Neues Rathaus in Oy-Mittelberg
Das neue Rathaus in Oy-Mittelberg dokumentiert, wie Baukultur im ländlichen Raum geht: mit einem klugen Bürgermeister, einem gut vorbereiteten Wettbewerb, einem eindeutigen Bürgervotum und erfahrenen Architekten.
Text: Stock, Wolfgang Jean, München
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Inspiration Tradition: Das neue Rathaus in Oy-Mittelberg ...
Foto: Brigida González
Inspiration Tradition: Das neue Rathaus in Oy-Mittelberg ...
Foto: Brigida González
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... bedient sich formaler Elemente des abgerissenen Vorgängerbaus.
Foto: Brigida González
... bedient sich formaler Elemente des abgerissenen Vorgängerbaus.
Foto: Brigida González
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Auf einem Sichtbetonsockel ruhend, dient das Erdgeschoss allen bürgernahen Funktionen.
Foto: Brigida González
Auf einem Sichtbetonsockel ruhend, dient das Erdgeschoss allen bürgernahen Funktionen.
Foto: Brigida González
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Die einläufige Haupttreppe im Zentrum des Foyers verbindet Verwaltungsräume und Dachgeschoss, wo sich der Sitzungssaal mit Alpenblick befindet.
Foto: Brigida González
Die einläufige Haupttreppe im Zentrum des Foyers verbindet Verwaltungsräume und Dachgeschoss, wo sich der Sitzungssaal mit Alpenblick befindet.
Foto: Brigida González
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Der klare Charakter des Baukörpers setzt sich im Innenraum fort.
Foto: Brigida González
Der klare Charakter des Baukörpers setzt sich im Innenraum fort.
Foto: Brigida González
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Die Wände sind holzverschalt, der Bodenbelag des Erdgeschosses ist in Estrich, ansonsten in Parkett gehalten.
Foto: Brigida González
Die Wände sind holzverschalt, der Bodenbelag des Erdgeschosses ist in Estrich, ansonsten in Parkett gehalten.
Foto: Brigida González
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Die Wände sind holzverschalt, der Bodenbelag des Erdgeschosses ist in Estrich, ansonsten in Parkett gehalten.
Foto: Brigida González
Die Wände sind holzverschalt, der Bodenbelag des Erdgeschosses ist in Estrich, ansonsten in Parkett gehalten.
Foto: Brigida González
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Die Außenanlagen des neuen Rathauses nehmen die Topographie des Geländes auf.
Foto: Brigida González
Die Außenanlagen des neuen Rathauses nehmen die Topographie des Geländes auf.
Foto: Brigida González
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Eine Tiefgarage unter dem Gebäude überlässt den Vorplatz des Rathauses den Bürgerinnen und Bürgern.
Foto: Brigida González
Eine Tiefgarage unter dem Gebäude überlässt den Vorplatz des Rathauses den Bürgerinnen und Bürgern.
Foto: Brigida González
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Das Fluchttreppenhaus bildet mit seinen Sichtbetonwänden ...
Foto: Brigida González
Das Fluchttreppenhaus bildet mit seinen Sichtbetonwänden ...
Foto: Brigida González
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... einen Kontrast zu den mit Weißtanne-Brettern verschalten Wänden in den Aufenthaltsbereichen.
Foto: Brigida González
... einen Kontrast zu den mit Weißtanne-Brettern verschalten Wänden in den Aufenthaltsbereichen.
Foto: Brigida González
Vor einigen Monaten hat der BDA Bayern seine illustrierte Broschüre „Impulse für eine lebendige Baukultur in Stadt und Land“ herausgegeben. In hoher Auflage erschienen, wurde die attraktiv gestaltete Publikation an alle bayerischen Kommunen verschickt, um bei den Verantwortlichen in Politik und Verwaltung die „baukulturelle Bildung“ zu fördern. Wie auch die abgebildeten Bauten als Vorbilder aus ganz Bayern zeigen, richtet sich der Appell des BDA vor allem an die Entscheidungsträger im ländlichen Raum, weil dort die Defizite besonders hoch sind. Unterstützt wird die Initiative vom Bayerischen Landesverein für Heimatpflege. Der Name klingt arg altmodisch, ihm entspricht aber nicht die langjährige Praxis des 1902 gegründeten Vereins. Auch durch seine Schriftenreihe „Der Bauberater“ hat er sich Verdienste bei der Vermittlung zeitgemäßer Architektur auf dem Land erworben.
Die Gemeinde Oy-Mittelberg im bayerischen Allgäu kann nun selbst einen Impuls geben. Im Sommer 2022 eingeweiht, ist ihr neues Rathaus ein weiteres Vorbild dafür, wie sich eine Ortsmitte aufwerten lässt. Das kompakte Gebäude reiht sich ein in die Kette neuer Rathäuser und Gemeindezentren, die seit zwei Jahrzehnten im ländlichen Alpenraum von Bayern bis nach Südtirol entstanden sind. Zu den herausragenden Beispielen zählen das Rathaus im oberbayerischen Maitenbeth, das Haus der Vereine im Weiler Schalders oberhalb von Brixen oder das Dorfzentrum von Patsch bei Innsbruck. Das Gemeindezentrum von St. Gerold im Vorarlberger Walsertal verkörpert sogar eine Innovation: Die Architekten Cukrowicz Nachbaur konnten es 2009 als reinen Holzbau mit vier Geschossen ausführen.
Wettbewerb und Bürgerbeteiligung
Beim neuen Rathaus von Oy-Mittelberg ist nicht nur das bauliche Ergebnis vorbildlich, sondern auch das Verfahren. Wie schon der Doppelname ahnen lässt, erstreckt sich die Gemeinde mit rund 4500 Einwohnern auf einer vergleichsweise großen Fläche mit mehreren Ortsteilen. Deshalb gab es schon seit längerem das Bestreben, die Mitte der Feriengemeinde am Hauptplatz von Oy zu stärken. Weil das alte Rathaus ein Provisorium darstellte und heutigen Anforderungen nicht mehr genügte, lag ein Neubau auf der Hand. Tatkräftig betrieben wurde das Projekt vom Bürgermeister Theo Haslach, der bei der Ortskernsanierung über zehn Jahre hinweg eine entscheidende Rolle spielte. Zunächst wurde jedoch untersucht, ob sich am Hauptplatz der 2003 aufgegebene und 2010 von der Gemeinde erworbene Gasthof Löwen nach einem Umbau als neues Rathaus eignen würde. Der Aufwand für die Sanierung wäre aber so enorm gewesen, dass der Gemeinderat den Abriss beschloss und 2013 einen Wettbewerb für ein neues Rathaus auf dem Grundstück auslobte. Den EU-weit ausgeschriebenen, nichtoffenen Realisierungswettbewerb gewannen im Jahr darauf Muffler Architekten aus Tuttlingen zusammen mit dem Landschaftsarchitekten Jörg Stötzer aus Stuttgart. Das Urteil der Jury war eindeutig: „Der große, unaufgeregte Baukörper hat eine ansprechende Holzlattenfassade, in der die Fensteröffnungen richtig gesetzt und proportioniert sind. Dadurch erscheint das Gebäude dem Anspruch eines modernen ländlichen Rathauses angemessen und würdig gestaltet.“
Der Abriss des Gasthofs ließ freilich auf sich warten. Im Gemeinderat gab es immer wieder Gegenstimmen. Deshalb setzte Bürgermeister Haslach zuletzt auf einen Bürgerentscheid. Das Votum im Sommer 2018 war klar: 85 Prozent der Bürgerinnen und Bürger sprachen sich für den Abriss des Gasthofs und den Neubau des Rathauses aus. Mit diesem politischen Rückhalt in der Bevölkerung konnte nun endlich die Planung mit den Architekten beginnen.
Architektur für den zweiten Blick?
Der Wettbewerbsentwurf wurde mit zwei wesentlichen Änderungen ausgeführt. Das Satteldach hat nunmehr einen ortsüblichen Überstand, und die Holzverschalung wurde nicht horizontal, sondern vertikal angeordnet, jedoch horizontal durch Streifen gegliedert. Den Architekten ging es um Zurückhaltung, ohne die Gegenwart zu leugnen: „Die Gestaltung des Neubaus soll innerhalb der Dorfmitte weder einen modernen Kontrast bilden noch vorgeben, das Gebäude sei schon Generationen an Ort und Stelle verwurzelt.“ Tano Muffler, für den das Rathaus der Einstieg ins elterliche Büro war, spricht sogar von einem „Haus für den zweiten Blick“. Diese Bescheidenheit ist sympathisch, muss aber nicht geteilt werden. Vor allem auf seiner Eingangsseite zeigt das Haus seinen zeitgenössischen Charakter als ein einladendes, zum St.-Anna-Platz hin geöffnetes öffentliches Gebäude: Der zurückgesetzte Haupteingang bietet Wetterschutz und sorgt durch seine Verglasung über Eck für eine transparente Beziehung zwischen Außen- und Innenraum.
Auch die Raumorganisation hat schon die Jury überzeugt, weil die Funktionen sinnvoll geschichtet sind. Das Erdgeschoss nimmt neben einem Foyer alle bürgernahen Dienste auf. Die lineare Haupttreppe erschließt zunächst das Obergeschoss mit weiteren Verwaltungsräumen. Im Dachgeschoss eröffnet der Sitzungssaal einen weiten Blick über die Gemeinde auf das Alpenpanorama. Dabei sind die Verkehrsflächen auf allen Ebenen großzügig dimensioniert. Das Untergeschoss mit Nebenräumen und Tiefgarage konnte zur Hälfte in den Hang eingebettet werden. Aufgrund der flexiblen Grundriss-Struktur und der abfallenden Topografie wurde die tragende Konstruktion von Erd- und Obergeschoss als Stahlbeton-Massivbau ausgeführt. Der betonierte Sockel schützt zugleich die aufgesetzte Holzkonstruktion des Dachgeschosses vor aufsteigender Feuchtigkeit. Holz prägt auch die zentralen Bereiche im Gebäude, weil die Flurtrennwände homogen mit Weißtanne-Brettern verschalt sind. Zusammen mit dem Bauherrn kam es den Architekten darauf an, sämtliche Konstruktionen mit dauerhaften, biologisch unbedenklichen und ökologisch sinnvollen Materialien auszuführen. Bei einem Rückbau können alle Materialien sortenrein getrennt und wieder verwendet werden. So versteht es sich von selbst, dass auch das energetische Konzept mit Photovoltaik, Anschluss an das Nahwärmenetz und mechanisch gesteuerter Nachtlüftung optimiert wurde. Kurzum: Das neue Rathaus von Oy-Mittelberg hat die Ansprüche des BDA Bayern an heutiges Bauen beispielhaft erfüllt: „Identitätsstiftend, ästhetisch und langlebig“.
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