Bauwelt

Super Markt in Wiesbaden


ACME haben in Wiesbaden eine Filiale der Supermarktkette REWE als Prototyp errichtet. Die ausgeklügelte, ab- und wiederaufbaubare Struktur ist dem Sortiment einen Schritt in die Zukunft voraus.


Text: Kraft, Caroline, Mannheim


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    Die Stützenköpfe erinnern an japanische Tempel. Sie sind jedoch verschraubt statt gesteckt.
    Foto: Jeva Griskjane

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    Die Stützenköpfe erinnern an japanische Tempel. Sie sind jedoch verschraubt statt gesteckt.

    Foto: Jeva Griskjane

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    Im Atrium und unter dem Dachüberstand soll Markt-Atmosphäre aufkommen. Obenauf wächst Basilikum.
    Foto: Jeva Griskjane

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    Im Atrium und unter dem Dachüberstand soll Markt-Atmosphäre aufkommen. Obenauf wächst Basilikum.

    Foto: Jeva Griskjane

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    Der Dachgarten versorgt auch umliegende REWE-Märkte mit Basilikum.
    Foto: hiepler, brunier

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    Der Dachgarten versorgt auch umliegende REWE-Märkte mit Basilikum.

    Foto: hiepler, brunier

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    Auch Tomaten könnten hier bald wachsen.
    Foto: Jeva Griskjane

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    Auch Tomaten könnten hier bald wachsen.

    Foto: Jeva Griskjane

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    Für eine effektivere Was­ser­verwertung gibt es eine Barsch-Zucht. Die Aus­scheidungen der Fische dienen als Dünger, die Pflanzen reinigen das Wasser.
    Foto: Jeva Griskjane

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    Für eine effektivere Was­ser­verwertung gibt es eine Barsch-Zucht. Die Aus­scheidungen der Fische dienen als Dünger, die Pflanzen reinigen das Wasser.

    Foto: Jeva Griskjane

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    Das Gewächshaus auf dem Dach sammelt auch Kondenswasser. Den Supermarkt versorgt das Glasdach mit Tageslicht.
    Foto: hiepler, brunier

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    Das Gewächshaus auf dem Dach sammelt auch Kondenswasser. Den Supermarkt versorgt das Glasdach mit Tageslicht.

    Foto: hiepler, brunier

Mit der Entwicklung von Märkten zu Supermärkten ist die stete Verfügbarkeit sämtlicher Lebensmittel normal geworden. Die Filialen sind oft Orte ohne Aufenthaltsqualität, künstlich beleuchtete Kaufhallen mit einem Überangebot an plastikverpacktem Obst – und doch unentbehrlich. Das Architekturbüro ACME hat im Sommer 2021 mit dem „Rewe-Market of the Future“ in Wiesbaden einen neuartigen Prototypen fertiggestellt. Dieser „Zukunftsmarkt“ arbeitet mit 72 lokalen und regionalen Betrieben zusammen. Hat er Potenzial, das Verhältnis zu Konsum und Lebensmitteln zu verändern?
Der Bus nach Wiesbaden-Erbenheim fährt erst einmal an der tempelhaften Rewe-Filiale vorbei, bevor er wendet und hält: Endstation. Das nächste Feld ist nicht weit – der „Markt der Zukunft“ liegt zwischen Autobahn und „Agrarzone“. Aus der Nähe wirkt der erste europäische Supermarkt mit Basilikum-Farm auf dem Dach kompakter als erwartet. Auch der Vorplatz ist grüner als üblich: Es wurden 31 neue Bäume gepflanzt, und die Bodenflächen des Parkplatzes sind weniger versiegelt als gewöhnlich. Hier finden 154 Autos Platz, zwei Ladesäulen stehen bereits, um vier E-Autos mit Strom zu speisen. Immerhin gibt es 30 Fahrrad-Stellplätze.
Beachtlicher in Sachen Zukunftspotenzial ist die Tragstruktur des Neubaus: 42 Holzstützen in einem Raster von acht auf acht Metern tragen das Dach mit dem Gewächshaus. Das in Form von verschränkten Gittern aufgebrachte Kiefern- und Lärchenholz ist heimisch und zertifiziert. Holz als vergleichsweise nachhaltiger Baustoff kann CO2 speichern – in Erbenheim sind es 700 Tonnen. Außerdem ist das Gebäude nach den Standards der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen ein „Greenbuilding“, und spart 40 Prozent Energie gegenüber einem herkömmlichen Supermarkt.
Hervorspringende Kapitelle aus je zwölf verschränkt gestapelten Holzbalkenschichten muten spielerisch an und sind doch eine durchdachte Konstruktion. Die Balken sind an den Kreuzungspunkten lediglich verschraubt und können somit, falls der Markt einmal nicht mehr Markt sein soll, gut demontiert und weiterverwendet werden. Nur bodennahe Teile sind aus Stahlbeton, alle anderen Teile reversibel.
Die Stützenstruktur ist an jeweils neue Lagen anpassbar. Filialen im ländlichen, vorstädtischen und städtischen Raum könnten mithilfe des Baukastensystems einfach und variabel errichtet werden. Als gestalterisches Hauptelement derartiger zukünftiger Rewe-Filialen sollen die umgekehrt-pyramidalen Holzsäulen als Tragstruktur dienen. Standorte in den Innenstädten würden mit eher kleiner Grundfläche und Farm auf dem Dach in die Höhe wachsen, während im ländlichen Raum Anbauflächen auch separat von den Verkaufsgebäuden liegen könnten. Das Dach kragt allseitig aus, sodass je eine Reihe der Stützenreihe samt Kapitellen schon vor Betreten des Gebäudes sichtbar ist. Diese überdachte Außenfläche soll – so die Theorie – als Verkaufsbereich für lokale Produkte genutzt werden.
Die Glasschiebetür öffnet sich und gewährt einen ersten Blick auf die von den Architekten versprochene „Marktplatz-Atmosphäre“. Auf dem Weg vorbei an Frischeabteilung, Schnittblumen in Plastikhüllen, Südfrüchten und Fleischtheke tröstet der Blick, der nach oben schweift: Hellgrün leuchten durch ein großes, mittig liegendes Atrium unzählige Basilikumpflanzen, die auf dem Dachgarten in kleinen Töpfchen gezogen werden. Unten im Verkaufsraum wird das Dachgarten-Basilikum im Nachhaltigkeits-Papierbeutel für 1,99 Euro feilgeboten. Zur Bewässerung dient Regenwasser. In Kombination mit einer Barschzucht wird der Wasserverbrauch für die Dachfarm erheblich reduziert. Zum Tragen kommt das Prinzip der „Aquaponik“: Das Abwasser der Fischzucht wird den Pflanzen als natürliches Düngemittel zugeführt. Die wiederum reinigen es – und reichern es mit Sauerstoff an. Sogar das Dunstwasser wird im Gewächshaus aufgefangen und den Fischbecken zugeführt. So werden jährlich etwa 800.000 Basilikumpflanzen und 10.000 Kilogramm Fisch produziert. In Zukunft sind auch Salat- oder Tomatenzucht vorstellbar. Eine Spindeltreppe in der seitlich liegenden Bäckerei mit Café führt auf die Dachgeschossebene. Hinter Glasscheiben ist das Basilikum-Meer sichtbar. Die Fischbecken bleiben der Kundschaft zwar verborgen, aber das Funktionsprinzip wird erklärt.
Durch das Glasdach des Atriums fällt, für einen Supermarkt untypisch, viel Tageslicht ein. Das erzeugt zumindest in der Mitte der Halle die angestrebte Marktplatz-Atmosphäre. Produkte aus der Region gibt es überdurchschnittlich viele, der Anteil an Plastikverpackungen ist jedoch gefühlt so hoch wie überall. Die Auswahl im Vegan-Regal ist so groß wie in Supermärkten ähnlicher Größe, doch es gibt zusätzlich ein unverpackt-Regal, einen regionalen Metzger und ein breiteres Bio-Sortiment.
Der „Market of the Future“ bleibt Filiale einer der größten Supermarktketten Deutschlands. Dass lokale Betriebe stärker eingebunden werden, ist löblich. Aber: Noch der schönste Supermarkt wird einen Markt unter freiem Himmel, wo Menschen zusammenkommen, nicht ersetzen. Die Architektur allerdings ist fraglos ausgeklügelt – fast stören die Supermarkt-Regale.
Die Liaison von Wiesbaden und Rewe ist übrigens nicht neu: Während der Biennale 2018 fand sich für rund eine Woche eine Rewe-Filiale unter den neobarocken Deckenfresken des Hessischen Staatstheaters. Die Aktion war laut Kuratorin als Warnung vor einer Gesellschaft gemeint, in der Kultur von Konsum verdrängt wird. Es gab Zweifel an dieser Wirkrichtung.



Fakten
Architekten ACME, Berlin/London
Adresse Berliner Str. 277-279, 65205 Wiesbaden


aus Bauwelt 1.2022
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