Bibliothek und Akademiegebäude der Universität Greenwich in London
Im kleinteiligen Gewebe von Greenwich im Südosten Londons bauten Heneghan Peng Architects einen Neubau für die kreativen Lehrgebiete der University of Greenwich
Text: Schabel, Anna, London
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Sich in die kleinteilige Stadtstruktur von Greenwich einpassen, das war die Aufgabe der Fassadenge-
staltung. Der helle Kalkstein kommt aus Deutschland.
Foto: © Hufton + Crow / VIEW
Sich in die kleinteilige Stadtstruktur von Greenwich einpassen, das war die Aufgabe der Fassadenge-
staltung. Der helle Kalkstein kommt aus Deutschland.
Foto: © Hufton + Crow / VIEW
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Dunkel gestrichene Treppenwangen, Sichtbeton und farbige Möbel bestimmen das Innere
Foto: © Hufton + Crow / VIEW
Dunkel gestrichene Treppenwangen, Sichtbeton und farbige Möbel bestimmen das Innere
Foto: © Hufton + Crow / VIEW
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Foto: © Hufton + Crow / VIEW
Foto: © Hufton + Crow / VIEW
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Die Fassade zur Bahnlinie sollte schalldicht und lichtdurchlässig sein
Foto: © Hufton + Crow / VIEW
Die Fassade zur Bahnlinie sollte schalldicht und lichtdurchlässig sein
Foto: © Hufton + Crow / VIEW
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Zum Blockinneren ist der Bau abgetreppt. Auf den Dächern sind Versuchsgärten für die Landschaftsplaner angelegt.
Foto: © Hufton + Crow / VIEW
Zum Blockinneren ist der Bau abgetreppt. Auf den Dächern sind Versuchsgärten für die Landschaftsplaner angelegt.
Foto: © Hufton + Crow / VIEW
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Foto: © Hufton + Crow / VIEW
Foto: © Hufton + Crow / VIEW
Als Samuel Pepys im 17. Jahrhundert seine inzwischen berühmten Tagebücher schrieb, sah er das Greenwich entstehen, dass man heute kennt: ein Ort an der Themse mit überbevölkerten dörflichen Straßen, pastellfarbenen Häuschen und einem weiträumigen Park, von dessen Sternwarte im oberem Teil der Blick auf das braune Band der Themse fällt.
1692 ließ Königin Mary am Fuße des Parkhügels, anstelle des königlichen „Palace of Placentia“, nach den Plänen von Christopher Wren ein Krankenhaus für Seeleute bauen. Später wurde der monumentale Barockbau zum Royal Naval College, heute befindet sich darin der Hauptsitz der University of Greenwich. Sie unterhält drei Campi im Osten von London. Fast 24.000 Studenten sind hier eingeschrieben, und es ist eine der internationalsten Universitäten Englands.
Greenwich, der einstige Standort der königlichen Marineausbildung, ist längst Teil der Großstadt London. Der individuelle Charakter des UNESCO-gelisteten Barock-Ensembles aber ist erhalten geblieben und wird von Touristen und Studierenden aus aller Welt geschätzt. Dass der Neubau für die Abteilungen Architektur, Landschaftsarchitektur, Kunst und digitale Medien an der Hauptstraße in Greenwich entstand, hat mehrere Gründe. Die Architekturfakultät sollte von dem eher abgelegenen Avery Hill Campus an einen stadtnahen Ort verlegt werden, nicht zuletzt auch, um dem bis dato wenig bekannten Fachbereich Architektur mehr Zulauf zu bescheren. Das als Weltkulturerbe geschützte Gelände des Greenwich Campus aber konnte aus Denkmalschutzgründen nicht erweitert werden. An der Hauptstraße in Greenwich, dort, wo St Alfege, eine der Kirchen des englischen Barockbaumeister Nicholas Haksmoores, steht und die Eisenbahnstrecke von 1800 einen sechs Meter tiefen Graben schneidet, wurde schließlich ein Grundstück erworben. Nach einem Bombeneinschlag im zweiten Weltkrieg hatte es lange brach gelegen.
Die irischen Architekten Heneghan Peng hatten den Wettbewerb für den umfänglichen Neubau für die Universität (Juryvorsitz: Richard Rogers) mit drei simplen Ideen gewonnen: erstens überplanten sie das gesamte, 5000 Quadratmeter große Grundstück, zweitens stuften sie den Bau rückseitig zur Wohnbebauung hin ab und drittens unterteilten sie die Fassade, dem Maßstab der existierenden Bebauung entsprechend, in vertikale Segmente.
Tatsächlich legt sich die Fassade des im September eröffneten Neubaus entlang der Straße wie ein gestreifter Teppich aus Glas und Stein um das Haus. Der helle Kalkstein ist typisch für öffentliche Gebäude in England – diesmal kommt er allerdings nicht wie üblich von der Isle of Portland, sondern aus Deutschland. Die Fassade zur Bahn hin zu entwerfen sei schwierig gewesen, sagt Projektarchitekt Glenn O’Brien. Schallschutz und Belichtung mussten vereint werden. Als äußere Schale entschied man sich für glasfaserverstärkten Beton. Mit dieser Wahl ließen sich die Wanddicke reduzieren und das Material farblich mit dem Kalkstein harmonieren. Für ein gleichmäßiges Fassadenmuster wurden schmale, elliptische Säulen hinter Beton-Rhomben versteckt. Die Fenster weisen von der lauten Bahnlinie weg.
Das Gestaltungsprinzip der Unterteilung in breite und schmale Streifen, das sich in der Fassade zeigt, wird auch bei der Organisation des Grundrisses angewandt. Die „breiten Streifen“ nehmen Designstudios, Vorlesungssäle und die Bibliothek auf, die „schmalen Streifen“, die Erschließung, die Lichthöfe und die Haustechnik.
Mit schwarzer Eisenglimmerfarbe gestrichene Metalloberflächen, Sichtbeton mit farbiger Beschilderung und farbige Möbel bestimmen das Innere, und trotz der klaren Aufteilung gibt es genug Variationen in den Raumeindrücken. Das neue Gebäude zeigt sich als Stadt in der Stadt, mit offenen Treppen, breiten Fluren und multifunktionalen Räumen.
Um dem Zwang der städtebaulichen Einfügung gerecht zu werden und die gesamte Gebäudehöhe gering zu halten, sind die Geschosse so niedrig wie im Wohnungsbau. Ausnahmen bilden die Bibliothek, die als Treffpunkt und öffentlicher Raum gestaltet ist, und die Entwurfsstudios im ersten Geschoss. Auch die Verkehrswege und die Lichthöfe schaffen Höhe und Blickverbindungen nach oben.
Das neue Gebäude behaust unter anderen Architekten, Grafikdesiger und Filmleute. Auch die Landschaftsplaner sind hier untergebracht. Die Architekturfakultät in Greenwich wird seit fünf Jahren von Neil Spiller geleitet, der eine technologiefreundliche Architekturlehre der Utopie – bis hin zur Dystopie – vertritt. Der Neubau gibt diesen wirklichkeitsfremden Theorien einen soliden realen Rahmen, den die Professoren und Studenten sehr zu schätzen gelernt haben.
Auf den abgetreppten Dächern sind vierzehn Versuchsgärten für die Landschaftsplaner verteilt. Hier oben wiegen sich Sonnenblumen und Gräser im Wind. Der Blick geht auf der einen Seite über den Fluss auf Canary Wharfs Wolkenkratzer, gebaut in der Illusion der achtziger Jahre, England könne auch baulich mit dem globalen Finanzmarkt mithalten. Zur anderen Seite hin erheben sich hinter Dachgärten, Alleebäumen
und den grauen Ziegeln der viktorianischen Wohnhäuser Platanen und der grüne Hügel mit der Sternwarte und ihrer Kuppel.
Hier fühlt man sich dem London des 17. Jahrhunderts verbunden – das Häusermeer der Mil-lionenstadt rundherum ist vergessen, Greenwich ein kleiner Hafen vor dem königlichen Palast. So wie es Samuel Pepys beschrieben hatte.
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