Bauwelt

Hauptstadtumbau: die Karimowisierung der Architektur

In autoritären Systemen bedienen sich Machthaber oft eines neuen Baustils, um die Identität des Staats zu festigen. Das ist im Fall von Usbekistan nicht anders.

Text: Fedorov, Alexander

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Das Haus der Ministerien im Jahr 2000, ...
    Foto: Philipp Meuser

    • Social Media Items Social Media Items
    Das Haus der Ministerien im Jahr 2000, ...

    Foto: Philipp Meuser

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    ... während des Umbaus 2005 und 2008.
    Foto: Philipp Meuser

    • Social Media Items Social Media Items
    ... während des Umbaus 2005 und 2008.

    Foto: Philipp Meuser

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Die oberen Geschosse abgebrochen und „karimowisiert“.
    Foto: Philipp Meuser

    • Social Media Items Social Media Items
    Die oberen Geschosse abgebrochen und „karimowisiert“.

    Foto: Philipp Meuser

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Der Hauptbahnof von Taschkent 2020 ...
    Foto: Philipp Meuser

    • Social Media Items Social Media Items
    Der Hauptbahnof von Taschkent 2020 ...

    Foto: Philipp Meuser

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    ... und im Jahr 2020.
    Foto: Leonid Andronov

    • Social Media Items Social Media Items
    ... und im Jahr 2020.

    Foto: Leonid Andronov

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Der Internationale Forum Palast gilt als das teuerste ...
    Foto: Zooey Braun

    • Social Media Items Social Media Items
    Der Internationale Forum Palast gilt als das teuerste ...

    Foto: Zooey Braun

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    ... und prunkvollste Gebäude in ganz Usbekistan.
    Foto: Zooey Braun

    • Social Media Items Social Media Items
    ... und prunkvollste Gebäude in ganz Usbekistan.

    Foto: Zooey Braun

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Das Hochhaus und Anbau der Verbrauchergenossenschaften, vor ...
    Foto: Archiv Alexander Fedorov

    • Social Media Items Social Media Items
    Das Hochhaus und Anbau der Verbrauchergenossenschaften, vor ...

    Foto: Archiv Alexander Fedorov

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    ... und nach der Karimowisierug
    Foto: Archiv Alexander Fedorov

    • Social Media Items Social Media Items
    ... und nach der Karimowisierug

    Foto: Archiv Alexander Fedorov

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Der Turkestan Palast wurde 1993 auf Initiative von Islam Karimow, zu Ehren des zweiten Jahrestages der Unabhängigkeit Usbekistans eröffnet.
    Foto: Philipp Meuser

    • Social Media Items Social Media Items
    Der Turkestan Palast wurde 1993 auf Initiative von Islam Karimow, zu Ehren des zweiten Jahrestages der Unabhängigkeit Usbekistans eröffnet.

    Foto: Philipp Meuser

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Im Foyer des Turkestan Palastes.
    Foto: Vsevolod Tyurkin

    • Social Media Items Social Media Items
    Im Foyer des Turkestan Palastes.

    Foto: Vsevolod Tyurkin

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    Der Restaurantkomplex „Zarafshan“ in den 1970er Jahren ...
    Foto: Archiv Alexander Fedorov

    • Social Media Items Social Media Items
    Der Restaurantkomplex „Zarafshan“ in den 1970er Jahren ...

    Foto: Archiv Alexander Fedorov

  • Bilderliste
    • Social Media Items Social Media Items

    ... und heute. Zuletzt wurde er 2010 umgebaut.
    Foto: Archiv Alexander Fedorov

    • Social Media Items Social Media Items
    ... und heute. Zuletzt wurde er 2010 umgebaut.

    Foto: Archiv Alexander Fedorov

Hauptstadtumbau: die Karimowisierung der Architektur

In autoritären Systemen bedienen sich Machthaber oft eines neuen Baustils, um die Identität des Staats zu festigen. Das ist im Fall von Usbekistan nicht anders.

Text: Fedorov, Alexander

Vor allem in den ersten fünfundzwanzig Jahren der Unabhängigkeit verfolgte der usbekische Präsident Islam Karimow bis zu seinem Tod 2016 einen radikalen Umbau der Hauptstadt Taschkent, den man als neo-usbekische Methode bezeichnen kann. Der Aktivist und Blogger Alexander Fedorov wuchs in der Stadt auf und beobachtet seit Jahren die bauliche Entwicklung kritisch. In seinem Text erläutert er, was er unter dem von ihm geprägten Begriff der Karimowisierung versteht.
Die ehemalige sowjetische Rohstoffkolonie Usbekistan erlangte 1991 ihre Unabhängigkeit. Der kommunistische Parteiführer Islam Karimow (1938–2016) übernahm auch im neuen Staat die Führungsposition und stützte seine Rhetorik wie viele seiner Amtskollegen in der ehemaligen UdSSR auf die Kritik an der Vergangenheit. Es galt, einen ideologischen Kern für ein unabhängiges Usbekistan zu schaffen. Karimow wollte beweisen, dass Usbekistan eine Nation ist, die tief in der Geschichte verwurzelt ist. Die Architektur wurde zu einem Spiegelbild dieser Veränderungen und entsprach den neuen gesellschaftlichen Anforderungen. Ein Anknüpfen an die vom ihm gepriesene mittelalterliche Größe erforderte jedoch auch eine spezifische architektonische Antwort. Wie schon bei Stalin sollte ein neuer Stil die politischen Ambitionen Usbe­kistans unterstreichen. Für den ersten Präsidenten Usbekistans war es wichtig, als ein Mann in die Geschichte einzugehen, der einen neuen Architekturstil hinterließ: prunkvolle Paläste mit einem Hauch von asiatischem Flair. Ihnen zuliebe wurde das sowjetische Bauerbe teilweise bis zur Unkenntlichkeit geschliffen. Diese Entwicklung setzt sich bis heute fort, auch wenn Karimow bereits vor acht Jahren verstarb. Als Vorbild für diese neo-usbekische Identität dienen die Vereinigten Arabischen Emirate und die Türkei.
Architektur per Dekret
Die Desowjetisierung nach der Unabhängigkeit erfolgte schrittweise. Erst 1994 führte die Staatsbank den usbekischen Sum als neue Währung ein. Zuvor hatte der russische Rubel noch als Zahlungsmittel gedient. Wie in autoritären Regimen üblich, übernahm Karimow als Staatsoberhaupt auch die Rolle des Chefarchitekten. Entsprechend unterzeichnete der Präsident ein Dekret mit dem Titel „Maßnahmen zur weiteren Verbesserung der Architektur und des Städtebaus in der Republik Usbekistan“. Darin legte er unter anderem fest, dass die Kommunen und Gebietskörperschaften binnen Jahresfrist einen Zeitplan zur Aufstellung neuer Generalpläne vorzulegen hatten. Außerdem legte Karimow fest, dass der Vorsitzende des usbekischen Architektenverbandes zugleich erster stellvertretender Bauminister des Landes sei. Die präsidiale Anordnung und deren Auslegung trug vor allem dazu bei, dass die Traditionen einer nationalen Architektur im Stadtbild von Taschkent deutlich sichtbar wurden.
Die Stadt Taschkent veränderte nach dem Erdbeben 1966 binnen zehn Jahren komplett ihr Gesicht. Die Bauten der Sowjetmoderne sind im Straßenbild überproportional sichtbar. Um die Erscheinung in kurzer Zeit zu verändern, lag es auf der Hand, den Bestand öffentlicher Gebäude mit einer schnellen Methode zu modernisieren und ihnen eine neue Hülle zu geben. Das Hauptmaterial der neuen Fassaden, mit dessen Hilfe die Karimowisierung durchgeführt wurde, waren dreischichtige Sandwichpaneele mit abwechselnden Teilen aus Aluminium und Kunststoff – Alucobond. Dieses Verbundmaterial wurde polygonal gestaltet, wie Origami in Form von orien­talischen Säulen, Bögen und Stalaktiten gefaltet und auf die alten Fassaden gelegt. Durch die bautechnisch erforderlichen Abstandshalter wirken viele Gebäudekörper dadurch unproportioniert, als sei nach einem üppigen Essen der Gürtel zu eng geworden. Um ein modernes Aussehen zu erreichen, wurden verspiegelte und dunkle Gläser sowie künstliche Granitfliesen – Keramogranit – in weißer oder schwarzer Farbe verwendet. Aus der Distanz wirkt dieses Material wie billiger Kunststoff. Damit wurden die zugegebenermaßen zum Teil unansehnlichen Fassaden aus der Sowjetzeit einfach überdeckt. Drei Jahrzehnte hatte es keinen Bauunterhalt gegeben. Quasi über Nacht trug die visuelle Veränderung dazu bei, einen usbekischen Futurismus zu suggerieren. Der Präsident, der in seiner Autokolonne durch die Straßen Taschkents fuhr, bemerkte diese Renovierung mit einem Seitenblick, der von den Beamtinnen und vom Bürgermeister als positives Zeichen für ihre Entscheidungen gewertet wurde. Die Zustimmung von höchster Stelle vereinfachte die Einfuhr dieser Materialien aus der Türkei in großen Mengen. Die Renovierung weiterer Gebäude erfolgte. Zunächst wurden nicht sehr ausdrucksstarke Zweckbauten mit neuen Fassadenmaterialien verkleidet.
Was erstmal wie ein Verlust sowjetmoderner Architektur bewertet werden musste, stellt sich heute allerdings als eine ungewollte Sicherung der baukulturellen Substanz dar. Denn die nur vorgehängten Alucobond-Platten haben die teilweise wertvollen Fassaden gegen weitere Witterungseinflüsse geschützt. Eine weitgehende Rückführung in den Originalzustand bleibt möglich, auch wenn sie bei vielen Immobilieneigentümerinnen ideologisch bislang nicht in Frage kommt. Zu schwach ist noch das Verständnis für die vergleichsweise hohe Qualität der sowjetischen Architektur und deren Verquickung von Architektur, Ingenieurwesen und Bauschmuck. Ein Beispiel für die architektonische Rückführung in ein originales Erscheinungsbild gibt es allerdings: den Eissportpalast Jubileiny, der in den Nullerjahren in ein Handelszentrum mit dem Namen Alpomish umgenutzt worden war. Die neue Fassade war ein vorbildhafter Ausdruck des Karimow-Stils. Doch mit dem Amtsantritt der neuen Regierung unter Shavkat Mirziyoyev wurde die Vorhangfassade aus Aluminiumprofilen und verspiegelten Glasbögen abgebaut. Das Gebäude erhielt sein historisches Aussehen und seine Funktion zurück. Die Materialien, aus denen die ursprünglichen Fassaden gefertigt worden waren, entsprechen allerdings nicht mehr dem Originalzustand, und die monumentalen Kunstobjekte aus der Sowjetzeit gingen verloren. Dennoch kann der Eissportpalast zu einer neuen Wertschätzung der sowjetmodernen Baukunst in Taschkent beitragen.
Die neo-usbekische Methode
Auch wenn die Karimow-Periode in Teilen noch nicht ganz abgeschlossen ist, lassen sich schon heute zwei unterschiedliche Strategien erkennen: Der erste Entwurfsansatz kann als die Verkleidungs-Methode bezeichnet werden. Die Fassaden von öffentlichen Einrichtungen und Verwaltungen werden funktional, schnell und kostengünstig mit billigen Fassaden abgedeckt. Die Gebäude erhalten ohne gravierende Beschädigungen der Konstruktion oder Bausubstanz ein völlig neues Erscheinungsbild. Zu dieser Art der Umgestaltung gehören der Hauptbahnhof von Taschkent, der 1968 kurz nach dem Erdbeben neu errichtet worden war, sowie das ehemalige Haus der Verbraucherkooperation, das Gebäude der Ministerien am ehemaligen Lenin-Platz und das Restaurant Zarafshan, die alle 1974 fertig­gestellt wurden.
Der zweite Entwurfsansatz ist eine Neuinterpretation von Architekturformen, die vor der russischen Kolonisierung das bauliche Ausdrucksmittel waren. Man kann sie als neo-usbekische Methode bezeichnen. Sie basiert auf der Erforschung der nationalen Architektur und deren Umsetzung mit modernen Materialien unter Einbeziehung von Spezialisten der angewandten Volkskunst und Handwerkern: Meisterinnen der Holzschnitzerei, der Gipsschnitzerei und der na­tionalen Monumentalkeramik. Als Beispiele lassen sich der Turkestan-Palast von 1993, das Timu­riden-Museum von 1996 und das Gebäude des Oliy Majlis (usbekisches Parlament) von 1997 nennen. Das dominanteste Gebäude der Karimow-Zeit bleibt der Internationale Forum-Palast, der im Jahr 2009 fertiggestellt wurde.
Noch ist es schwer vorstellbar, dass der Architekturstil der Karimow-Ära in Zukunft zu einer anerkannten Epoche gezählt werden wird. Das liegt nicht nur am ästhetischen Versagen der Architektinnen oder an der Ignoranz gegenüber einer evolutionären Geschichtsschreibung, sondern vielmehr an der schlechten Qualität der Materialien und deren Ausführung. Viele architektonische, stilistische und ingenieurtechnische Lösungen sowie unlogische städtebauliche Maßnahmen werden in den kommenden Jahren aufgrund des Bevölkerungswachstums und der Umweltprobleme in der Region auf die Probe gestellt werden. Es ist davon auszugehen, dass die meisten Bauten als unangemessen angesehen werden. Auf der anderen Seite lehrt uns die Baugeschichte des 20. Jahrhunderts, dass die Bewertung von architektonischen Qualitäten in jeder Nachfolgegeneration neu vorgenommen wird.
Aus dem Russischen von Philipp Meuser

0 Kommentare


loading
x
loading

10.2024

Das aktuelle Heft

Bauwelt Newsletter

Das Wichtigste der Woche. Dazu: aktuelle Jobangebote, Auslobungen und Termine. Immer freitags – kostenlos und jederzeit wieder kündbar.