Kloster Dalheim
Antikulturhauptstadtjahrprojekt
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Seit den neunziger Jahren arbeiten die Architekten Pfeiffer Ellermann Preckel an der respektvollen Wiederherstellung des Klosters Dalheim. Mit der Fertigstellung des zweiten Bauabschnitts ist ein weiterer Schritt gemacht, um das herausragende Ensemble in der ländlichen Abgeschiedenheit Ostwestfalens zu neuem Leben zu erwecken.
„Sehen Sie mal, die Stahlfenster, ganz einfache Standardprofile, aber alles entworfen, mundgeblasen, sozusagen, wo findet man so was heute noch? Dabei ist es gar nicht teurer als ein fertiges System.“ Die Freude des Architekten Jörg Preckel über das Erreichte teilt sich dem Reporter umstandslos mit, welcher aufpassen muss, kein Detail zu verpassen. Und Details gibt es viele im „Landesmuseum für Klosterkultur“ des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe, das Ende Oktober seine Dauerausstellung in den restaurierten bzw. neu erbauten Räumen der Klausur des ehemaligen Augustiner-Chorherren-Klosters Dalheim eröffnet hat. Die Details stammen zum einen Teil aus den verschiedenen Bauphasen des Klosters und seiner späteren Nutzung als preußische Domäne, zum anderen sind sie aus Anlass der jüngsten Baumaßnahmen von den Architekten Pfeiffer Ellermann Preckel hinzugefügt worden. Verloren Geglaubtes, das überraschend entdeckt wurde, gesellt sich zu den Schrunden, welche die Jahrhunderte in die Oberflächen gegraben haben, und steht neben den formal zurückhaltenden, in ihrer materiellen Präsenz aber durchaus selbstbewussten Ergänzungen. Mit Kalkstein aus dem Altmühltal, Walzstahl für Geländer, Möbelelemente und Fensterprofile, Stahlblech für Fensterläden, Volleiche für Möbel und Türen und brünierten Beschlägen aus der Gropius-Serie werden klassische Klosterelemente zurückhaltend interpretiert. Formal einfach, aber dauerhaft – das wirkt dem Budget von 3000 Euro pro Quadratmeter angemessen, zeigt aber auch die Haltung der Architekten. Nirgends wird vordergründig Kontrast gesucht. Wie bereits beim ersten Bauabschnitt, welcher vor drei Jahren eröffnet wurde (Bauwelt 44.07), galt der Grundsatz, dass alles Vorhandene seine Berechtigung hat; dass keine bereinigende, stilisierende Renovierung das Ziel sei, sondern eine quasi „kritische Rekonstruktion“. Dieses Vorgehen lässt sich beim zweiten Bauabschnitt an drei Fragen diskutieren: Auf welche Weise ist die ursprüngliche Kubatur der Klausur wieder hergestellt worden; wie wurde mit dem verlorenen Südabschnitt des mittelalterlichen Kreuzgangs umgegangen; und wie hat man die barocken, im Süden und Westen vorgelagerten Garten rekonstruiert?
Die Aufstockung
1838, das ehemalige Kloster war seit 35 Jahren preußische Domäne, hatte ein Brand die Klausur zerstört, aber um das Vieh des Gutshofs unterzustellen, genügte es, das Erdgeschoss mit einem Notdach zu versehen. Bis in die siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts bestand kein Bedarf, daran etwas zu ändern; erst mit dem Kauf der Anlage durch den Landschaftsverband Westfalen-Lippe im Jahr 1979, dem das Ende des landwirtschaftlichen Betriebs vorausgegangen war, und der Neukonzeption der Nutzung stellte sich die Frage, ob dieser fragmentarische Zustand fortdauern solle oder die ursprünglichen Abmessungen wieder herzustellen seien – und wenn ja, wie diese Wiederherstellung gestalterisch zu bewältigen sei. Die Architekten untersuchten in einem Gutachten verschiedene Varianten. Dass sich die Verantwortlichen – der Landschaftsverband, die Stiftung Kloster Dalheim und das Museum – für die Aufstockung entschieden haben, hat nicht zuletzt funktionale Gründe, ergibt sich dadurch doch ein geschlossener Rundgang im Obergeschoss, und außerdem wurden Räume geschaffen für die Unterbringung von Dauer- und Wechselausstellung, denn das Erdgeschoss der Klausur sollte mit seiner ins 15. Jahrhundert datierenden Substanz als Exponat seiner selbst dienen.
So ist der durch das Unglück beschädigte Kern des im Ganzen erstaunlich vollständig überkommenen Ensembles zurückgewonnen worden. Dabei ist das Ereignis „Brand“ insofern sichtbar geblieben, als die Architektur des Obergeschosses keinen Zweifel daran lässt, ein Werk der Gegenwart zu sein. Mittels einer Schattenfuge wurde es abgesetzt vom historischen Erdgeschoss und dessen erhaltenem Putz, und die Fenster zeigen sich als geometrisch präzise Rechtecke über den gotischen Spitzbogenöffnungen des Kreuzgangs darunter. Für den Putz der Außenwände wurde die gleiche Mischung verwendet wie beim Erdgeschoss, doch heben sich die neuen Flächen allein schon aufgrund der fehlenden Patina ab – ein Kontrast, der im Lauf der Jahrzehnte schwächer werden wird. Das Dach wiederum ist ein einfaches, von keiner Gaupe gestörtes Schieferdach, das mit dem für den dritten Bauabschnitt geplanten neuen Dach der Kirche zusammen wieder ein Geviert bilden wird. Der schmale, auf Kreuzgangbreite der Kirche an der Südseite angegliederte Bibliotheksflügel wurde folgerichtig mit einem anderen Material, mit Blei, gedeckt.
Der Kreuzgang
Drei Flügel des spätgotischen Kreuzgangs hatten die Ära der Domäne überdauert. Im Südflügel aber, jenem auf das barocke Gartenparterre bezogenen und damit für die weitere Nutzung besonders bedeutendem Trakt, war von der Pracht der mittelalterlichen Gewölbe und Fresken nichts übrig, der Raum war auf ganzer Fläche als Schweinestall genutzt worden. Allerdings stießen die Architekten auf den Ansatz der einstigen Trennwand, der sich auf ganzer Länge und voller Breite – nicht weniger als 1,50 Meter war diese Mauer dick – erhalten hatte, einschließlich der Treppenstufen und den Fragmenten der Türgewände. So fiel die Entscheidung, den Südkreuzgang wieder erstehen zu lassen. Die Wand wurde auf ganzer Dicke – allerdings mit Hohlräumen, in die Technik und Schränke integriert werden konnten – aufgemauert, so dass die ursprüngliche Raumstruktur mit den beiden Sälen des Refektoriums und dem Kreuzgang wiedererstanden ist.
Mit Betondecken wurden die beiden Bereiche zum neuen Obergeschoss hin geschlossen. Für die Refektorien wählten die Architekten, wie auch bei den Räumen im Ostflügel, eine Rippenkonstruktion, in die die Gebäudetechnik, Maßnahmen zur Verbesserung der Raumakustik und Leuchten integriert wurden. Für die Unterseiten kam eine Stäbchenschalung zum Einsatz, die Rippen wurden glatt geschalt. Der leicht sandige Ton des durchgefärbten Betons korrespondiert mit der Farbigkeit der Wandoberflächen. Im Falle des Kreuzgangs entschied man sich unter mehreren Alternativen für ein neues Gewölbe, das aber erkennbar anders ausgeführt wurde als in den drei erhaltenen Flügeln: in gestampftem, nicht bewehrtem Magerbeton, dessen poröse Unterseite der massiven Konstruktion eine fast wolkige Leichtigkeit verleiht. Auch die kantig-schlichten Konsolsteine des Gewölbes verfolgen eine eigenständige Ästhetik. Während der Bauzeit vermochte diese architektonische Herangehensweise Bauherren und Nutzer gehörig zu erschrecken; man habe zunächst gefordert, die Gewölbe wieder einzureißen oder wenigstens glatt zu verputzen, erzählt Jörg Preckel. Inzwischen aber habe man sich nicht nur angefreundet mit dieser Lösung, sondern im Nachhinein sogar Zustimmung bekundet.
Für das Obergeschoss des Nordflügels hingegen, in dem eine kleine Bibliothek eingerichtet worden ist, war kein Aufschluss zu erlangen über die Gestalt der einstigen Wölbung; hier liegt ein flaches Pultdach „wie ein Deckel“, mit Fuge abgesetzt, auf der Außenwand. Die Ausstellungsräume im Ost- und Südflügel wurden im einen Fall mit einem mächtigen Eichendachstuhl, im anderen mit einem Stahltragwerk mit abgehängter Galerie für Wechselausstellungen überdacht.
Die Gärten
Ein wesentlicher Bestandteil der ästhetischen Überformung des Klosters während der Barockzeit unter Prior Bartholdus Schonlau stellen die beiden wichtigsten Gärten dar: Der terrassierte Konventgarten südlich der Klausur und der im Nordwesten, entlang der Klostermauer und oberhalb der Zufahrt angelegte Garten der Prälatur. Nach der Säkularisierung zerstört, konnte ihre Anlage mit Hilfe der erhaltenen, um 1737 entstandenen Vedute des Klosters archäologisch ergraben und in Maß und Höhe exakt, aber formal zeitgenössisch neu angelegt werden, so dass die Achsbezüge zwischen Bauten und Gärten wieder erstanden sind.
Als „Antikulturhauptstadtjahrprojekt“ hat Landrat Müller das Museum für Klosterkultur zur Eröffnung genannt und damit auf die inhaltliche Tiefe verwiesen, die das Baudenkmal und seine Nutzung eingehen. Auch auf die Architektur bezogen hat dieses Urteil Bestand: Für ein vergleichbar rücksichtsvolles Weiterbauen, das die Alterungsspuren des Bestandes als würdevolle Bereicherung begreift und ihre atmosphärisch wirksame Präsenz belässt, war im Ruhrgebiet bei der Abwicklung des Großevents wohl schlicht zu wenig Zeit.
x
Bauwelt Newsletter
Immer freitags erscheint der Bauwelt-Newsletter mit dem Wichtigsten der Woche: Lesen Sie, worum es in der neuen Ausgabe geht. Außerdem:
- » aktuelle Stellenangebote
- » exklusive Online-Beiträge, Interviews und Bildstrecken
- » Wettbewerbsauslobungen
- » Termine
- » Der Newsletter ist selbstverständlich kostenlos und jederzeit wieder kündbar.
Beispiele, Hinweise: Datenschutz, Analyse, Widerruf
0 Kommentare