Erweiterungsbau Jüdisches Museum Frankfurt
Das Jüdische Museum in Frankfurt am Main präsentiert Juden von jeher als Mitgestalter der städtischen Geschichte. Nun hat der von Staab Architekten entworfene Erweiterungsbau ein städtebaulich bedeutsames Ensemble aus historischer und zeitgenössischer Architektur entstehen lassen.
Text: Stock, Wolfgang Jean, München
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„Wenn der Anbau dem Altbau fast den Rang abläuft“, der Untertitel in der FAZ-Beilage zur Eröffnung der Erweiterung.
Foto: Brigida González
„Wenn der Anbau dem Altbau fast den Rang abläuft“, der Untertitel in der FAZ-Beilage zur Eröffnung der Erweiterung.
Foto: Brigida González
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Das Jüdische Museum gehört zum Frankfurter Museumsufer.
Foto: Brigida González
Das Jüdische Museum gehört zum Frankfurter Museumsufer.
Foto: Brigida González
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Das zentrale Atrium ist der Verteiler: Blick Richtung Museumsshop, darüber das Fenster vom Café.
Foto: Brigida González
Das zentrale Atrium ist der Verteiler: Blick Richtung Museumsshop, darüber das Fenster vom Café.
Foto: Brigida González
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Zugang zur Wechselausstellung.
Foto: Brigida González
Zugang zur Wechselausstellung.
Foto: Brigida González
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Im Kontrast zu den Sichtbetonwänden haben die Bibliothek im Obergeschoss ...
Foto: Brigida González
Im Kontrast zu den Sichtbetonwänden haben die Bibliothek im Obergeschoss ...
Foto: Brigida González
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... und die Garderobe Escheholzoberflächen.
Foto: Brigida González
... und die Garderobe Escheholzoberflächen.
Foto: Brigida González
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Der Vortragssaal befindet sich im Erdgeschoss unter der Bibliothek.
Foto: Brigida González
Der Vortragssaal befindet sich im Erdgeschoss unter der Bibliothek.
Foto: Brigida González
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Das Museum im Rothschild-Palais wurde am 50. Jahrestag des Novemberpogroms 1988 eröffnet.
Foto: Brigida González
Das Museum im Rothschild-Palais wurde am 50. Jahrestag des Novemberpogroms 1988 eröffnet.
Foto: Brigida González
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Die Dauerausstellung wurde während der Schließung des Hauses überarbeitet ...
Foto: Brigida González
Die Dauerausstellung wurde während der Schließung des Hauses überarbeitet ...
Foto: Brigida González
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... und im Oktober 2020 gemeinsam mit dem Erweiterungsbau wiedereröffnet.
Foto: Brigida González
... und im Oktober 2020 gemeinsam mit dem Erweiterungsbau wiedereröffnet.
Foto: Brigida González
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Dialog zwischen Altem und Neuem. Der Zugang zur Dauerausstellung im Altbau ...
Foto: Brigida González
Dialog zwischen Altem und Neuem. Der Zugang zur Dauerausstellung im Altbau ...
Foto: Brigida González
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... erfolgt über einen Zugang hinter dem Lichthof.
Foto: Brigida González
... erfolgt über einen Zugang hinter dem Lichthof.
Foto: Brigida González
Wenn man die verschatteten Straßenschluchten im Bankenviertel von „Mainhattan“ hinter sich gelassen hat, in dem neuerdings der von Bjarke Ingels entworfene Turm mit seinen auskragenden Mittelgeschossen um Aufmerksamkeit buhlt, und wenn man dann an der umkämpften Doppelanlage von Schauspiel und Oper vorbei gegangen ist (
Bauwelt 16.20), stößt man auf ein Haus, das neugierig macht. Wie ein kantiger Felsen erscheint das Gebilde, das seine Bestimmung erst beim Einschwenken in einen weiten Hofraum offenbart. Es ist der auf einer fünfeckigen Grundfläche errichtete Erweiterungsbau des Jüdischen Museums, hervorgegangen aus einem Wettbewerb, der Ende 2012 von Staab Architekten gewonnen wurde. Im Jahr 1988 gegründet, war das Jüdische Museum Frankfurt in der Bundesrepublik das erste seiner Art. Als sein sinnfällig gewählter Ort dienten das am nördlichen Mainufer gelegene, vom Bombenkrieg verschonte klassizistische Rothschild-Palais sowie ein benachbarter Altbau. Nach zwei Jahrzehnten wurde indes klar, dass diese Räumlichkeiten den Ansprüchen an einen ambitionierten Museumsbetrieb nicht mehr genügten. Von Anfang an unbefriedigend war der beengte Eingang am Untermainkai.
Solitär mit Anschluss
Der neue, breit verglaste Eingang liegt nun im Erweiterungsbau an dem neu entstandenen Hof, der sich zu einem ebenfalls neu geschaffenen Platz öffnet, durch den der Anlagenring zum Main hin endlich würdevoll abgeschlossen wird. Benannt ist der Platz nach Bertha Pappenheim (1859−1936), einer jüdischen Frankfurter Vorkämpferin für Frauenrechte und Sozialarbeit. In seinem Erläuterungstext schreibt Volker Staab, dass er den Neubau als Solitär entworfen hat, um den Charakter der historischen Umgebung mit möglichst großem Abstand zu wahren – aus dieser Konzeption hat sich auch der dreieckige Zuschnitt des Hofraums ergeben. Gegenüber den Fensterreihen in den historischen Fassaden wirkt der Erweiterungsbau fast hermetisch. Unterschiedlich große Öffnungen sind in den hell verputzten Körper nur dort eingeschnitten, wo es das Raumprogramm verlangt hat. Eine gewisse Analogie zu den Altbauten bilden die horizontal gegliederten Fassaden. Der Eindruck eines Solitärs wird auch nicht durch seine Verbindung zu den Altbauten gestört, da der Anschluss unter der erhöhten Caféterrasse liegt. Im Verbindungstrakt gibt ein Fenster den Blick frei auf die bewegende Aluminiumskulptur von Ariel Schlesinger: Zwei vertikal miteinander verflochtene Bäume ergeben ein Sinnbild für die wechselnde Verankerung und Entwurzelung der Frankfurter Juden in ihrer Gesellschaft.
Wissensspeicher im „Lichtbau“
Weshalb die Museumsleitung die Erweiterung als „Lichtbau“ bezeichnet, erschließt sich erst im Inneren, dann aber auf Anhieb. Wenn man die übliche Kontrolle passiert hat, gelangt man in einen hohen Raum, der sich nach allen Seiten hin öffnet. Lichtbau darf man das Gebäude schon deshalb nennen, weil die zentrale Halle durch eine verglaste Fläche im asymmetrisch gefalteten Dach mit einer Fülle an Tageslicht versorgt wird, selbst bei bedecktem Himmel. Unmittelbar an der Halle liegen der Vortragssaal und der Aufgang zur Bibliothek, über breite Treppenstufen hinab gelangt man in das Foyer, an dessen Seiten alle weiteren Zugänge angeordnet sind: zur Garderobe, zur Filiale der Literaturhandlung von Rachel Salamander, zur Dauerausstellung in den Altbauten und zur Treppe in den Wechselausstellungsraum im Untergeschoss. Die großzügigen Verkehrsflächen von Halle und Foyer machen die Orientierung leicht und können auch ein zahlreiches Publikum aufnehmen. Geprägt werden die beiden Räume durch sorgfältig ausgeführte Sichtbetonwände und Eschenholzflächen. Die Bezeichnung Lichtbau lässt sich aber auch übertragen, denn im 1. Obergeschoss liegt die öffentlich zugängliche Bibliothek mit den auf Zuwachs berechneten Magazinen. Die reichhaltigen Bestände sind ein Wissensspeicher, der eine Aufgabe hat – Aufklärung anzubieten über Geschichte und Gegenwart nicht nur des Frankfurter Judentums. Der Bibliothek gegenüber liegt das koschere Café mit Terrasse.
Klasse statt Masse
Als 1933 der Nazi-Terror begann, machten rund 30.000 Frankfurter Juden fast fünf Prozent der Bevölkerung aus. Das war der höchste Anteil in deutschen Großstädten. Die Jüdische Gemeinde in Frankfurt hat derzeit rund 7000 Mitglieder und ist die viertgrößte in Deutschland. Seit vielen Generationen sind jüdische Bürger und Bürgerinnen in der Frankfurter Gesellschaft integriert, auch durch Stiftungen in kulturellen, wissenschaftlichen und sozialen Bereichen. Vor Augen geführt wird die Erfolgsgeschichte des jüdischen Bürgertums in der Dauerausstellung, die in den Altbauten untergebracht ist und die Spanne von der Aufklärung bis zur Gegenwart umfasst (die Zeit davor behandelt das Museum Judengasse). Für diese Ausstellung wurden die Räume in den beiden Gebäuden saniert, behutsam erneuert und teilweise historisch rekonstruiert. Ihre ursprüngliche Struktur ist nun wieder lesbar, weil Einbauten aus den 1980er Jahren entfernt wurden. Ergänzt wird die Ausstellung durch einen eigenen Raum für Museumspädagogik und eine Kinderwerkstatt. Für einen barrierefreien Zugang wurden zwei von außen unsichtbare Aufzüge eingebaut.
Sehr erfreulich ist, dass die multimedial gestaltete Ausstellung auf Klasse statt auf Masse setzt. Das Jüdische Museum hat sich für exemplarische Zeugnisse entschieden, bei den Objekten wie auch bei den Lebensgeschichten. Lässt sich die Darstellung bis 1933 nach einem Wort des Kulturpolitikers Hermann Glaser als „Stolz-Arbeit“ begreifen (einschließlich Architektur und Städtebau des Neuen Frankfurt), so bedeutete der Anbruch des „Dritten Reiches“ auch für das örtliche Judentum die Folge von Ausgrenzung, Entrechtung, Beraubung und Ermordung. Stellvertretend für die unzähligen Schicksale stehen die Dokumente der beiden Familien Frank und Senger. Die Ausstellung vermittelt aber auch innerjüdische Themen wie den Wandel von Traditionen und Ritualen in der Moderne.
In der Nachkriegszeit waren die 1970er Jahre mit dem Frankfurter „Häuserkampf“ eine politische Belastungsprobe. Weil auch jüdische Immobilienhändler an der Spekulation mit Grund und Boden beteiligt waren, kamen antisemitische Stimmungen auf. Dagegen wehrte sich die Jüdische Gemeinde, bis sie schließlich 1985 durch die Besetzung der Bühne im Schauspielhaus die Premiere von Rainer Werner Fassbinders Stück „Der Müll, die Stadt und der Tod“ verhinderte, das sie als antisemitisch empfand. Dieses Ereignis wird in dem materialreichen Katalog „Jüdisches Frankfurt“ behandelt. In die Zukunft schauen die divers gewordenen Frankfurter Juden jedenfalls mit Zuversicht.
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