Bauwelt

Von Pavillons, Zelten und Segeln

Günter Behnischs Dortmunder Sonnensegel gehört zu den ikonenhaften (temporären) Schalen- und Zeltbauten der deutschen Nachkriegsarchitektur. Im September wurde die denkmalpflegerische Instandsetzung vollendet.

Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf

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Das Sonnensegel auf der Bundesgartenschau „Euroflor“, 1969
Foto: Informationsdienst Holz

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Das Sonnensegel auf der Bundesgartenschau „Euroflor“, 1969

Foto: Informationsdienst Holz


Von Pavillons, Zelten und Segeln

Günter Behnischs Dortmunder Sonnensegel gehört zu den ikonenhaften (temporären) Schalen- und Zeltbauten der deutschen Nachkriegsarchitektur. Im September wurde die denkmalpflegerische Instandsetzung vollendet.

Text: Maier-Solgk, Frank, Düsseldorf

Vielleicht ist in der Geschichte der deutschen Nachkriegsarchitektur die Rolle von Parkanlagen als Ort und Rahmen für experimentelle Architektur noch nicht ausreichend gewürdigt worden. Im Dortmunder Westfalenpark wurde im September das sogenannte Sonnensegel von Günter Behnisch, eine hyperbolische Paraboloidschale aus Holz, die 1969 anlässlich der Doppelveranstaltung von Bundesgartenschau und europäischer Gartenbauausstellung Euroflor errichtet wurde, nach mehrjährigen Sanierungsarbeiten fertiggestellt. Unter einem freitragenden, 1200 Quadratmeter großen Zeltdach, das sich zwischen zwei jeweils gegenüberliegenden Hoch- und Ankerpunkten in doppelter Krümmung und in erstaun­licher Dynamik erhebt – die beiden Hochpunkte erreichen eine Höhe von 18,50 und 13,50 Meter – versammelten sich seinerzeit die Gartenschau­besucher und -besucherinnen zu den zentralen Informations- und Vortragsveranstaltungen. In den letzten Jahren war der ursprünglich nur tempo­rär geplante Experimentalbau witterungsbedingt baufällig geworden; sogar ein Abbruch erschien zeitweise als unvermeidlich. Irgendwann trat die Denkmalpflege mit Hinweisen auf die Bedeutung auf den Plan; eine Machbarkeitsstudie im Jahr 2017 durch die Wüstenrot Stiftung bildete dann die Grundlage für eine verhältnismäßig aufwendige Sanierung, die nach einem Instandsetzungskonzept des Ingenieurbüros Knippers Hel­big erfolgte: Die stählernen Spannseile wurden ebenso ausgetauscht wie die maroden drei Holzstützen, die mit dem feuchtigkeitsreduzierenden Essigsäureanhydrid behandelt wurden, um die Ansiedlung von Pilzen oder Insekten zu verhindern. Hinzu kam auch der Austausch von fast der Hälfte der Fläche der Holzmembran – verwendet wurde überwiegend Nadelholz –, für die ein das gesamte Bauwerk einfassendes Raumgerüst aufgebaut werden musste. Bei Kosten, die sich auf gut 2, 7 Millionen Euro beliefen und zu gleichen Teilen durch die Wüstenrot Stiftung und die Stadt Dortmund getragen wurden. Die Arbeiten sind abgeschlossen; derzeit wird die Fläche unter dem Dach für zukünftige Veranstaltungen vorbereitet und die Begrünung im Umfeld erneuert.
Die Wüstenrot Stiftung hat Erfahrung bei der Sanierung von ikonischen Gebäuden – mit einem Schwerpunkt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. „Wir interessieren uns vor allem für diejenigen Fälle, bei denen die Erforschung und schließliche Sanierung auch Erkenntnisgewinne zum Beispiel über die verwendeten Materialien verspricht“, berichtet der Leiter des Denkmalprogramms der Stiftung, Philip Kurz. Dass dabei in den letzten Jahren vermehrt Objekte in den Blick kamen, bei denen der Denkmalschutz und eine Sanierung noch keineswegs selbstverständlich sind, ist durchaus gewollt.
Im Fall der frühen Dortmunder Arbeit von Günter Behnisch, dessen 100. Geburtstag im kommenden Jahr gefeiert wird, sprachen mehrere Gründe für den Erhalt: Der Pavillon war 1967 von der Arbeitsgemeinschaft Holz e.V. (ARGE Holz) als Demonstrationsobjekt für fortschrittlichen Holzbau finanziert worden. Während zuvor der spanisch-mexikanische Architekt Félix Candela und in der ehemaligen DDR Herbert Müller und Ulrich Müther mit Schalenbauten aus Beton bereits experimentiert hatten, gilt das Sonnensegel als erstes zugbeanspruchtes Holzflächentragwerk in Deutschland; Holz war also früher schon, nicht erst im Zusammenhang aktueller ökologischer Überlegungen, einmal ein Zeichen von Fortschritt. Vor allem aber gilt Behnischs Segel als ein Vorläufer des Münchner Olympiageländes von 1972, in dem die deutsche Nachkriegsarchitektur bekanntlich ihren locker-elegant-demokratischen Höhepunkt feiern sollte. 1967, also noch vor der Fertigstellung des Dortmunder Segels, hatte Behnisch den Wettbewerb für München gewonnen.
Form follows technology: Was die Form betrifft, so hatte Behnisch sich in Dortmund an dem Musikpavillon orientiert, den der Architekt und Tragwerksplaner Frei Otto vierzehn Jahre zuvor auf der ersten deutschen Gartenschau 1955 in Kassel errichtet hatte, freilich damals in der Karlsaue noch aus Textilien, doch in einer ähnlich beschwingten Weise, die wiederum von der Nierenform der 1950er-Jahre nicht so weit entfernt ist. Erwähnt werden muss auch Frei Ottos sogenanntes Sternwellenzelt über der Tanzfläche des Tanzbrunnens auf der Bundesgartenschau von 1957 in Köln sowie der gemeinsam mit Rolf Gutbrod entworfene Pavillon auf der Weltausstellung von 1967 in Montreal; die dortige Zeltlösung führte schließlich zu dem von Günter Behnisch wiederum in Zusammenarbeit mit Frei Otto entwickelten Münchner Olympiagelände, wo die Materialfrage zugunsten von Acrylglas entschieden wurde und die Hauptlasten von starken Stahlseilnetzen getragen wurden. Dort entstand jene großflächige, ein ganzes Gelände zusammenbindende Zeltarchitektur, die in der hügelig-gewellten Parklandschaft eine Art Fortsetzung erfuhr. Das gesamte Olympiagelän­de wurde als „Landschafts-Architektur“ wahrnehmbar, in der die technische Gestalt der Ingenieurskunst und die Landschaftsgestaltung (Günther Grzimek) sich ergänzten. Die Formen der Natur und die der technischen Gestalt, wie das zusammenpasst, das wird man nun ab dem kommenden Frühjahr auch unter dem Dortmunder Sonnensegel wieder prüfen können.

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