Bauwelt

Apartmenthaus Lyoner Straße 19



Text: Santifaller, Enrico, Frankfurt am Main


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    Jean-Luc Valentin

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Die Konversion eines Bürohochhauses im Stadtteil Niederrad erfährt in Frankfurt am Main große Aufmerksamkeit. Der tiefgreifende Umbau zum Wohnhaus durch Stefan Forster Architekten überhöht die spätmoderne Architektursprache  und zeigt die Möglichkeit des Weiterbauens auf. 
Mehr als zwei Millionen Quadratmeter Büroraum stehen in Frankfurt leer. Eines der in dieser Hinsicht sehr problematischen Viertel ist die Bürostadt Niederrad. Anfang der 1960er Jahre als funktionales Pendant zur Nordweststadt ohne Masterplan als „Geschäftsstadt vor dem Stadtwald“ entwickelt, steht knapp 50 Jahre später beinahe ein Drittel der rund eine Million Büroquadratmeter leer. Die Mieten sind auf deutlich unter 10 Euro pro Quadratmeter gefallen, gerade ältere, kaum gedämmte, sanierungsbedürftige Bürogebäude finden seit Jahren keine Mieter mehr. Weil Frankfurt andererseits unter Wohnungsknappheit leidet, forciert die Stadt eine Teilkonversion der Geschäftsstadt in ein gemischt genutztes Gebiet. Unter dem Titel „Transformation eines monofunktionalen Bürogebietes“ sieht der vom Frankfurter Büro bb22 erarbeitete Masterplan eine Stärkung der öffentlichen Grünräume, die Umnutzung und in Ausnahmefällen den Abriss von leer stehenden Bürohäusern sowie die Nachverdichtung mit Wohnblöcken vor. In dem neuen Quartier, „Lyoner Viertel“ genannt, sollen rund 3000 Wohnungen für etwa 6000 Einwohner entstehen. Weil es derzeit an Akteuren fehlt, die mit einem zahlenmäßig umfangreichen Projekt einen mutigen Anfang setzen würden, hat die nachdrückliche Metamorphose eines kleinen Büroturms die Funktion eines Pioniers übernommen: der von der Lokalpresse gefeierte Umbau eines Ende der sechziger Jahre errichteten Hochhauses zu einem Apartmenthaus, das allein seiner neuen Ästhetik wegen ein maßstabgebendes Ausrufezeichen setzt.
Retrospektiv gesehen, überlagerten sich bei der Transformation des vorher vierzehngeschossigen Gebäudes und seiner Aufstockung um drei Etagen zwei Prozesse: die auch von der Frankfurter Bauaufsicht geförderte Umwidmung von Büro- in Wohnraum und die Ertüchtigung eines in die Jahre gekommenen Hochhauses, bei dem wegen der Umwidmung der Bestandsschutz nicht mehr griff. Die Defizite lagen etwa im Schall- und konstruktiven Brandschutz. So mussten unter anderem tragende Teile verstärkt werden, auch der Rettungsweg wurde völlig neu konzipiert. Führte früher der Weg über offene Balkone an der Westfassade, so gelangt man heute, dank eines komplexen Systems mit Druckbelüftung, Abluftklappen und neuen Installationsschächten, über das alte Treppenhaus in Freie. Größere Änderungen bedingte die Umwidmung in nun insgesamt 98 Wohnungen, die zwischen 48 und 160 Quadratmeter umfassen. Allerdings trug eine Reihe von positiven Faktoren zum Gelingen bei: der annähernd quadratische Grundriss des Gebäudes, die für die Bauzeit eher ungewöhnlich gute Dokumentierung von Statik und Haustechnik, das Wohlwollen der Behörden sowie die Kompetenz des Bauherrn, der, so meldet die Tagespresse, 15 Millionen Euro investiert hat. Und wohl auch die Erfahrung des mit dem Umbau betrauten Büros Stefan Forster Architekten.
Mehrere Konzepte entwickelten die Architekten „aus dem Gebäude heraus“, das bekannteste davon – umlaufende Balkone mit Glasbrüstungen bei leicht eingezogener Fassade – konnte aus Kostengründen nicht umgesetzt werden. Der rea-lisierte Entwurf betont die horizontale Schichtung, wobei die Höhe der anbetonierten, nur sich selbst tragenden Brüstungen um 33 Zentimeter auf gerade einmal 59 Zentimeter reduziert wurde. Die Wirkung der Bandfenster wird dadurch stärker, wobei die Fenster selber an vertikale, etwas zurückgesetzte Alupfosten angeschlagen sind. Jede Eckwohnung erhielt eine kleine Loggia mit ebenso niedriger Brüstung; Geländer aus pulverbeschichtetem Stahl (bei den Fenstern horizontale Edelstahl-Stäbe) sichern gegen Absturz. Machte das Gebäude vorher einen schwebenden Eindruck – es fehlten die weißen Brüs­tungen, die Stützen waren mit dunklem Granit der damals modischen Marke „baltic braun“ ummantelt, so „erden“ nun Putzträgerplatten das Volumen, die mit dem gleichen weißen Thermoputz wie die übrigen Brüstungen versehen sind. Das Erdgeschoss mit seinen in tiefen Laibungen sitzenden, fast raumhohen Fenstern beherbergt ein großzügiges Foyer mit Concierge und 320 Quadratmeter Gewerbefläche mit separa­tem Eingang. Die Aufstockung ist nicht weiter kenntlich gemacht, sie ordnet sich der Ästhetik des Gesamtgebäudes unter. Statisch ging die Aufstockung an die Grenze des Möglichen.
Auch die Zonierung der Wohnungen – etwa die Platzierung der Wohnungseingangstüren – hat sich aus dem Gebäude und seinen statischen Bedingungen ergeben. Der geringere Besucherverkehr der neuen Nutzung ermöglichte das Entfernen eines Aufzugsschachtes, der entstandene Raum wurde einer der Wohnungen sowie zwei neuen Installationsschächten zugeschlagen. Auch durch die Entfernung der Installations­kanäle an den Brüstungen konnte Raum gewonnen werden. Äußerst edle Teilmöblierungen ermöglichen offene Grundrisse, Einbauküchen werden im Schlafraum zu Einbauschränken mit Kofferablage, Sanitärboxen dienen zur Raumgliederung. Ausstattung und Materialien – Schleiflack, geräuchertes Eichenparkett, wie Naturstein wirkende, unglasierte Fliesen aus Steinzeug, angerosteter, dann zaponierter Baustahl als Aufzugseinfassung – sind nicht unbedingt teuer, unterstützen aber den noblen Gesamteindruck. Ebenso die Detaillierung, die sich den Gegebenheiten des Gebäudes fügt, aber auch eine Brücke zum erwarteten Klientel schlägt: Unter den Rippendecken mussten Brandschutzplatten angebracht werden, die Raumhöhen verringerten sich dadurch auf 2,52 Meter, in den Fluren sogar auf 2,42 (in den aufgestockten Geschossen liegen sie bei 2,80 Meter ). Deswegen sind die Apartments mit einfachen, dennoch gut gestalteten Wandleuchten ausgestattet. Die besagten, weiß gestrichenen Brandschutzplatten sind – auch bei den Loggien – bis zu den Brüstungen durchgezogen und stärken damit den „gestapelten“ Eindruck.
Im Juni soll alles fertig sein, als Klientel werden bei einer durchschnittlichen Quadratmetermiete von 14 Euro Wochenend-Pendler, Flughafen-affine Berufe oder Firmen erwartet, die ganze Apartment-Kontigente mieten. Stefan Forster spricht von „resistenten Randgruppen“: Zwar stellt sich in der Bürostadt das Angebot an Läden und Restaurants, ja auch an Freizeitgestaltung als einigermaßen ausreichend dar, aber abends und vor allem am Wochenende ist sie wie ausgestorben. Die künftigen Bewohner müssen also ein gewisses Pionierverhalten aufbringen. Immerhin plant die Stadt, die Infrastruktur weiter auszubauen, selbst einen vollständigen Autobahnanschluss soll Niederrad erhalten (bisher kann man nur von Süden einfahren) und damit die Verbindung zum Flughafen gestärkt werden. Den Planern und den am Umbau des Gebäudes Beteiligten aber könnte noch ein Weiteres gelingen: Nachdem die in Frankfurt am meisten verhassten Bauten des Brutalismus fallen – das Technische Rathaus wird derzeit abgerissen, das Historische Museum soll bald folgen –, kann diese Ära mit dem gelungenen Umbau in der Lyoner Straße eine Rehabilitierung erfahren. Forster ist dem Anspruch verpflichtet, Stadt – gegebenenfalls korrigierend – weiter zu bauen.
 



Fakten
Architekten Stefan Forter Architekten, Frankfurt am Main
Adresse Lyonerstraße 19, 60528 Frankfurt am Main


aus Bauwelt 20.2010
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