Kulturzentrum im U-Turm
Umbau des ehemaligen Kellereihochhauses
Text: Brinkmann, Ulrich, Berlin
Gerade noch rechtzeitig zum Ende des Kulturhauptstadtjahres im Ruhrgebiet haben Gerber Architekten das ehemalige Kellereihochhaus der Union-Brauerei zum Kultur- und Kreativzentrum umgebaut. Von nun an soll nicht nur die „U“-Krone über der Stadt leuchten, sondern der ganze Bau als Katalysator der Innenstadtentwicklung wirken.
Ein Baudenkmal, das die Stadt seit achtzig Jahren prägt, wurde erhalten und einer neuen Nutzung zugeführt. Nun, so soll es sein – aus Dortmund aber ist eine solche Nachricht eine Überraschung, war die Stadt bislang doch wenig auf die Pflege ihrer Erscheinung wie historischen Lesbarkeit bedacht, ja schien gegen alles zu wüten, was architektonisch über bloßes Mittelmaß hinausreichte – erinnert sei nur an die noch immer unfassbare Sprengung von Walter Höltjes Stadt- und Landesbibliothek im Jahr 1996, der barbarischste Akt auf einer langen Liste baukulturellen Vandalismus. Beim ehemaligen Kellereihochhaus der Union-Brauerei aber haben sich die Verantwortlichen eines Besseren besonnen, und so darf Dortmund mit dem Abschluss der Umbauarbeiten in dem expressiven Backsteinbau das Finale des Kulturhauptstadtjahres feiern.
Dass die Fertigstellung mit dem Ende des Großevents zusammenfällt, ist trotz der langen Vorgeschichte (s. Seite 23) folgerichtig. Der Umbau des „U“, wie der von Emil Moog 1926 geplante Turm dank der vier von Ernst Neufert hinzu entworfenen, seit 1968 das Bauwerk krönenden Buchstaben genannt wird, zum „Kreativ- und Kulturzentrum“ ist DAS Dortmunder Projekt zum Kulturhauptstadtjahr; ohne die zu diesem Anlass verfügbaren Mittel – allein 23 der knapp 50 Millionen für den Umbau eingesetzten Euro kamen von der EU, weitere 9 Millionen hat das Land NRW zugeschossen – wäre es undenkbar gewesen, irgendeinen der drei im Wettbewerb (Bauwelt 27.06) gleichrangigen Siegerentwürfe zu verwirklichen. Dabei ist die Umnutzung des Wahrzeichens ein Vorhaben von größter Bedeutung für die Stadt. Denn alles andere, was die Brauerei auf dem Gelände zwischen Rheinischer Straße im Süden, Unionstraße im Westen, Bahntrasse im Norden und Brinkhoffstraße im Osten hinterlassen hatte, ist verschwunden. Mit der Wiederbelebung des „U“ verknüpft sich mithin die Hoffnung, Interessenten für die Neubebauung der weiten Brachfläche zu finden und der westlichen Innenstadt einen Impuls zu geben – die Umnutzung ist unverzichtbar, soll das Stadtumbauprojekt „Rheinische Straße“ gelingen.
Der freigelegte Solitär
Wen wundert es, dass von den drei Preisträgern nicht Léon Wohlhage Wernik oder gar der junge Dirk Bücker, beide aus dem fernen Berlin, den Auftrag erhalten haben, sondern die lokal gut vernetzten Gerber Architekten? Diese haben nach dem Harenberg-Hochhaus (Bauwelt 29–30.95) und dem RWE-Turm dem Dortmunder Bahnhofsumfeld nun ein drittes prägendes Werk einschreiben können, denn dass mit dem U-Turm etwas Entscheidendes geschehen sein muss, zeigt sich nicht nur an der Reparatur seiner Oberflächen, sondern auch an den neuen Applikationen.
Der einstmals allseitig eingebaute und funktional eingewobene Industriebau präsentiert sich dem Besucher heute fast vollständig freigelegt – die rot gestrichenen Fassadenbereiche des Turms künden dabei von den früher dort anschließenden Brauereigebäuden. Lediglich auf der Ostseite, in Richtung Stadtzentrum, hat eine gestalterisch nicht weiter bemerkenswerte Bürobebauung Platz genommen. Für Fußgänger ist das neue „Kreativzentrum“ gefahrlos zu erreichen: Die Brinkhoffstraße, die einst geradewegs zur Rheinischen Straße führte, knickt heute auf Höhe des U-Turms gen Osten ab und mündet in den Wallring. Dem Büroneubau ist dadurch ein Platz vorgelagert, der noch der Gestaltung harrt; den Wettbewerb hatte 2008 die Arbeitsgemeinschaft Hermanns und Caspari aus Niederkrüchten gewonnen. An der Gebäudeecke vorbei erreicht der Besucher einen weiteren Platz, welcher dem „U“ vorgelagert ist; darunter liegt die Zufahrt zu den Technik- und Depotflächen, die in den alten Brauereigewölben Platz gefunden haben. Der Eingang in den Turm wird hier wie auf der Westseite von einem verglasten Kasten bezeichnet, welcher gestalterisch mit den beiden „Nasen“ korrespondiert, die dem Wahrzeichen auf halber Höhe auf der Ost- und Nordseite angehängt worden sind. Diese machen die Neuprogrammierung des Gebäudes außen sichtbar; innen inszenieren sie den nicht gerade erhebenden Blick auf das Dortmunder Zentrum.
Zwei Räume wider die Ästhetik des Neutralen
Wer das „U“ betritt, dürfte zunächst enttäuscht sein: Nichts Anziehendes lockt; kein besonderer Raum, der sich öffnete, keine Details, die die Aufmerksamkeit fesseln könnten, keine Oberflächen oder Materialien, über die der Besucher gerne die Hand gleiten ließe, und schon gar keine Spuren des vergangenen industriellen Alltags – nüchtern und zweckmäßig empfängt das Kreativzentrum. Auch die Räumlichkeiten in den Obergeschossen 1, 2 und 3, welche von der Universität, der Fachhochschule und anderen, der Kultur und den Neuen Medien verpflichteten Einrichtungen besiedelt worden sind, bleiben dieser neutralen Ästhetik verhaftet. Doch vermag das Projekt durchaus einzulösen, was das Äußere verspricht, und zwar sowohl dank seiner historischen Substanz als auch der im Zuge der Umnutzung erfolgten Eingriffe.
Da ist zunächst der gewaltige, die ganze Höhe des Bauwerks erlebbar machende Rolltreppenschacht, der auf dreieckigem Grundriss auf der Ostseite aus dem Skelettbau herausgeschnitten worden ist. Dieser Raum lädt ein, „erfahren“ zu werden, ganz unabhängig davon, dass oben jene Institution ein neues Zuhause gefunden hat, die die größten Besucherzahlen generieren dürfte: das „Museum Ostwall“, das sein altes, eng gewordenes und sanierungsbedürftiges Domizil verlassen und dabei die Präposition im Namen verloren hat. Drei Ebenen nutzt die renommierte Einrichtung, deren oberste, der Wechselausstellungssaal, noch nicht in Betrieb genommen ist, dessen Oberlichter dem niedrigeren Trakt des „U“ aber bereits einen unübersehbaren neuen Abschluss verleihen.
Noch eine Etage höher schließlich der räumliche Höhepunkt: die „Kathedrale“ genannte, zweifach gestufte Halle, welche künftig gastronomisch genutzt wird und am Außenbau von einer auf den Gefachen des Betonstrebewerks projizierten Installation von Adolf Winkelmann nobilitiert wird. Die einst mit Glassteinen vermauerten Fassadenfelder sind zu Fenstern geworden; aus ihnen schweift der Blick über die große Brache im Westen. Von oben sieht sie aus wie eine große Chance.
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