Bauwelt

Arquipélago Zentrum für Gegenwartskunst auf den Azoren


Auf der Azoreninsel São Miguel haben Menos é Mais Arquitectos und João Mendes Ribeiro eine Tabakfabrik zum Zentrum für Gegenwartskunst umgebaut


Text: Hoetzel, Dagmar, Berlin


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    Für die Auseinandersetzung mit dem Bestand galt, das „kulturelle und architektonische Erbe“ räumlich
    und formal weiterzuführen
    Foto: José Campos

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    Für die Auseinandersetzung mit dem Bestand galt, das „kulturelle und architektonische Erbe“ räumlich
    und formal weiterzuführen

    Foto: José Campos

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    Durch das geschickte, unaufgeregte Einfügen der beiden Neubauten wirkt das ehemalige Fabrikgelände nun wie eine kleine Stadt. Vom öffentlichen Eingangsplatz führt eine Gasse zu einem zentralen, innenliegenden Platz, an dem auch der große Saal liegt.
    Foto: José Campos

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    Durch das geschickte, unaufgeregte Einfügen der beiden Neubauten wirkt das ehemalige Fabrikgelände nun wie eine kleine Stadt. Vom öffentlichen Eingangsplatz führt eine Gasse zu einem zentralen, innenliegenden Platz, an dem auch der große Saal liegt.

    Foto: José Campos

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    Bühne und Zuschauerraum des Multifunktionssaals sind flexibel gestaltbar, der Boden besteht aus Podien, die einzeln höhenverstellbar sind
    Foto: José Campos

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    Bühne und Zuschauerraum des Multifunktionssaals sind flexibel gestaltbar, der Boden besteht aus Podien, die einzeln höhenverstellbar sind

    Foto: José Campos

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    Blick aus dem Raum der Museumspädagogik
    Foto: José Campos

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    Blick aus dem Raum der Museumspädagogik

    Foto: José Campos

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    Foto: José Campos

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    Foto: José Campos

Eine Grundregel der Architekturkritik lautet, nicht über ein Gebäude zu schreiben, das man nicht selbst gesehen hat. Wo man nicht die physische Erfahrung im Raum gemacht hat, Licht und Schatten, Veränderungen bei Sonnenschein und Regen verfolgt, Materialität gespürt oder den topografischen und urbanen Kontext gesehen hat. Nur leider – der Plan auf die Azoren zu reisen, konnte nicht umgesetzt werden. Aber immerhin ergab sich im März die Gelegenheit, die Architekten Menos é Mais in ihrem Büro in Porto zu besuchen. Aus dem zweistündigen Gespräch in einem Mischmasch aus Portugiesisch, Englisch und Deutsch, in dem Cristina Guedes und Francisco Vieira de Campos Haltung und Prozess, Entscheidungen und Materialien erläuterten, ist dieser Text entstanden – sowie aus der Begeisterung für die ebenso archaisch wie poetisch anmutende Architektur des Zentrums für Gegenwartskunst der Azoren, die die Fotos, die José Campos zuvor in die Redaktion sandte, ausgelöst hatten.
Francisco Vieira de Campos zieht als erstes ein Bauwelt-Heft von 2001 aus dem Regal. Damals waren die Architekten beim Bauwelt-Preis für das erste Haus mit ihrem Werkstattpavillon für die Kunsthochschule in Porto in die engere Wahl gekommen. Sechs Jahre später gehörten sie beim internationalen Wettbewerb für das Kunstzentrum auf den Azoren zur Runde der fünf Finalisten. Zusammen mit João Mendes Ribeiro – einem Freund und ehemaligen Kommilitonen, der mit seinem Büro in Coimbra bereits einige Bauten für die Kunst sowie Szenografien realisierte – hatten sie sich für das Auswahlverfahren beworben. Es sei das friedlichste Projekt gewesen, das sie je gemacht hätten. In ihrer Haltung bezüglich der Auseinandersetzung mit dem Bestand sowie des Materialbewusstsein seien sie auf einer Linie, haben sie doch alle die gleiche Architekturschule in Porto besucht. João Mendes Ribeira und Cristina Guedes haben zusammen bei Àlvaro Siza studiert, Francisco Vieira de Campos zwei Jahre später bei Eduardo Souto de Moura. Von den beiden hätten sie gelernt, mit der Realität zu arbeiten und kulturelles und architektonisches Erbe formal und räumlich weiterzudenken. De Campos führt noch andere Quellen für seine Haltung an: „Als Pfadfinder und Segler habe ich Effizienz, die Reduktion auf das Wesentliche und Materialbewusstsein gelernt.“
Die ehemalige Fabrikanlage vom Ende des 19. Jahrhunderts, in der Ortschaft Ribeira Grande auf der Hauptinsel São Miguel, zunächst für die Tabak- dann für die Alkoholproduktion genutzt, stand seit etwa fünfzig Jahren leer. Wie andernorts auch, sollte eine kulturelle Nutzung das Gelände revitalisieren und den Bestand retten, der zu verfallen drohte. Es war die einzige Fabrik auf der Insel und sie hat deshalb eine besondere Bedeutung für São Miguel. Für die Planer stand am Anfang die Entscheidung, die prägnante Silhouette der Anlage, die zudem eine wunderbare Analogie zur Bergsilhouette aufweist, nicht zu verändern. Kontinuität als Prämisse gilt für das ganze Zentrum. Und dass Bauten, die für so unterschiedliche Produktionen wie Tabak und Alkohol geeignet waren, auch zum Wohnen, Arbeiten, Proben, Aufführen und Ausstellen gut sind, war ihnen von Anfang an klar. Das Zentrum soll ein Treffpunkt auf Zeit sein, für Künstler aus der Alten und der Neuen Welt. Ausgestellt wird, was dort produziert wird.
Zu den acht Bestandsgebäuden wurden zwei Neubauten hinzugefügt, die formal aus der charakteristischen Geometrie des Bestands entwickelt sind, ohne diesen zu kopieren. Eine bildhafte Manipulation von Form und Materialität der aus Vulkanstein gebauten Altbauten. Für die Neubauten aus Sichtbeton mit vulkanischen Zuschlagstoffen stand der portugiesische Betonhersteller Secil beratend zur Seite. In dessen Lissaboner Labors wurden zahlreiche Proben hergestellt, bis die richtige Mischung von Zement und Basaltgestein, Oberfläche und Farbe gefunden war. Gebaut hat ein Konsortium aus lokalen Baufirmen, die das Wissen und die Erfahrung mit dem Vulkanstein haben, was für die Altbauten nötig war. Diese mussten erdbebensicher gemacht werden, die dafür notwendigen, umfangreichen Maßnahmen sollten jedoch nicht sichtbar sein. Die ohnehin meterdicken Wände mussten nach innen verstärkt werden. Auch die Neubauten wurden von den lokalen Baufirmen errichtet, zwar hatten sie bis dahin noch nie solch einen Ortbeton verbaut, aber gemeinsam mit den Architekten haben sie das Risiko getragen. Wenn Cristina Guedes und Francisco Vieira de Campos sagen, dass sie von Siza und Souto de Moura gelernt haben, mit den Realitäten zu arbeiten, meinen sie wohl auch das: Risiken ein-gehen. Und dass bei den in Portugal üblichen kleinen Budgets die Effizienz groß sein muss. Ein, wie sie sagen, teures Element haben sie der Anlage trotzdem geleistet. Es gibt ein einziges Profil, aus Messing, das bei allen Tür- und Fensteröffnungen verwendet wird. Das Rohmaterial ist aus Deutschland, zusammengebaut wurden die Profile in Portugal.
Der Entwurf sei den Qualitäten des bereits Existierenden gewidmet, führen die Architekten aus. Es ginge ihnen nicht darum, ein Widerspiel von Alt und Neu zu inszenieren, vielmehr fügten sich die beiden Neubauten gelassen neben die Altbauten. So wird das Gelände wie selbstverständlich zu einer kleinen Stadt. Mit einem öffentlichen Platz am Eingang, der von einem Neu- und einem Altbau gefasst ist. Von dort führt eine Gasse weiter zu einem zentralen Platz, an dem ein großer Saal liegt, in dem öffentliche Aufführungen stattfinden. Die einzelnen Gebäude sind durch interne Straßen miteinander verbunden. In den Altbauten sind die Wohnräume der Künstler, Werkstätten und Proberäume untergebracht, in den Neubauten Räume mit besonderen Anforderungen, die nicht mit den Altbauten kompatibel sind. Der Multifunktionssaal bildet das Herzstück der Anlage. Unterschiedliche performative Darstellungen sollten möglich sein. Also entwarfen die Architekten Bühne und Zuschauerraum flexibel, je nach Bedarf gestaltbar. Ihr Vorbild war die Berliner Schaubühne von Jürgen Sawade. „Eine Low-Cost-Schaubühne“, wie sie sagen. Die Abweichung der tatsächlichen Baukosten von den veranschlagten in Höhe von 12 Millionen Euro für 13.000 Quadratmeter Nutzfläche war geringer als ein Prozent. Sieben Jahre haben Planung und Ausführung gedauert – ein siebenjähriger Prozess ständigen Verhandelns sei es gewesen.



Fakten
Architekten Menos é Mais Arquitectos, Porto; João Mendes Ribeiro, Porto
Adresse 37.819184, -25.529285


aus Bauwelt 22.2015
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