen AG geschluckt, der bis heute die Ringsiedlung gehört. Der Bezug der Siedlung zu Siemens ist geografisch gegeben, durch eine relative Nähe zum Werk, und beruflich, durch eine in der Bewohnerschaft verbreitete Beschäftigungshistorie bei Siemens. Die Art der Entstehung aber hatte sich gelöst vom alten Schema des Werkswohnungsbaus; stattdessen fiel die Umsorgung der Arbeiterfamilien fortan in öffentliche Hände.
Heute haben sich die Karten räumlicher Verantwortungsbereiche abermals neu gemischt. Siemens plant den Umbau der Siemensstadt weniger für seine Belegschaft als – wie ein klassischer Entwickler – für den Bedarf des Marktes, für eine Baulandgewinnung, das Ansehen des Konzerns, aber auch unter den Vorgaben von Land und Bezirk. Von den auf den 74 Hektar geplanten eine Million Quadratmeter Geschossfläche sollen 420.000 Quadratmeter für Büros und Gewerbe entstehen, 275.000 Quadratmeter fürs Wohnen und 200.000 Quadratmeter für die Industrie. Die übrige Fläche entfällt auf Forschung und Bildung, Gastronomie, Hotel und Handel. Nach dem Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung müssen 900 der 2750 Wohnungen mietpreisgebunden sein. Benjamin Melcher, der für die „Siemensstadt Square“ zuständige Chief Development Officer, betont, dass über das geforderte Maß hinaus anstelle einer verlangten zweizügigen Grundschule Platz für eine vierzügige eingeplant sei, zudem zwei Kitas, eine Stadtteilbibliothek, eine Jugendfreizeitstätte, ein Familienzentrum und ein Seniorenclub. Mit dieser Mischung sieht auch die Senatsbauverwaltung in der Siemensstadt die „Chance zur Öffnung eines 100 Jahre abgeschotteten Industriegebietes für die Stadtöffentlichkeit“.

Kein 150-Meter-Hochhaus
2020 führten Siemens und das Land Berlin einen städtebaulichen Einladungswettbewerb durch, bei dem Ortner & Ortner und das Landschaftsarchitekturbüro capattistaubach den 1. Preis erhielten (Bauwelt 7.2020). Den anschließenden Hochbauwettbewerb für den ersten Abschnitt am östlichen Gebietsrand gewannen Robertneun Architekten im November 2020 – geladen waren Büros, die auch am städtebaulichen Wettbewerb teil­genommen hatten (Markus Penell von Ortner & Ortner wechselte für den Hochbauwettbewerb lieber ins Preisgericht). Inzwischen sind die Planungen überarbeitet, mit einer wesentlichen Änderung: Den von Ortner & Ortner vorgeschlagene und bereits in der Jury umstrittene 150-Meter-Turm am Quartiersplatz hat Siemens aus „ökonomischen Gründen“ abgelehnt. Stattdessen sollen übers Gebiet 60 Meter hohe Hochhäuser verteilt werden. „Das 150-Meter-Hochhaus hätte ein eigenes Quartier in vertikaler Ausprägung werden können“, kommentiert Penell die Entscheidung, „ein Soli­-tär ähnlich dem Verwaltungsgebäude oder der Hertlein-Scheibe“. Tatsächlich würden die nun geplanten Neubauten eher zurückhaltend das Siemens-Erbe umlagern; die großen Industriebauten und das Verwaltungsgebäude blieben alleine ortsbildprägend.
Zweigeteilt wird das Areal durch die breite, verkehrsbelastete Nonnendammallee; der Entwicklungsschwerpunkt liegt auf dem nördlichen Abschnitt. Dort soll die in den 1980er-Jahren stillgelegte Strecke der Siemens-Bahn samt den verlassenen S-Bahnhöfen Siemensstadt und Gartenfeld bis 2029 reaktiviert werden. Vom S-Bahnhof Siemensstadt wird eine Straße, der autoreduzierte „Siemensstrip“, hinter dem Verwaltungsgebäude und dem Schaltwerkhochhaus zu dem Quartiersplatz führen.
Der im durchlässigen Blockrand geplante Städtebau stellt Gewerbebauten in die erste Reihe, an Straßen und Plätze, auch als Lärmschutz dahinterliegender Wohngebäude. Schließlich bleiben im Norden und Süden zwei Industrie-Standorte in Betrieb. In einem zwischen Siemens und der Senatsverwaltung 2021 geschlossenen Rahmenplan ist gut die Hälfte des Areals als urbane Mischnutzung ausgewiesen, mal mit Wohn-, mal mit Gewerbeschwerpunkt. Konflikte werden nicht immer vermeidbar sein. Auch Penell spricht von einer „Urbarmachung eines Industrieareals“, für die man einen angemessenen Umgang mit den Industriehallen im „Chip-Format“ finden muss.
Gleichzeitig verspricht Siemens Real Estate nichts Geringeres als einen „innovativen Stadtteil der Zukunft“. Für die Klimaneutralität und -resistenz setzt Siemens auf eine vage formulierte Kombination aus Holzhybrid-Neubauten (mindestens nach KfW-Standard 55), Solarenergie, Regenwasserspeicher und -aufbereitung, Dachbegrünung und Versickerungsmulden sowie der Reduktion des Autoverkehrs durch Radwege und alternative Angebote. Auch über „Cradle-to-Cradle“ und den Einsatz von 3D-Drucktechnik denke man nach, so Chief Development Officer Melcher. Was weniger nach der Entdeckung der großen Innovation klingt als nach einem Sammelsurium des planerischen „State of the Art“ soll auch mit digitalisierter Haustechnik in den grünen Bereich gebracht werden – eine Kernkompetenz des Unternehmens, das in TGA-Sachen sein eigener, bester Kunde werden kann. Das neue Viertel solle aber kein Versuchsstadtteil für Siemens-Technologien werden, bekräftigt Melcher. Keine Digitalisierung der Digitalisierung wegen, sondern nur Technik, die einen konkreten Nutzen aufweist: „All die Technologien bringen uns nichts, wenn sie nicht ökonomisch durchdacht sind und am Ende dem Nutzer Kosten auflasten.“

Wohnen bei Siemens
Wesentlich wird für viele Berlinerinnen und Berliner die Frage sein, welcher Wohnraum entsteht. Mit den 2750 Wohnungen verlagert sich der Lebensmittelpunkt weiterer Menschen in den Nordwesten der Stadt – neben dem Wohngebiet Gartenfeld, das 2022 Baubeginn hat, der Wasserstadt Oberhavel, die auffällig unauffällig weiterwächst, und dem Schumacher-Quartier, das auf einem Teil des ehemaligen Flughafengeländes Tegel in Holzbauweise geplant ist. Für „Siemensstadt Square“ laufen derzeit Verhandlungen zwischen Siemens und einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft, um ein größeres Areal des Gebiets zu erwerben, auf dem diese dann den Wohnungsbau realisieren kann. Gemäß einer Vereinbarung zwischen Senat und den städtischen Gesellschaften müssen bei Neubauprojekten mindestens die Hälfte der Wohnungen als mietpreisgebunden oder für WBS-Berechtigte geplant werden, die andere Hälfte wird freifinanziert, „mit einer angemessenen Preisdifferenzierung“, so die Senatsverwaltung. Bei jedem Bebauungsplan, mit dem Baurecht für Wohnungsbau geschaffen wird, sollen städtebauliche Pläne den 30-Prozent-Anteil an mietpreisgebundenen Wohnraum absichern. Neue Werkswohnungen für die Siemens-Belegschaft sind nicht vorgesehen, 2009 hatte Siemens Real Estate sich von seinen letzten getrennt. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht gerne in einem separaten Siemens-Turm leben und lieber das individuelle Wohnen bevorzugen“, sagt Guido Jagusch, Pressesprecher von Siemens Real Estate. Die Gewerbe- und Bürobauten werden vermutlich von Siemens realisiert. Die Straßen und Plätze gehen ins öffentliche Eigentum über. Für die Ausgestaltung des Freiraums will sich die Senatsverwaltung im Rahmen der Bebauungspläne für landschaftsarchitektonische Wettbewerbe einsetzen.
Über die Qualität der Architektur – „die Stimmung im Quartier“, wie es Markus Penell ausdrückt – ist damit noch nichts gesagt. Über sie wird von Abschnitt zu Abschnitt neu entschieden werden müssen, geprüft und korrigiert von Bezirk, Senat und Öffentlichkeit. Siemens beabsichtigt „bei Bedarf“ weitere Wettbewerbe durchführen, zu denen auch mal andere Architekturbüros geladen werden, verspricht Melcher. Ein kleines baukulturelles Gremium, besetzt von Stadt und Siemens mit Architekten und Fachplanern, soll die Entwicklung begleiten. Absehbar ist ein dichtes Quartier mit einer Nähe von Produktion, Gewerbe und Wohnen, dessen friedfertige Koexistenz auch abhängig davon sein wird, welche Bereiche von Siemens für die Standorte in den nächsten Jahren vorgesehen sind. Siemens plant nach eigenen Angaben am Standort trotz Flächenverkleinerung keine Schließungen oder großen Umstrukturierungen.
Die Funktionsmischung verläuft im Quartier von Gebäude zu Gebäude. Spannend wird es, wenn es nah an oder auch in den Bestand geht: Im großen Verwaltungsgebäude sind abschnittsweise Wohnen, Gewerbe und öffentliche Nutzungen vorgesehen. Aber auch die oberen Geschosse der Hochhausscheibe könnten, wenn der Denkmalschutz mitspielt, in Wohnungen umgewandelt werden. Aus der Nachbarschaft wurde – das zeigen Eintragungen in einer Online-Befragung – neben den sozialen Einrichtungen auch die Inbetriebnahme der alten Siemens-Bahn-Strecke begrüßt. Manche Anwohner befürchten allerdings, dass der Bahnlärm das lauschige Wohnumfeld belaste. Jens-Holger Kirchner (Die Grünen), in der Senatskanzlei zuständig für das Großprojekt Siemensstadt, hält diese Sorgen für unbegründet, da die Bahnen mit maximal 60 Km/h fahren, in Teilen Lärmschutzwälle eingesetzt und durchgehend neue Schienen gelegt würden, was den Lärm reduziert. Hans-Ulrich Riedel (Die Linke) von der Bürgerinitiative „Planungswerkstatt Neue Siemensstadt“ begrüßt, dass grundsätzlich etwas an dem Ort passiere, kritisiert aber eine mangelnde Einbindung der Anwohner. Siemens wäre auf die Bedenken der Initiative – Lärmbelastung, hohe Dichte und eine Abschottung des Quartiers – zu wenig eingegangen. Ein von der Berliner Agentur Zebralog für Siemens durchgeführtes Beteiligungsverfahren, das aufgrund von Corona zeitweise ins Netz verlagert wurde, hätte allein in öffentliche Hände gehört. Riedel gibt sich aber versöhnlich, wenn ein ernstgemeinter Austausch stattfinde. Der temporäre Info-Pavillon, dessen Bau 2022 beginnen soll, könnte die erste Anlaufstelle für Kritik und Vorschläge werden.
Wer heute die Siemensstadt besucht, findet sich vor einem von Zäunen, Schranken, Pförtnerhäuschen und Industriebauten abgeschnitten Privatgelände wieder. Das Gras der Abstandsflächen ist akkurat geschnitten, die Altbauten wirken gepflegt. Zwischen den endlosen Zäunen, dem tosenden Verkehr der Nonnendammallee und den dicken Mauern der Industriehallen verkleinert sich die Wahrnehmung der eigenen Existenz – und das Vorstellungsvermögen, hier in 15 Jahren auf einen wohnlichen Stadtteil zu treffen. Wesentlich wird hierfür auch die physische Öffnung des Areals sein (als erstes stehe der Abbau der Zäune am Bahnhof Siemensstadt an). Gelingt das, liegt für die Stadt, den Senat und die Nachfolge der Senatsbaudirektorin eine weitere Chance auch in dieser unwirtlichen Gegend.
Für den ersten Bauabschnitt wurde 2020 ein geladener Realisierungswettbewerb durchgeführt, den Robertneun Architekten aus Berlin gewannen. Ihr Entwurf umfasst den Quartierseingang am S-Bahnhof Siemensstadt. Ihre Architektur soll für die weitere Entwicklung der Siemensstadt maßgebend sein. Neben der Schaltwerkhochhausscheibe soll ein 60 Meter hoher Büroturm mit Gastronomie-Nutzung im Erdgeschoss entstehen. Zwischen Verwaltungsgebäude und der neuen Straße, dem „Siemens-Strip“, ist ein temporärer Infopavillon und ein Büro- und Gewerbegebäude geplant, das „Campus Center“.
Die Architektur – mit einem für das Büro Robertneun inzwischen als Markenzeichen erkennbaren roten Farbstich – erinnert nicht nur äußerlich an eine industrielle Raster-Ästhetik. In Anlehnung an die seinerzeit wegweisende Stahlskelett-Bauweise der Hertlein-Scheibe sollen auch die Neubauten auf einer „elementierten und damit recycelbaren Konstruktion“ basieren: eine Holzkonstruktion im „Campus Center“, ein Skelett aus Stahl und recyceltem Beton beim Turmgebäude. Baubeginn ist 2022.

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