Bauwelt

Erweiterung der Akademie der Bildenden Künste



Text: Bramkamp, Anja, Nürnberg


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    Foto: Roland Halbe

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Neben dem Meisterwerk von Sep Ruf zu bauen, ist eine heikle Aufgabe. Hascher Jehle Architekten haben versucht, die richtige Balance zwischen Respekt und Fortschreibung zu finden – mit heutigen Mitteln.
Die Akademie der Bildenden Künste von Sep Ruf gehört städtebaulich und architektonisch zum Besten, was Nürnberg an modernen Bauten zu bieten hat. Sie liegt wie verzaubert am Stadtrand in einem lichten Wald aus Birken, Kiefern und Fichten, an einem Ort, wo man auf einen Schlag den Alltag hinter sich lassen kann. Sechzig Jahre nach der Eröffnung ist zum Sommersemester 2013 der Erweiterungsbau des Berliner Bü-ros Hascher Jehle zur Benutzung freigegeben worden. Dadurch wurde es möglich, den vormals ausgelagerten Fachbereich Kunstpädagogik mit den anderen Studiengängen zusammenzuführen: klassische Malerei, Bildhauerei und Grafik/Design sowie – als Aufbaustudiengänge – Architektur und Kunst im Öffentlichen Raum. Erstmals sind die insgesamt 300 Studierenden an einem Standort untergebracht.
Neue Adresse
Die Bauaufgabe war durchaus schwierig. Im Angesicht der großartigen Architektur Sep Rufs galt es einerseits, sich anzupassen, das Gesetzte fortzuschreiben, und andererseits, eine gewisse Autonomie zu erringen, die das Bestehende nicht torpediert. Die unterschiedlichen Grundhaltungen, die der jeweiligen Entstehungszeit geschuldet sind, treten deutlich zutage. Die alte Akademie liegt zurückgesetzt von der Straße, fast et­was verstreut im Wald, und war im Stadtraum wenig präsent: abgeschieden von Stadt, Politik und Alltag. Der Erweiterungsbau setzt sich an die Straße, zeigt sich der Stadt mit einer selbstbewussten Architektur. Der einstige Wunsch nach Abgeschiedenheit ist dem Bedürfnis nach Repräsentation gewichen. Durch die Anordnung des Neubaus wird der Bestand in die zweite Reihe gerückt. Sep Ruf wollte weder erste noch zweite Reihe, seine Architektur hatte sich dieser Logik entzogen und ist jetzt doch von ihr eingeholt worden. Insofern nimmt der Erweiterungsbau einen durchaus heiklen Paradigmenwechsel vor.
Hascher und Jehle gingen 2009 aus einem beschränkten Wettbewerb als Sieger hervor. Ihr Entwurf setzte sich damals gegen den von Gernot Schulz durch, der westlich der bestehenden Anlage einen kompakten Solitär vorsah, der den Altbau unverstellt belassen hätte. Nach der Wettbewerbsentscheidung wurde am Siegerentwurf kritisiert, dass der formale Bezug auf das Ruf’sche Erschließungssystem und die städtebauliche Anordnung problematische Nebenwirkungen haben würden (Bauwelt 38.2009). Diese Nebenwirkungen sind nun leider auch in der Umsetzung offenkundig geworden.
Der Idee Sep Rufs folgend, sind die neuen Gebäude entlang eines offenen, überdachten Weges aufgefädelt; aus der Gruppierung der Gebäude werden wiederum offene Höfe gebildet. Aber die Dopplung des Systems birgt logische Konflikte. Beide Achsen verlaufen parallel wie Bahngleise, die sich auch in der Unendlichkeit niemals berühren werden. Die Übergänge zwischen den beiden Achsen führen insbesondere am Bestand immer ins Leere. Die Vernetzung von Alt und Neu vollzieht sich also eher theoretisch als real. Dabei ergibt der neue Hauptzugang an der Bingstraße für den Erweiterungsbau durchaus Sinn. Der alte „Kopf“ der Anlage mit den Gemeinschaftsfunktionen Aula, Mensa und Verwaltung ist nun jedoch abgehängt, und man trifft etwas verloren auf den hinteren Weg, der die einzelnen Klassenpavillons verbindet.
Bestimmend für den Neubau ist das große horizontale Dach, das drei Pavillons mit Atelier- und Seminarräumen aufnimmt. Zwischen den Pavillons befinden sich zwei Freiflächen: der Werkhof und der Eingangshof, der als neuer Hauptzugang dient. Hinter der verglasten Ecke, von den Architekten als Schaufenster und Kommunikationsort konzipiert, steht zurzeit noch etwas verloren eine Küche herum. Dieses „Schaufenster“ hätte man sich eher für die interne Kommunikation der Studenten untereinander gewünscht, also eher dem Campus zugewandt, als für die Vermittlung nach außen. Es entspricht zwar dem Repräsentationsbedürfnis der Akademie, aber für die Studierenden wäre ein eigener Raum zum Experimentieren vielleicht wertvoller gewesen.
Im Westen liegen die Ateliers und Seminarräume der Kunstpädagogen, die sich in zwei Pavillons um einen offenen Innenhof gruppieren. Durch das leicht abfallende Gelände und das durchgehende Dach wurden hier ohne viel Aufwand Raumhöhen bis zu 4,50 Meter möglich. Die Räume sind nach außen kaum geöffnet und werden über Oberlichter natürlich belichtet. Dies ist auch dem Wunsch der Akademie nach mehr Stellflächen zum Arbeiten und besser geregeltem Tageslicht geschuldet. Nach Norden verfügen die Räume nur über einzelne Öffnungen, die Durchblicke von der Straße erlauben. Die Komposition der Öffnungen zur Fläche ist nicht immer überzeugend gelungen. Der Innenhof ist sehr ruhig und ähnelt der Stimmung in den Ruf’schen Höfen. Das Zitat japanischer Gartenhöfe wie auch die minimalistischen Wandleuchten zeigen, dass die Architekten ihr Handwerk durchaus beherrschen. Die Beiläufigkeit und die Unangestrengtheit, die einem im Altbau begegnen, sucht man hier jedoch vergeblich.
Der östliche Pavillon beherbergt weitere Seminar- und Verwaltungsräume. Obwohl die innere Organisation ähnlich funktioniert wie im westlichen Bauteil, wechselt hier das Thema, ohne dass sich der Grund unmittelbar erschließt. Hier ist der umlaufende Erschließungsgang mit raumhohen Glasfassaden zum Innenhof abgetrennt. Das entspricht in etwa der Haltung von Sep Ruf, der bei den stärker frequentierten Bereichen im Kopfbau witterungsgeschützte Zugänge anbietet; dort sind diese Räume jedoch baulich deutlich abgesetzt – als Kopf der Anlage.
Für den Malsaal im zentralen Pavillon waren ideale Lichtbedingungen gefordert, was mit ausschließlich nach Norden orientierten Sheddächern realisiert wurde. Sie durchstoßen die Horizontale des Daches. Die Architekten verwarfen ihre ursprüngliche Idee eines kubischen Volumens zugunsten der plastischen Kontur der vier frei gestellten Sheds. Diese Raumskulptur sollte mehr Identität stiften, doch dafür wirkt sie nicht kraftvoll genug.
Campus-Idee
Das Gebäude ist ein wenig von der Straße abgerückt, sodass noch ein Streifen mit Bäumen erhalten werden konnte. Zwischen den Gebäuden ist ein grüner Campus ausgebildet. Der Blick auf die ehemalige Rückseite der Ateliers ist ungewohnt intim. Diese Seite war vorher ausschließlich dem Blick in die Natur vorbehalten. Jetzt ergibt sich eine ungewohnte Vis-à-vis-Situation, bei der man sich gegenseitig beim Arbeiten zuschauen kann bzw. muss. Dabei sollte sich der labile kreative Prozess nach dem Ruf’schen Konzept ausschließlich im Angesicht der Natur entfalten und nicht im Angesicht der Kommilitonen. Die Idee eines grünen Campus erscheint in diesem Zusammenhang ebenfalls fragwürdig. Der Baumbestand wurde hier auf wenige erhaltenswerte Bäume reduziert, um einen „Akademie-Campus“ als neuen Aufenthalts- und Aktionsort zu etablieren. Das mag im Rahmen einer Jahresausstellung durchaus funktionieren, jedoch ist im alltäglichen Ar-beiten eher Konzentration auf die eigenen Arbeiten gefragt. Außerdem wurde die sinnliche Erfahrung des Naturraums des „Akademie-Campus“ durch die Forderung der Feuerwehr nach einem befahrbaren Weg für mögliche Löscharbeiten am Bestandsbau stark beschränkt. Es ist geplant, den Schotterweg durch Rasensteine zu ersetzen, doch wird es schwierig werden, diesen Notfall-Weg, der auch noch durch Begrenzungssteine markiert ist, auszublenden.
Zu viel Architektur?
Das große horizontale Dach überspannt mühelos die gesamte Erweiterung. Die Betonung des Schwebenden gelingt durch umlaufende Oberlichter, mit denen die Wände abgesetzt sind. Die Leichtigkeit der Fünfziger-Jahre-Architektur, die scheinbar mit weniger Mitteln agierte, wird trotzdem nicht erreicht. Das Dach ist eine Stahlrahmenkonstruktion, die als Scheibe ausformuliert wurde. Außen sind Stahl-U-Profile aufgesetzt, als Verweis auf die Konstruktion. Das lässt sich durchaus nachvollziehen, allerdings gelingt auch hier der Zugang zur Architektur wieder nur über den Intellekt. Die Materialwahl des Betons war dem Wunsch nach Werkstattcharakter geschuldet. Der Sichtbeton ist jedoch so hochwertig, dass er fast museal wirkt, und mit dem eingravierten Schriftzug wirkt er wie fein gemacht für die Vermählung mit der Stadt.
Die energetischen Forderungen der EnEV 2009 konnten um 15 Prozent unterschritten werden, da die Außenwände zweischalig konstruiert wurden. Der Sichtbeton ist entlang der inneren Erschließung im Kommunikationspavillon fortgeführt. Dies produziert einige komplizierte Details aufgrund der energetischen Anforderungen der thermischen Trennung von Innen und Außen. Innenseitig sind die Wände weiß verputzt. Im Traufbereich springt am Sockel die Wand zurück und betont die Horizontale des Gebäudes. Die Fenster erscheinen als große zusammenhängende Flächen, die wie Bänder in der Wandfläche liegen. Diese werden entlang der Trennwände im Innenraum als dunkle Flächen fortgeführt. Im Süden ist eine Verschattung durch bewegliche Streckmetallflächen möglich. Rotzigere Betonflächen und Details hätten das Ganze tatsächlich noch stärker vom Bestand absetzen können.
Gewiss: Alles ist gut durchdacht, diese Architekten wissen, was sie tun, Detaillierung und Materialien sind sorgfältig gewählt. Die Anstrengung bleibt am Gebäude spürbar. Und das wohl Undankbarste: So heruntergekommen der Altbau auch ist – der Freistaat rechnet mit Sanierungskosten in Höhe von 26 Mio. Euro –, strahlt er doch immer noch mehr Magie aus als seine sechzig Jahre jüngere Erweiterung.



Fakten
Architekten Ruf, Sep (1908-1982); Hascher Jehle Architekten, Berlin
Adresse Bingstraße 60, 90480 Nürnberg ‎


aus Bauwelt 33.2013
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