Bauwelt

Erweiterungsbau des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz


An der langen Brandwand


Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin


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    Werner Huthmacher

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Der Erweiterungsbau des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz in Berlin musste sich mit einer nach Norden blickenden Restfläche an einem Straßendurchbruch begnügen. Anderhalten Architekten haben der heiklen Situation ein plastisch modelliertes Atrium abgewonnen, das Sonne ins Innere holt.
Eine Bandfassade in der Berliner Friedrichstadt – das gab es schon lange nicht mehr. Spontan fällt einem dazu Erich Mendelsohns Aufstockung des Mosseverlags ein. Das war 1921. Ein bisschen vom Schwung jener Zeit wollten Claus Anderhalten und sein Team mit dem Erweiterungsbau des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz, kurz BMELV, in der Wilhelmstraße wieder zum Leben erwecken – die Rasterfassaden, die seit den 90er Jahre im Berliner Zentrum entstanden, sind seine Sache nicht. Und deren oft hauchdünnem Natursteinkleid wollte Anderhalten mit dem Neubau Masse entgegensetzen: eine Fassade, die mit dem Thema des Lagerns und Schichtens des Materials spielt, auf dass etwas von der Beschaffenheit des Steins vor seiner Bearbeitung spürbar werde. Immerhin acht Zentimeter stark sind die polygonal geschnittenen, wie leicht verkantet übereinander stehenden Platten aus mongolischem Basalt; ihre Ober-
fläche wurde doppelt geflammt. Insofern ist die Fassade mit ihrer Kombination aus „leichtem Fensterband“ und „schwerem Brüstungsband“ durchaus ambivalent.
Was aber hat es mit der Einschnürung des Gebäudevolumens an der Französischen Straße auf sich? Seit Rem Koolhaas’ IBA-Bau am Checkpoint Charlie hat es beim Bauen in Berlins barocker Stadterweiterung eine derartige Undiszipliniertheit im Befolgen der Straßenflucht nicht mehr gegeben. Allerdings gehört die Französische Straße an dieser Stelle nicht zum historischen Stadtgrundriss, ursprünglich endete sie an der Mauerstraße. Erst im Zuge der Ministeriumserweiterung ist sie bis zur Wilhelmstraße verlängert worden. Was der Passant nicht sieht: Der Knick der 120 Meter langen Fassade korrespondiert mit dem geometrisch gebrochenen Atrium des Gebäudes. 

Grundriss in Wandlung

Das von den Architekten als „Canyon“ bezeichnete Atrium verdankt sich den Abmessungen des Bauplatzes und der Beschaffenheit des Nachbargebäudes, welches 1899 für das „Geheime Zivilkabinett“ errichtet wurde und seit dem Jahr 2000 als Berliner Dienstsitz des vornehmlich in Bonn beheimateten Ministeriums fungiert. Vorderhaus, Seitenflügel und Quergebäude boten dem Bauplatz der Erweiterung eine immense Brandwand dar. Die Restfläche bis zur Straße war für einen einbündigen Grundriss zu tief. Deshalb ordneten die Architekten entlang der Brandwand Nebenräume an und in der Lücke zum zweiten Querflügel eine zweibündige Anlage, die an dessen Brandwand wiederum Nebenräume aufnimmt.
Der „Canyon“ ist im Grundriss quasi der Puffer, er variiert aber auch über die Höhe. Um möglichst viel Tageslicht in die Tiefe zu lenken, den Raum zur natürlichen Entlüftung zu nutzen und im Brandfall zu entrauchen, wurden die Brüstungen unterschiedlich geneigt. Zusammen mit der Betonkerntem­perierung in den Geschossdecken konnten auf diese Weise aufwendige technische Maßnahmen zur Belüftung umgangen werden – auch ein Wunsch des zur Zeit des Wettbewerbs 2003 von Renate Künast „grün“ geführten Ministeriums.
 
Ökologisches Modellprojekt?

Neben dem Tageslicht und den expressionistischen Splitter­geometrien wird das Atrium von warmen Farben geprägt: dunkelrotem Linoleum auf dem Boden und lehmgelben Wänden. Die Wände sollten ursprünglich in Stampflehmbauweise entstehen, gemäß dem Wunsch des Nutzers, wo immer möglich nachwachsende Rohstoffe zu verwenden. Dieses Vorhaben aber erwies sich als unvereinbar mit dem Bauablauf, denn statt Wand–Decke–Wand wie im Lehmbau wurde natürlich zunächst der Betonrohbau errichtet und dann der Ausbau vorgenommen. So wurden die Flurwände aus Porotonmauerwerk aufgeführt und mit Lehm nur verputzt. Auch die ursprünglich vorgesehenen Holzstützen wären gar zu aufwendig mit den Betondecken zu verbinden gewesen, weshalb der Rohbau ein konventioneller Stahlbetonbau ist. Immerhin wurden die Lehmbauplatten der Bürotrennwände nicht auf Blech-, sondern auf Holzprofilen montiert, und Innentüren, Fenster und das Sheddach des Atriums sind ebenfalls aus Holz.



Fakten
Architekten Anderhalten Architekten, Berlin
aus Bauwelt 25.2010

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