Bauwelt

Szenenwechsel

Kaye Geipel, langjähriger stellvertretender Chefredakteur, verließ zum September die Bauwelt. Ein Aufriss über Wendepunkte, Chancen und Krisen der letzten 30 Jahre.

Text: Geipel, Kaye, Berlin

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Während der Debatte zur Stadtbauwelt 221 „Teaching the City“
Foto: Jasmin Schuler

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Während der Debatte zur Stadtbauwelt 221 „Teaching the City“

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Szenenwechsel

Kaye Geipel, langjähriger stellvertretender Chefredakteur, verließ zum September die Bauwelt. Ein Aufriss über Wendepunkte, Chancen und Krisen der letzten 30 Jahre.

Text: Geipel, Kaye, Berlin

Aufbrüche | Geometrie gehört zum Einmaleins der Ausbildung – aber man startet seinen Weg als Architekt selten auf schnurgerader Linie. Ich jedenfalls nicht. Bei mir bestand der Griff ins Ungewisse in der Lust am Transgressiven. Ich wollte nicht nur Architekt, sondern auch Stadtplaner und Schreibender werden. Eine Anmaßung. Wie umsetzen? Im Halbjahres-Rhythmus vom einen zum anderen Feld zappen?
Geschrieben hatte ich nach dem Studium für einige Architekturzeitschriften, Planungserfahrungen in Frankreich, Japan und Italien gesammelt. In einer Mailänder Buchhandlung zog ich Aldo Rossis „L’architettura della città“ aus dem Regal, eine poetische Erweckung, worin die Qualitäten der Stadt bestehen müssten. Bei der wiederholten Lektüre kamen mir angesichts der Differenz zwischen Rossis Forderung, die Stadt aus den Materialien ihrer Geschichte zu erschließen und der zu Anfang der neunziger Jahre konkurrierenden Vielzahl von Stadterneuerungskonzepten Zweifel. Ein hartnäckiger Gedanke machte sich in mir breit: „Die Idee der künftigen Architektur – und mit ihr die der Weiterentwicklung der Stadt – findet sich zuerst im Austausch mit ihren Machern.“
Für ein anvisiertes Buchprojekt reiste ich in zehn europäische Städte, mehr als 60 Gespräche mit Planerinnen und Architekten kamen zustande. Ich traf auf viel Aufbruchstimmung. In Rotterdam erklärte mir der Planungschef den anstehenden Umbau der Dockanlagen des Kop van Zuid, Vorbild für die spätere Reaktivierung vieler anderer europäischer Hafenanlagen und für die Verbindung ehemals getrennter Stadtteile. Im opulenten Lesesaal des Hotel New York, früheres Hauptgebäude der Holland-America-Lijn, staunte ich über die niederländischen Reuse-Strategien angesichts einer kurz zuvor noch vergammelten Ruine. In Wien geriet ich eines Abends im September 1992 zufällig in die wilde Debatte einer Armada von Architekten zum Metropolen-Streit. Auf die Frage nach der Architekturform für Wiens (damals prognostizierte) 400.000 neue Einwohner standen hier alle Utopien der sechziger Jahre im Raum, von einem Revival der Megastrukturen bis hin zum metaphysischen Superstudio-Ideal. Wieder einige Wochen später hörte ich in Brüssel, wie der Abrisskapitalismus der siebziger Jahre ein urbanes Desaster hinterlassen und einen eigenen Namen – Bruxellisation – bekommen hatte, aber auch zu wirkungsvollem Widerstand führte.
René Schoonbrodt, knorrige Leitfigur dieses Widerstands und Städtebau-Berater der EU, der damals das erste ökologische EU-Weißbuch schrieb, erzählte mir von der Bedeutung der „weichen Räume“. In den vernachlässigten Außenräumen der Häuser müssten die Bedingungen der Architektur im Sinne der Bewohnerschaft jetzt neu verhandelt werden – im Substrat eines viel breiter gefassten öffentlichen Raums, der vor der eigenen Haustür beginnt, dort, wo soziale, und ökologische, räumliche und politische Kräfte aufeinanderstoßen. Schoonbrodts umfassender Blick auf die Stadt war für mich ein entscheidender Bezugspunkt.
Kraft der Architektur | Im Januar 1995 erfolgte mein Einstieg als Redakteur bei der Bauwelt – eine weitgehendere Entscheidung für das Schreiben und die Architekturkritik, als ich damals vorhersehen konnte. Die Bauwelt lockte mit dem Angebot, beispiellos breite Themenfelder zu bespielen. Das damalige Cover gab sich erstmal sperrig. Viel Weißraum verkapselte ein kleines Schwarzweiß-Bild und wenige Zeilen wohlformulierten Texts. Von Ferne sah jede Ausgabe gleich aus, doch innen passierte das Gegenteil. Wegen ihrer damals wöchentlichen Erscheinungsweise konnte sich die Bauwelt neben den You-must-them-publish-Bauten der Stars viel gründlicher mit jenen Bauten auseinandersetzen, die Vorbild für gesellschaftliche Veränderung waren.
Ein solcher Augenöffner war für mich ein Museumsturm im mittelenglischen Wallsall, die „Art Gallery“ der Architekten Caruso St. John samt angrenzendem neuem Pub von Sergison Bates. Ich besuchte im April 2000 einen jener Orte, die Patrick Keiller in seinem Film „Robinson in Space“ als moderne Abfallstädte dokumentiert hatte. Orte, die Opfer einer Politik geworden waren, die dem globalen Londoner Finanzmarkt den roten Teppich ausbreitete, während sie die ehemaligen Industriestandorte vor sich hinschrotten ließ und ihre Bewohner vergaß. Die breiten Treppen des Museums und die großen holzvertäfelten Räume machten das neue Wahrzeichen zu einem Wohnzimmer für die ganze Stadtbevölkerung. Eine lokale Kunstsammlung wurde für alle nahbar und als Teil der in die Gegenwart reichenden Stadtgeschichte verständlich aufbereitet, die zu allen Seiten des Turms platzierten großen und kleinen Fenster auf die verschmähte Stadt sorgten für Selbstbewusstsein. Ich bin diese Treppen später in Gedanken öfters hochgestiegen, vergegenwärtigte mir die Qualität dieses beispielhaften öffentlichen Raums und fand eine Antwort auf die Frage: „Was kann Architektur?“ Sie kann, im Zusammenspiel mit einer entsprechenden Programmierung und einer engagierten Bauherrschaft, einen Teil jener Heimat rekonstruieren, der im Zuge der Deindustrialisierung in vielen Städten Europas zerstört worden war.
Die Suche nach dieser speziellen Kraft der Architektur hat mich in den kommenden Jahren umgetrieben. Ich erlebte ihre Schlagkraft im Anfang 2000 wiederentdeckten, vielfältig umsetzbaren Polykatoikia-Stadtbaustein in Athen, einem seit der Nachkriegszeit praktizierten Modell für eine ausgeklügelte Nutzungsmischung, die den Besitz der Stadt bei den Bewohnerinnen und nicht bei anonymen Eigentümern belässt. 2008 fand ich diese Kraft in den Raum-Verschwendungen von Lacaton Vassals Architekturschule in Nantes mit der Möglichkeit, auf dem Dach der Schule ganze Kirmes-Veranstaltungen stattfinden zu lassen. Ich war begeistert von den knallbunten Community-Centers der Madrider Architekten Selgas Cano, die in Städten wie Cartagena und Plasencia kulturelle Mittelpunkte ohne Rückgriff auf die Hochkultur produzierten. Und ich fand diese Kraft im Erfindungsreichtum junger Architektinnen beim Bauwelt-Preis 1:1 für das erste Haus, die auf eigene Initiative kleine öffentliche Räume zu ihren Bauten hinzuaddierten, wo den Kommunen dafür die Mittel fehlten.
Charlottenburger Stahlregal | In den frühen Nullerjahren erreichte die Krise Deutschland, und mit den Lehmann Brothers breitete sie sich 2008 wie Gift über die Handlungsmacht der Architekten aus. Architektur war nichts mehr wert. Auch das Selbstverständnis der Bauwelt stand in Frage: Wir veröffentlichen vorbildliche Projekte, aber welche Bedeutung hat der herausragende Einzelfall angesichts der systemischen Krise? Das Augenmerk wechselte nun noch entschiedener von der Architektur zur Stadt und zu gesellschaftlichen Fragen, bei deren Beantwortung oft das Bauwelt-Archiv in der Redaktion half. Auf einem wandhohen Stahlregal sind alle Bände der Bauwelt seit 1910, gebunden in dicken Bänden mit gelbem Rücken, einsortiert. Dazu gibt’s ein völlig zerlesenes Inhaltsverzeichnis. Fast zu jedem Ort finden sich dort im Lauf der Jahrzehnte Bauten, Wettbewerbe und skizzierte Konzepte, die das Material der Stadt, von dem Rossi sprach, anschaulich sichtbar machten. Nicht selten lieferte uns dieses Material dann auch eine erste Basis, wenn wir zu den Themen der Stadtbauwelt – zur Bodenfrage, Verdichtung, zu Gemeinschaftsräumen, der inneren Sicherheit oder den Terrains der neuen IBA – entsprechende Beispiele suchten.
Großer Maßstab | In Deutschland hat es lange eine Art Tiefschlaf über die Möglichkeiten der Planung gegeben, die der Stadtplanung im Zuge der ökologischen Transformation in die Hände gelegt wurden. 2014, als wir in Stadtbauwelt 203 sechs Planungsdezernenten und Baubürgermeistern die Frage stellten, „Wie mutig ist die deutsche Stadtplanung?“, beantwortete dies der damalige Kölner Baudezernent und heutige Hamburger Oberbaudirektor Franz-Josef Höing so: „Am Ende des Tages baut die Stadt, bauen die Kommunen nicht selbst. Doch sie müssen den Weg vorzeichnen. Diese Rolle füllen wir heute aber noch nicht so aus, wie es notwendig wäre.“ Dazu fehlt in Deutschland häufig sowohl die Streitlust am Urbanen als auch eine Argumentationskultur, die Stadt und Land als Zwillingsschwestern versteht, in der sich die eine nicht ohne die andere verändern lässt.
Meine Gegenerfahrung ist die mehrmalige Einladung als Juror beim französischen Städtebaupreis „Grand Prix de l’Urbanisme“, der jährlich sowohl an Stadtplaner, an stadtorientierte Architekten wie an Landschaftspla­nerinnen verliehen wird. Nach der Vorauswahl müssen die ausgewählten Kandidaten – meistens drei – in einem dann publizierten Text ihren beruflichen Weg beschreiben und dabei nicht nur die Leitmotive ihrer Arbeit deutlich machen, sondern auch die für sie wichtigen Stellschrauben der heutigen Stadtentwicklung in Worte fassen – kurz, über ihre Projekte hinausdenken. Ich habe aus diesen Juries eines mitgenommen: Die Qualität einzelner Projekte wird umso deutlicher, wenn Architekten nicht nur ihre Entwürfe blendend erläutern können, sondern sich die Mühe machen, ihren Standpunkt zur räumlichen Artikulation von städtischen Interessen im Sinne des Gemeinwohls offen zu legen.
Bauwelt-Kongresse | Etwas von dieser von den Planerinnen und Architekten geforderten „Verantwortung fürs Ganze“ haben wir in den seit 2014 jedes Jahr unter einem neuen Thema stattfindenden Bauwelt-Kongressen umzusetzen versucht. Die Entwicklung des Konzepts in der Redaktion dauert ein halbes Jahr, und sie ist jedes Mal eine Herausforderung. Was sind die zentralen Themen der Stadtentwicklung, welche Herausforderungen gibt es, welche Positionen der Architektur wollen wir hervorheben? Bis ins Heute wirken Heft und Konferenz zur „Produktiven Stadt“ (2016) als Gegenprojekt zu jenen Exzessen der Globalisierung, die Städte fast vollständig von ihrer lokalen Produktion trennt. Ähnlich einflussreich das Heft und die Konferenz zur Digitalen Stadt (2019), weil sie die Bedeutung der Digitalisierung für die ökologische Transformation aufzeigten, gleichzeitig aber auch den drohenden Bedeutungsverlust in der Planungskompetenz sichtbar machten. Die Stadtbauwelt zur Transformation der Straße als Vorbereitung zur Konferenz der 15-Minuten-Stadt (2022) zeigte dann die Möglichkeiten dieser Raumressource für die Zukunft. Zu diesem Aspekt blieben die Zusprüche jedoch eher bescheiden. Zu disparat sind nach wie vor die Planungskompetenzen zwischen Verkehrs- und Stadtplanern, zu groß das Zögern unter Stadtplanern und Architekten, diesen horizontalen Mobilitätsraum als Teil einer weitergedachten grün-grauen „Erdgeschossarchitektur“ zu verstehen.
Neue Narrative | Wenn ich jetzt den Schreibtisch in der Schlüterstraße verlasse, stellt sich mir die Frage vom Anfang nochmal neu: Was ist heute aus dem Optimismus der neunziger Jahre angesichts der Vielzahl heutiger Herausforderungen ­– Klima- und Energiekrise, Finanzialisierung, soziale Polarisierung und demographischer Wandel – geworden? Auf der einen Seite steht der positive Aufbruch, den uns die neue Wertschätzung des öffentlichen Raums durch Corona vor Augen geführt hat. Auf einer Vielzahl von räumlichen Ebenen gilt es, ökologische Kooperationen der Stadt zu entwickeln, denen die Digitalisierung zur Seite stehen kann: Stichwort grüne und blaue Infrastruktur. Auf der anderen Seite steht die Enteignung der Bewohner an Grund und Boden der Stadt durch die digitale und finanzielle Systemsteuerung, die Benjamin Bratton in seiner monumentalen Zukunftsvision „The Stack“ anschaulich gemacht hat. Die Kannibalisierung der weltweiten Raumressourcen geht munter weiter, und mit ihr fällt eine Idee von städtischem Gemeinwohl und einer Architektur, die diese artikuliert, schlicht durchs Raster.
Europäische Stadtlektüren | In Bezug auf ganzheitliche Quartiersentwicklung im Spannungsbereich von Architektur und Stadtplanung bot mir Europan einen andauernden Realitäts-Check des Machbaren. Der euro­paweite Ideenwettbewerb für junge Planerinnen und Architekten konfrontiert alle zwei Jahre eine gute Handvoll paradigmatischer Quartiersstand­orte in deutschen Städten auf der Suche nach neuen Lösungen mit vergleichbar „lösungssuchenden“ Standorten in den Nachbarländern. Der Wettbewerb mit jeweils 50 bis 60 Standorten gleicht einem Wasserstandsmesser, was sich die „European City“ unter den aktuellen Bedingungen zutraut. Eines wird dabei deutlich: Ein normatives formales Modell einer vorbildlichen europäischen Stadt kann es nie geben. Er gibt etwas Bes­seres: einen von Malmö nach Marseille, von Porto nach Warschau reichenden möglichen Lernprozess, der aus dem Vergleich mit den nahen und fernen Nachbarn Selbstbewusstsein schöpft.
Denn nirgendwo sonst auf der Welt gibt es eine vergleichbare dichte Nähe polyzentrischer Stadtentwicklung bei jeweils – das ist entscheidend – etwas anderen Ausgangsbedingungen. Diese Unterschiede funktionieren wie ein Trigger. Im diagonalen europäischen Vergleich sehen sich gerade auch kleinere Stadtverwaltungen mit wenig Planungsressourcen in die Lage versetzt, anspruchsvollere Projektziele zu formulieren und po­litisch durchzusetzen, wo zuvor nur ein Weiter-so im Raum stand. Dann sind plötzlich, über ein Denken in Szenarien und ein entsprechendes Regelwerk, koordinierte Nutzungsprogramme in einem leerstehenden Industriegelände möglich, die vorher nicht vorstellbar waren, dann wird Architektur als Beteiligungsprozess vieler Eigentümer in Bewegung gesetzt, wo vorher nur ein einzelner Investor den großen Befreiungsschlag liefern sollte.
Dauerlauf Wohnungsbau | Anfang der Woche rief mich eine Autorin an, die, gerade von einem Wochenendbesuch in London zurückgekehrt, eine Bildrecherche von den neuesten Absurditäten des dortigen Immobilienmarkts mitgebracht hatte: Die Quartiere mit den Terrace houses dürfen zwar baurechtlich nicht mehr angefasst werden. Dafür gehen die Entwickler jetzt drei bis vier Geschosse in die Tiefe, untergraben die Stadt mit blinkenden Souterrains, Pools und Angestelltenwohnungen und erreichen somit weitere, sagenhafte Wertsteigerungen. Solche Nachrichten gleichen längst Slapstick-Botschaften: Je doller, desto hypnotischer wirken sie auf uns. Gibt es angesichts der Dauerkrise bezahlbaren Wohnraums überhaupt so etwas wie die zukunftweisende Weiterentwicklung von Wohnkonzepten, deren Messlatte wir an die enttäuschende Produktion der Gegenwart legen können?
Dietmar Steiner, langjähriger Direktor des Wiener AzW endete 2016 sein dickes und prächtig formuliertes Vermächtnis auf die Architekturentwicklung der letzten Jahrzehnte mit dem Verweis auf Prince Charles’ Vorzeigeortschaft Poundbury, mit der Rückkehr der kleinen sympathischen Ortschaft, in der das Lebenswichtige in Rufweite des eigenen Häuschens zur Verfügung steht. Die sozial gemischte Großstadt, so die inhärente Botschaft, ist längst verloren. Zugegeben, diese Vision ist verlockend, und in einem hat sie bereits Recht erhalten: Sie spiegelt sich heute in der Stadtflucht vieler, die sich die Dependance im grünen Vorstadt-Dorf dank Homeoffice leisten können. Aber das Statement vergisst auf die Bedingungen einzugehen, unter denen diese idyllische Wohn-Mixtur entstanden ist, insbesondere ihre Entkoppelung von Gewerbe und Verkehrsinfrastrukturen, aber auch ihre sozial homogene Bewohnerschaft. Ich bin überzeugt, dass eine Architektur, die die Uhren nochmal in eine nie dagewesene Vergangenheit zurückdrehen will, für die sozialen und urbanen Aufgaben der Gegenwart wenig anbieten kann. Vorbildliche Modelle haben nur eine Chance, wenn sie sich innerhalb der aktuellen Bedingungen der existierenden Stadt realisieren lassen, mit ihren Brüchen, ihrer Kultur, ihrem Verkehr, ihren Produktionsstätten, und, nicht zuletzt, ihrem Freiraum für Andersdenkende, so wie ihn die siebziger und achtziger Jahre noch boten.
Dafür bedarf es anderer Voraussetzungen als für den finanzialisierten, von den Kommunen meist nolens volens durchgewunkenen Mainstream: endlich neue legislative Strukturen von Seiten der Städte, ambitionierte Pilotprojekte und Kämpferinnen, das heißt, Architektur- und Stadtschaffende, die sich im langen Dauerlauf ihrer Projekte für das Gemeinwohl im Wohnungsbau engagieren. In München zum Beispiel bogevischs buero und seit kurzem summacumfemmer, in Zürich Enzmann Fischer, in Wien PPAG, in Berlin Heide & von Beckerath und in Dijon Sophie Delhay, um nur einige meiner Heldinnen zu nennen. Aus Berliner Perspektive bleibt die bohrende Frage, warum die Stadt seit der IBA 1987 kein relevantes, weit über die Stadt hinauswirkendes Programm über die notwendige Qualität des ganz normalen Wohnungsbaus zustande gebracht hat. Ein Hoffnungsschimmer könnte die ökologische IBA sein, die weit ins Umland hinausgreift.
Der Autor, Kaye Geipel, war von 1995 Redakteur und von 2011 bis 2022 stellvertretender Chefredakteur der Bauwelt.

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