Bauwelt

Fahrradspeicher in Nürnberg


An der Südseite des Nürnberger Hauptbahnhofs ist ein Parkhaus für Fahrräder entstanden. Der filigrane Pavillon von SRAP Sedlak Rissland Architekten dient einer scheinbar simplen Nutzung an einem herausfordernden Ort.


Text: Burose, Alina, München


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    Der Fahrradspeicher erstreckt sich auf 112 Meter ...
    Foto: Stefan Meyer

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    Der Fahrradspeicher erstreckt sich auf 112 Meter ...

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    ... entlang der Südseite des Bahnhofs.
    Foto: Stefan Meyer

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    ... entlang der Südseite des Bahnhofs.

    Foto: Stefan Meyer

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    Hell, offen und geschützt: Neben Stellplätzen für Fahr- und Lastenrädern ...
    Foto: Stefan Meyer

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    Hell, offen und geschützt: Neben Stellplätzen für Fahr- und Lastenrädern ...

    Foto: Stefan Meyer

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    ... verfügt der Speicher über Schließfächer, ...
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    ... verfügt der Speicher über Schließfächer, ...

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    ... einen Reparierbereich und Ladestationen.
    Foto: Stefan Meyer

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    ... einen Reparierbereich und Ladestationen.

    Foto: Stefan Meyer

Als ich aus dem Hauptbahnhof in die kalte Luft trete, empfängt mich nicht die Kulisse, die ich in Erinnerung habe. Mehrere Male habe ich Nürnberg letztes Jahr besucht, jedoch nie den Ausgang in Richtung Südstadt genutzt. Wie die meisten Reisenden war ich durch das große Portal an der Nordseite des Bahnhofs getreten, das den nahen Altstadtring erschließt.
Nürnbergs derzeitige Stadtentwicklung zeigt sich nicht nur in den Randbereichen, sie ist auch im Zentrum spürbar. Nachdem 2017 der zur Altstadt gewandte Bahnhofsplatz nach langem Umbau wieder der Öffentlichkeit übergeben wurde, erfuhr der am südlichen Ausgang befindliche Nelson-Mandela-Platz 2020 ebenfalls eine Neugestaltung. Das dortige Parkplatzareal stellte bis dahin den Inbegriff des Unbehagens dar – ein vollasphaltierter Unort als Auftakt für den von Gewerbe- und Fabrikflächen geprägten Nürnberger Süden. Der neue Platz umfasst nun eine großzügige Grünfläche mit Sitzgelegenheiten. Auch wenn an diesem grauen Nachmittag eine Schneeschicht das Grün bedeckt, ist hier ein Ort mit Aufenthaltsqualität zu erahnen. Durch die deutlich reduzierte Zahl an Parkplätzen für Autos ist ein anderes Verkehrsmittel ins Blickfeld gerückt: das Fahrrad. Neben der verbesserten Erschließung durch Radwege beinhaltet die Umgestaltung die Möglichkeit, das eigene Rad sicher vor Diebstahl und Witterung zu wissen. An der Bahnhofsmauer bildet der Fahrradspeicher das Zweiradpendant zum Parkhaus.
Nach einer Mehrfachbeauftragung überzeugte das ortsansässige Büro SRAP Sedlak Rissland Architekten die Stadt mit einem feingliedrigen, in Stahl ausgeführten Pavillon. Trotz der recht neuen Gebäudetypologie ist das System selbsterklärend. Mittig der 112 Meter langen Fassade befindet sich der Hauptzugang. Ein junger Mann fährt mit seinem Rad in die überdachte Eingangsnische und führt mir das weitere Procedere vor: Durch das Zeigen seiner Monats- oder Jahreskarte an einem der Automaten öffnet sich das zugehörige Tor. Nun geht er durch das eine Drehtor während er sein Rad durch das andere führt. Nach dem Abstellen verlässt er den Fahrradspeicher durch einen der seitlichen Ausgänge. Das Gebäude fasst bis zu 399 Fahrräder. Zur Rückseite funktionieren die Stellplätze durch ein Doppelstockparkersystem platzeffizient, während an der Fassade neben Einzelparkern auch Last- und Liegeräder sowie Radanhänger Platz finden. Ein piktogrammatischer Markierungsleitfaden am Boden zeigt den jeweiligen Nutzungsbereich an. Neben den Stellplätzen gibt es Schließfächer samt Ladefunktion für E-Bikes, Stationen mit Werkzeugen sowie einen Automaten für Ersatzschläuche. Entgegen Parkhäusern oder Tiefgaragen gibt es im Fahrradspeicher keine Angsträume. Zu allen Seiten einsichtig ist er auch an trüben Tagen ausreichend natürlich belichtet; die weiß lackierten, geneigten Stahlrohrstützen werten ihn auf. Abends und Nachts gibt es eine gute Ausleuchtung. Der Speicher wurde behutsam vor den Bestand gesetzt: Bahnhofsmauer und Rad trennen nur wenige tragende Elemente.
Zum Außenraum entsteht durch die Überlagerung der Stützen je nach Entfernung der Moiré-Effekt, eine changierende Bewegung, ähnlich einer Sinuskurve verlaufend, die an die Bewegung rotierender Fahrradspeichen erinnern soll. Mag die Fassade in ihrer Erscheinung reduziert, gar einfach wirken, ging ihr ein langer Entwurfsprozess voraus.
Neben den statischen Herausforderungen mit dem Wunsch von Leichtigkeit und der gestalterischen Idee mit den Fahrradspeichen musste der Bau auch die Einbruchssicherheit gewährleisten. Anforderungen wie Überwachungskameras, Taubenvergrämung, Fluchttüren und Technikflächen wurden genauso dezent integriert wie Schließsystem und Ticketautomaten. Aufgrund von Sicherheitsbedenken seitens des Bauherrn ist aber das ursprünglich vorgesehene kostenlose Anschließen von Fahrrädern an den Fassadenstäben des Speichers nicht möglich. Stattdessen spannt nun vor der Fassade ein grobmaschiges „Kettenhemd“, das unrechtmäßigen Zugang ausschließt, aber auch ein schnelles Anschließen an die Stäbe verhindert. Vor dem weißen Stahl hängt dadurch ein grauer Schleier, doch mindert dieser den angestrebten Bewegungseffekt kaum.
Fahrradparkhäuser sind vielerorts noch architektonisches Neuland. Doch nicht nur das Radfahren wird in immer mehr Städten attraktiver, gefragter wird auch das Entwickeln zugehöriger Infrastruktur. Der Fahrradspeicher in Nürnberg könnte ohne viel Mühe demontiert und andernorts wieder aufgebaut werden. Anfragen für eine kleinere, mobilere Ausführung hat das Büro SRAP bereits erhalten. Wenn das passende Radwegenetz vorhanden ist, profitieren nicht nur Radfahrerinnen und Radfahrer durch die verbesserte Abstellmöglichkeit in puncto Sicherheit und Flexibilität, sondern eine ganze Stadt durch effizient genutzte Flächen und ein reduziertes Verkehrsaufkommen. Und nicht zuletzt: Wie viele innerstädtische Parkplätze gibt es, an denen man sein Auto für 70 Cent den gesamten Tag abstellen kann?



Fakten
Architekten SRAP Sedlak Rissland Architekten, Nürnberg
Adresse Nelson-Mandela-Platz, 90459 Nürnberg


aus Bauwelt 5.2022
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