Geht doch!
Ein Buch über bezahlbares Wohnen
Text: Meuser, Philipp, Berlin
Geht doch!
Ein Buch über bezahlbares Wohnen
Text: Meuser, Philipp, Berlin
Manchmal neigen Autoren im Eigenverlag dazu, ihren Büchern einen Titel zu verleihen, der es Bibliothekaren und Buchhändlern schwer macht, sie im richtigen Regal einzuordnen. Glücklicherweise hat Klaus Wehrle bei seinem „Buch über bezahlbares Wohnen“ einen eindeutigen Untertitel gewählt. Gemeinsam mit seinen beiden Kindern Hannah Wehrle und Jonas Wehrle (beide Masterstudierende der Architektur) hat der Freiburger Architekt und Projektentwickler im Frühjahr 2020 seinen Titel „Geht doch!“ veröffentlicht. Darin erklären die Wehrles in sechs Kapiteln ihre Familienphilosophie, in projektierten Baugemeinschaften bis zu 20 Prozent geringere Baukosten für qualitativ hochwertigen Wohnungsbau zu realisieren. Wer nun ein Buch über kostengünstiges Bauen erwartet, hat jedoch falsch ins Regal gegriffen. Bezahlbar heißt für die Wehrles: Kaufpreise unter 4000 Euro (Baupreisindex von heute). Auch wenn in den sieben vorbildlich dokumentierten Kostenfeststellungen die Kostengruppen nach DIN 276 transparent beziffert sind, bleibt es bei Objekten, die sich nur eine gutverdienende Familie im Raum Stuttgart und Freiburg leisten kann. Das ist kein Manko des Buchs. Was bei den Beispielen auch auffällt: Von den sieben Beispielen sind sechs Neubauten auf der grünen Wiese. Auch das ist kein Manko, entspricht das drei- bis viergeschossige Mehrfamilienhaus mit umlaufendem Garten der meistverbreiteten Wohnhaustypologie in Deutschland. Was dem Buch auf seinen weißen Seiten fehlt, ist die provokative Auseinandersetzung mit den Problemen des heutigen Wohnungsbaus. Es werden Diagramme analysiert, die man auch an anderer Stelle lesen kann.
Was die 250 Seiten mit sichtbarer Fadenheftung umso lesenswerter macht, sind die auf schwarzen Seiten eingestreuten Interviews mit sieben Akteuren, die jeder für sich einen Beitrag zur Diskussion über das heutige Wohnen leisten, darunter Tilmann Harlander und Ernst Ulrich von Weizäcker. Geführt hat diese lockeren und leicht verdaulichen Gespräche der Freiburger Wirtschaftsjournalist Philipp Peters. Darin fallen dann auch die Stichworte, die unsere Wohnkultur in der vergangenen Generation radikal verändert haben (Nachfrage nach Mikro-Apartments, Aufstockung als ökologische Nachverdichtungsform, Not-in-My-Backyard-Mentalität), aber eben auch nicht verändert haben (deutsche Eigenheim-Kultur, Wertsteigerung von Immobilieneigentum). Man könnte noch ergänzen: Die Einsicht, dass nicht zu bauen oder zumindest weniger zu bauen weitaus ökologischer ist, als ein noch so engergiegerechtes Haus in der Landschaft abzusetzen.
Etwas schwach wird das Buch bei der ewigen Keule der steigenden Preise. Hier sind die Autoren zu passiv. Die reinen Baukosten entsprechen der Inflation. Was das Bauen immer teurer macht, sind steigende Standards (inkl. erzwungener Energieeinsparung), gestiegene Ansprüche an die technische Ausstattung und die Stellplätze bzw. deren Ablösung. Ihr grundsätzlich richtiges Plädoyer darf in einer zweiten Auflage gerne noch weiter ausgearbeitet werden. Da das Buch aus der Baupraxis heraus geschrieben wurde, ist viel Erfahrung in der Planung und im Umgang mit den Behörden eingeflossen. Doch die theoretischen Ableitungen lesen sich leider nicht radikal genug, um dem Buch einen Manifest-Charakter zuzusprechen. Als Handreichung für neue Baugruppen ist es als Logbuch dafür umso mehr geeignet. Denn was ist wichtiger im Geschäft der Projektentwickler und Bauträger, als Vertrauen bei seiner Zielgruppe zu schaffen? Dafür sorgt schlussendlich auch die sehr klare Grafik von Ann-Kristin Maier, wie alle Akteure des Buchs im Verein netzwerk südbaden engagiert. Sie hat sich diszipliniert und das Layout auf Schwarz, Weiß und Neon-Orange beschränkt. Im hinteren Projektteil sollen die ausklappbaren Seiten die Lesefreundlichkeit verstärken. Ausgereicht hätte diese drucktechnische Raffinesse aber auch nur für die Darstellung der Kostenfeststellungen. Fazit: ein ordentliches Buch, das in einer Sammlung über kostenbewussten Wohnungsbau nicht fehlen sollte.
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