Bauwelt

Umbau des Zodiac-Sitzes in Le Locle


Die großen Zeiten mehrerer Uhrenfabriken in Le Locle und La Chaux-de-Fonds sind vorbei. Die Umnutzung von Leerstand in Wohnraum funktioniert gut, auch bei Zodiac. Der spätere Le Corbusier baute 1912 ganz in der Nähe sein zweites Haus, eine Uhrenfabrikanten-Villa.


Text: Adam, Hubertus, Zürich


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    In exponierter Lage oberhalb des Bahnhofs von Le Locle und des Stadtzentrums befanden sich die Produktionsstätten der Uhrenfabrik Zodiac.
    Foto: Roland Halbe

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    In exponierter Lage oberhalb des Bahnhofs von Le Locle und des Stadtzentrums befanden sich die Produktionsstätten der Uhrenfabrik Zodiac.

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    Nach langem Leerstand wur­den nun hinter die Fenster­bänder 20 Wohnungen eingefügt.
    Foto: Roland Halbe

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    Nach langem Leerstand wur­den nun hinter die Fenster­bänder 20 Wohnungen eingefügt.

    Foto: Roland Halbe

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    Wohnraum im obersten, Geschoss, das früher als Showroom für die Uhren diente. Alle Fenster mussten komplett ausgetauscht werden.
    Foto: Roland Halbe

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    Wohnraum im obersten, Geschoss, das früher als Showroom für die Uhren diente. Alle Fenster mussten komplett ausgetauscht werden.

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    Die Fensterbänder wurden nicht unterteilt. Schiebe­türen gliedern den Raum.
    Foto: Roland Halbe

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    Die Fensterbänder wurden nicht unterteilt. Schiebe­türen gliedern den Raum.

    Foto: Roland Halbe

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    Das Treppenhaus blieb nahezu originalgetreu erhalten.
    Foto: Roland Halbe

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    Das Treppenhaus blieb nahezu originalgetreu erhalten.

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    Die Rue Bellevue mit Vorfahrt und Eingang auf der Nordseite. Die alte Zodiac-Uhr an der Fassade ist leider verschwunden.
    Foto: Roland Halbe

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    Die Rue Bellevue mit Vorfahrt und Eingang auf der Nordseite. Die alte Zodiac-Uhr an der Fassade ist leider verschwunden.

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    Auf der Ostseite des Gebäudes führt ein alter Fußweg bis zum Eingang.
    Foto: Roland Halbe

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    Auf der Ostseite des Gebäudes führt ein alter Fußweg bis zum Eingang.

    Foto: Roland Halbe

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    Foto: Roland Halbe

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„Cité de Précision“ verkündet das Stadtmarketing auf Schildern an der Zufahrt nach Le Locle – der Ort im Neuenburger Jura gilt als eine der Wiegen der Schweizer Uhrenindustrie. 1705 etablierte ein zugewanderter Goldschmied und Uhrmacher hier sein eigenes Atelier. Von Industrie konnte im 18. Jahrhundert indes noch keine Rede sein: Die Arbeit erfolgte spezialisiert zumeist in Heimarbeit nach dem Muster des Verlagssystems, das zeitgleich auch die Textilindustrie bestimmte. Das protoindustrielle System basierte auf extremer Arbeitsteiligkeit, wobei die gelieferten Einzelteile schließlich in Manufakturen zusammengesetzt wurden. Erst im Laufe des 19. Jahrhunderts verstärkte sich die Mechanisierung, was zur Ablösung der handwerklichen Kleinbetriebe durch industrielle Fertigung und auch zur Ausbildung miteinander konkurrierender Marken führt.

Wie auch im nur acht Kilometer entfernten La Chaux-de-Fonds war die Wirtschaft komplett auf die Uhrenindustrie ausgerichtet – um 1900 stammte die Hälfte der weltweit produzierten Uhren aus den benachbarten Kleinstädten. Nach einem verheerenden Stadtbrand 1833 war auch der Wiederaufbau in Le Locle nach einem bis heute die Stadtgestalt prägenden Schachbrettmuster erfolgt, das zuvor schon in La Chaux-de-Fonds umgesetzt worden war. Der enge Talkessel von Le Locle behinderte allerdings die Ausdehnung, so dass La Chaux-de-Fonds die Schwesterstadt überflügelte. Die rationale Stadtplanung, aber auch die Tradition der Uhrenindustrie führten dazu, dass beide Städte gemeinsam 2009 zum UNESCO-Weltkulturerbe ernannt wurden.

Auch wenn Marken wie Tissot, Ulysse Nardin und Zenith in Le Locle gegründet wurden und zum Teil noch mit der Stadt verbunden sind, ist die große Zeit der Uhrenindustrie im Jura vorbei. Für Aufstieg und Niedergang des Wirtschaftszweigs mag paradigmatisch die Marke Zodiac stehen. Es war der Unternehmer Ariste Calame, der 1882 eine Uhrenfirma gründete, die zunächst unter seinem eigenen Namen, ab 1908 als Marke Zodiac produzierte. Zodiac gelang es, mit der Zeit zu gehen: Anfangs bestimmten Taschenuhren die Produktpalette, ab 1930 zunehmend die modischeren und sportlicheren Armbanduhren; ab den 1950ern begann man mit Taucheruhren, die schließlich sogar zur Standardausrüstung der US Navy Seals avancierten – Beleg nicht zuletzt für den Erfolg der Marke jenseits des Atlantiks. Der Niedergang erfolgte mit der Flutung des Marktes durch billige Quarzuhren fernöstlicher Provenienz, welche die Schweizer Präzisionsmechanik in ein hochpreisiges Nischendasein zwangen. Die Insolvenz von Zodiac 1990 wiederholte sich nach einem versuchten Neustart. 1997 endete die Produktion in Le Locle, während der Markenname vom US-amerikanischen Lifestyle-Konzern Fossil erworben wurde.

Funktionslos geworden aufgrund der finalen Insolvenz war auch das Fabrikgebäude von Zodiac, das an prominenter Stelle am steilen Hang direkt oberhalb des Bahnhofs liegt. Fast halsbrecherisch mutet es an, wie die einstige Fabrik sich an den Untergrund klammert: Der mehrfach für die Uhrenindustrie tätige Architekt Paul-André Davoine (von ihm stammt in Le Locle auch das Rolex-Gebäude an der Rue de France aus dem Jahr 1967) hatte zunächst 1956 an der – Nomen est Omen – Rue Bellevue ein über einem zurückspringenden Sockel auskragendes, horizontal geprägtes Werksgebäude mit Fensterbändern errichtet, das 1964 um ein Geschoss erhöht wurde. Zeitgleich entstand eine turmartig erscheinende Erweiterung Richtung Osten: Sechsgeschossig, talseitig vorspringend, durch Betonpfeiler nunmehr vertikal gegliedert und bekrönt von einem Geschoss mit großflächiger Verglasung, das einst als Showroom diente und einen grandiosen Blick über den Talkessel von Le Locle und die Hügellandschaft des Jura bietet.
Nach dem Produktionsende erlebte das Gebäude diverse Zwischennutzungen, bis sich der neue Eigentümer dazu entschloss, es für altersgerechtes Wohnen umzubauen und damit den Architekten Cédric Schärer aus Lausanne betraute. Nach seinem dortigen Studienabschluss an der EPFL 1995 verbrachte Schärer seine ersten Berufsjahre in Hong Kong, Tokio und New York, bevor er – zurück in der Schweiz – das Büro PRS-A mitbegründete; seit 2017 ist er mit eigenem Büro tätig.
Tief herabgezogene Fenster
Charakteristika des einstigen Firmengebäudes sind die tief herabgezogenen Fenster – mit der schmalen unteren Verglasung sollten die Arbeitstische der Uhrmacherinnen und Uhrmacher op­timal belichtet werden. Die bestehende Erschließung auf der Nordseite, die Orientierung Richtung Süden und die vergleichsweise geringe Bautiefe kamen einer Umnutzung in Wohnungen entgegen. Das Stahlbetontragwerk gewährte überdies einen hohen Grad an Freiheit bei der neuen Raumeinteilung. Abgesehen von der untersten Ebene, auf der sich Nebenräume und die Hausmeisterwohnung befinden, konnten pro Geschoss vier Apartments entstehen: kleinere und kompaktere, die direkt vom bestehenden Treppenhaus aus erschlossen werden und rein nach Süden orientiert sind – und die beiden größeren, welche über Korridore seitlich in die Gebäudestirnseiten ausgreifen und damit dreiseitig orientiert sind. Die Räume profitieren von den großzügigen Dimensionen der früheren Industriegeschosse, und der Architekt Schärer hat gut daran getan, den industriellen Charme auch im Inneren spürbar zu lassen. Beispielsweise sind die neu eingebauten Nasszellen in den mittleren Wohnungen so angeordnet, dass die Fensterfront nicht tangiert wird und der hallenartige Charakter mit freigestellten Betonstützen und sichtbaren Unterzügen weiterhin die Atmosphäre der Innenräume bestimmt. Schiebeelemente anstatt Türen erlauben es, die gesamte Raumhöhe auszunutzen, und wirken einer zu starren Kammerung entgegen.

Die Geschichte des Gebäudes wird nicht verschleiert, sie bleibt sichtbar – auf eine ganz selbstverständliche, nicht ostentativ-didaktische Weise. Beiläufig stößt man immer wieder auf einzelne Elemente der Vergangenheit, so etwa Reste des Aufzugsschachts im Erweiterungsbau. Sie werden durch das omnipräsente Weiß des Farbanstrichs neutralisiert, bleiben aber erkennbar. Ebenfalls bewahrt blieb das Fünfziger-Jahre-Treppenhaus. Aufgrund der für den Einbau der Fußbodenheizung und der Erzielung der Barrierefreiheit nötigen Anhebung des Fußbodenniveaus in den Geschossen mussten die Stufen allerdings mit Blech aufgedoppelt und die Geländer erhöht werden. Ergänzt wurde das Treppenhaus zuoberst in vereinfachter Form, so dass nun von hier aus auch die Wohnungen im Dachgeschoss erreicht werden.
Weltkulturerbe
Im Ursprungsbau erstaunt der sichtbar belassene hölzerne Dachstuhl, den man über der Stahlbetonkonstruktion kaum vermutet und für die Aufstockung in den 1960er-Jahren ange­hoben wurde. Auch hier sind gut nutzbare Wohnungen entstanden, wobei die aufgrund ihrer Raumhöhe und des Ausblicks spektakulärste den früheren Showroom von Zodiac nutzt. Zum Weiß sowie dem Holzton des Parketts treten nur ganz wenige Farbakzente, vor allem bei den Lifttüren im Inneren, deren Farbigkeit Schärer von den Jurabildern Charles L’Eplatteniers abgeleitet hat. Dieser unterrichtete an der Kunstwerbeschule im nahen La Chaux-des-Fonds und war unter anderem Lehrer des dort gebür­tigen Charles-Édouard Jeanneret, dem späteren Le Corbusier.
Auch außen strahlt das Gebäude nun in hellem Weiß. Durch Innendämmung blieb die Fassade mit ihrem typischen Relief erhalten. Im eigent­lichen Sinne unter Denkmalschutz steht der Zodiac-Bau nicht, doch befindet er sich innerhalb des Weltkulturerbe-Perimeters, in dem die Gesamtgestalt der Gebäude nicht verändert werden darf.



Fakten
Architekten Cédric Schärer, Lausanne
Adresse 3P5W+4F Le Locle, Schweiz


aus Bauwelt 15.2021
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