Bauwelt

Industriebau in Gent


Eine rosa Quadrattür, ein dreieckiger Durchgang und ein zebra­gestreiftes Rolltor erschließen eine Kaffeerösterei und eine Tisch­lerei am Genter Stadtrand.


Text: Landes, Josepha, Berlin


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    Hauptsächlich Fertigteile: Lediglich den dreiecki­gen Durchbruch und spitzwinklige Ecken wurden die Beton-Sandwichpaneele ab Werk sondergeformt.
    Foto: Petter Krag

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    Hauptsächlich Fertigteile: Lediglich den dreiecki­gen Durchbruch und spitzwinklige Ecken wurden die Beton-Sandwichpaneele ab Werk sondergeformt.

    Foto: Petter Krag

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    Die gelben Türen sind Standardprodukte.
    Foto: Petter Krag

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    Die gelben Türen sind Standardprodukte.

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    Um sie ins Fassadenraster einzupassen, ...
    Foto: Petter Krag

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    Um sie ins Fassadenraster einzupassen, ...

    Foto: Petter Krag

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    ... hat der Bauherr selbst Hand angelegt.
    Foto: Petter Krag

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    ... hat der Bauherr selbst Hand angelegt.

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    Foto: Petter Krag

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    Die Empore teilt Produktion ...
    Foto: Josepha Landes

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    Die Empore teilt Produktion ...

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    ... und Rückzugsbereich in der Kaffeerösterei.
    Foto: Petter Krag

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    ... und Rückzugsbereich in der Kaffeerösterei.

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    Neben der Arbeit auch Vergnügen – die Empore der Kaffeerösterei dient als Rückzugsort.
    Foto: Josepha Landes

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    Neben der Arbeit auch Vergnügen – die Empore der Kaffeerösterei dient als Rückzugsort.

    Foto: Josepha Landes

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    Der französische Dichter Arthur Rimbaud ist aufgrund des mit dem Familienbetrieb geteilten Geburts-, respektive Gründungsjahrs Namensgeber der Hausröstung. Sein Konterfei hängt im Lager.
    Foto: Josepha Lanes

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    Der französische Dichter Arthur Rimbaud ist aufgrund des mit dem Familienbetrieb geteilten Geburts-, respektive Gründungsjahrs Namensgeber der Hausröstung. Sein Konterfei hängt im Lager.

    Foto: Josepha Lanes

Ein Ort für alle Sinne steht am nördlichen Stadtrand von Gent. Das Projekt von Juliane Greb und Petter Krag birgt Ansprechendes für Nase, Ohren, Zunge und Augen: In ihm mischen sich der Geruch von Kaffee und Holz, knistern die Schalen der Bohnen, quietschen Sägen. Manchmal – davon zeugt eine beiläufig abgestellte Gitarre – erklingt wohl Musik, und – mit Blick auf kleine Plastiktore im Garten – spielen auch Kinder. Abgesehen davon steuert das Gebäude selbst erheblich Ungewohntes zur Lage bei.
In Google Maps ist die Gegend grün hinterlegt. In Wirklichkeit sieht sie zuerst einmal nach Gewerbepark aus, und ist es auch, der Name: Bedrijventerrein (Gewerbepark) Wiedauwkaai. Angrenzend erstrecken sich die „Wondelgemse Meersen“, ein seit 2021 in Umsetzung begrif­fenes Renaturierungsprojekt des Lieve-Kanals. Rad- und Gehweg verbinden das Areal mit dem Genter Stadtzentrum, zwanzig Minuten sind es zu Fuß. Neben der Straße für den Lieferverkehr trennt ein schmaler und ebenso flacher Wassergraben das Grundstück von der tristen Rückseite einer niedrigen Einfamilienhauskette: graue und vergraute Fronten mit einheitlich uneinheit­-lichen Fensterformaten – Versuche eines Ausbruchs aus der Uniformität. Diesseits geht es spaßiger zu. Rosafarbene und gelbe Türen sitzen in einer bunt-zusammengewürfelt erscheinenden Großform aus Beton. Ein Zebrastreifentor, ein dreieckiger Durchbruch in der Fassade, schräge Raumkanten, ein Türmchen – wenn auch die grauen Fertigteilelemente des Baus sich nur zwei Parzellen weiter wiederholt findet: Irgendetwas ist hier anders, bei der Anwendung aus dem Lot gekommen. Dieses Gebäude ist ein bisschen meschugge.
Schon die Kombination seiner Nutzungen ist es: Kaffeerösterei und eine Schreinerei stecken in dieser Wunderkiste. Zwei der Bauherrn, Anna und Louis, sind Nachbarn der Architektin. Vor ein paar Jahren hatten Greb und ihr Partner für ihren alteingesessenen Kaffee-Betrieb (fünfte Generation!) bereits zufriedenstellend einen Laden in der Innenstadt ausgebaut. Als sie nun mit dem befreundeten Schreiner Willem das Grundstück nördlich des Hafens erwarben, lag es nah, die Zusammenarbeit wiederzubeleben. Viel Geld hatten sie nicht.
Greb kommt an diesem Morgen im Januar mit dem Fahrrad. Erst seit dem Abend ist sie zurück aus Venedig – gemeinsam mit Arch+ und Summa cum Femmer gestaltet das Büro in diesem Jahr den deutschen Biennale-Pavillon. Gegen etwaige Müdigkeit ist dies der richtige Platz. Wir trinken auf der Empore „Rimbaud“-Kaffee, die Hausmarke, benannt nach dem im Gründungsjahr des Familienbetriebs geborenen Lyriker (in späteren Jahren auch Kolonial­warenhändler). Gefiltert. Louis spitzt währenddessen unten für den zweiten Crack einer dunk­-len Espresso-Röstung die Ohren, entnimmt dem Röstofen Proben und lässt schließlich einen Schwall fast schwarzer Bohnen aus ihm herausrauschen.
Die Kubatur des Komplexes, erklärt die Architektin, sei aus logischen Schlüssen entstanden. Die Begrenzung des Baufelds ergab sich aus den Grundstückslinien, nach innen versetzt um vier Meter. Willems Werk- und Lagerhalle ist eine schlichte Kiste – maximalen Raum hatte sich der Schreiner gewünscht. Auf einer Ecke sitzt ein Würfel auf. Darin befindet sich ein Treppenhaus. Irgendwann kann so einmal eine kleine Dachwohnung ergänzt werden.
Die andere, identische Hälfte der Grundfläche haben die Planerinnen mit Diagonalen so zerteilt, dass mittig ein gemeinsam genutzter Innenhof Platz findet. Ihn fassen ein Lager­-raum und, an den Nachbarn grenzend, die doppelhohe Kaffeerösterei. Das Erdgeschoss scheint bereits gut als Produktionsstätte zu funktionieren. Über spiegelnde Schlote entraucht der Ofen, daneben stehen Verpackungsmaschine, Waage, Arbeitstische. Die Bohnen lagern getrocknet in derben Säcken und enden später, auf den Punkt geröstet, in aromasiche­-ren Plastikfässern. Regale und ein kleiner Tresen sind noch aus einer früheren Produktionsstätte übernommen. Der über eine gespindel­-te weiße Stahltreppe angeschlossene obere Raum versprüht Müßiggang: ein Kicker, ein als Kino-Leinwand aufgespanntes Bettlaken, eine Tischtennisplatte. An der Wand lehnt ein gel­-ber Liegestuhl. Geplant ist hier ein Büro, und vielleicht könnten auf der Etage in Zukunft Baris-ta-Schulungen und Kaffeeseminare stattfinden. Bislang ist die Küche dafür noch nicht ausgebaut. Überhaupt ist vieles noch möglich. Auch das vorgelagerte Dach soll noch begrünt werden und als Garten fungieren. Alle Voraussetzungen dafür haben Greb und Team mitgeplant, einschließlich der Regenwasserrückgewinnung – eine Anforderung, die in Flandern schon lang üblich ist.
Konstruktiv haben sich die Planenden auf die Ratschläge einer Industriebaufirma verlassen. Wurden ihre Entwurfsideen zu detailliert, wiegelte die Firma bisweilen ab. Auch so erklärt sich der angenehm offensichtliche Umgang mit Normlösungen, die erst im Nachgang verfeinert wurden, oder nicht einmal das. Ein gängiges Stahltragwerk und ebenso gängige Betonfertigteile, Sandwichpaneele mit integrierter Dämmung, erfuhren nur minimale Anpassungen, etwa um schräge Stöße oder Durchbrüche umzusetzen. Alle Maße sind auf die Fertigteilproduktion sowie Länge und Breite der Trapezbleche abgestimmt, die dem Dach als Unterlage dienen. Auch die Türen und Fenster sind Produkte aus dem Katalog – sogar das schwarz-weiße Rolltor der Schreinerei. Hölzerne Zwischenwände sowie die Profile der breiten Fenster-Öffnungen zum Hof zimmerte Willem selbst.
Neben der vom Standard abweichenden Kubatur wirft selbstverständlich die Farbgebung des sich so gar nicht nach Industriebau anfühlenden Industriebaus Fragen auf. Dabei trägt die Entscheidung für Pink, Rosa, Pastellviolett, Nachtblau und Schwefelgelb zu eben diesem Eindruck maßgeblich bei. Sie seien Gauguins Malerei von Tahiti entlehnt, sagt Greb, auch an die Gemälde von Roger Raveel hätten sie gedacht. Vor allem wollten sie keine Primärfarben. Zum „Südsee-Feeling“ tragen üppige Grünpflanzen das Ihre bei. Und so schön das am Ende alles ist, so überzeugend die Architektur – nagt als kleiner Wermutstropfen die Frage, ob ein traditionsreicher Kaffeehandel sich nicht etwas länger hätte durch den Kopf gehen lassen sollen, wie eng sein Business mit der Kolonialgeschichte verwoben ist. Der Verzicht auf die ein oder andere Referenz wäre der Coolness des Gebäudes entgegengekommen.



Fakten
Architekten Büro Juliane Greb, Gent
Adresse Tapuitstraat 1, 9000 Gent, Belgien


aus Bauwelt 10.2023
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