Multimedia im Untergeschoss
Besucherzentrum des EU-Parlaments in Brüssel
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Das Europäische Parlament in Brüssel hat seit kurzem ein Besucherzentrum. Mit Touchscreens, Projektoren und Sprachcomputern soll es den Besuchern die Idee der EU näher bringen.
Das Besucherzentrum der Europäischen Union ist einzigartig in vielerlei Hinsicht. So zumindest sieht es einer der vielen Wortergreifer auf der Eröffnungspressekonferenz Ende 2011. Es sei das größte Museum eines Parlaments in Europa, sagt er, es existiere in 23 Sprachen, und erstmals sei mit internationalen Gestaltern zusammengearbeitet worden. Was auch immer er mit Letzterem genau meint, für die EU
als Auftraggeberin sollte so etwas selbstverständlich sein. Eigentlich.
Während der Wortergreifer redet, steht er im 2. Untergeschoss des Willy-Brandt-Gebäudes im Brüsseler Europaviertel. Es ist ein Segment jenes scheußlichen Komplexes, der vor 20 Jahren das kleinteilige Viertel um den Gare de Luxembourg verdrängte und in dem heute ein paar Mal im Jahr die 736 Europa-Abgeordneten zusammenkommen; viel häufiger aber tagen sie in Straßburg. Der Komplex ist zugleich eines der vielen Beispiele für die undurchsichtige, typisch belgische Vergabepraxis, die fast immer ohne Gestaltungswettbewerbe und ausgewählte Architekten das bauliche Gesicht der EU-Verwaltung in Brüssel bestimmt.
Ein anderer Wortergreifer betont, dass die Europäer nun auf rund 3000 Quadratmeter Ausstellungsfläche lernen könnten, wie das Europäische Parlament arbeitet. 21 Millionen Euro hat die Ausstellung gekostet, sechs Jahre liegen zwischen politischem Beschluss und Eröffnung. Der Raum wirkt niedrig. Ursprünglich sei hier mal eine Tiefgarage geplant gewesen, erzählt jemand, die Räume hätten lange leergestanden. Auch Uwe Brückner hält eine Rede. Sein Büro, das Atelier Brückner aus Stuttgart, ist Sieger eines Wettbewerbs von 2007. Es hat die Museumsplanung geleitet, der Grafiker Ruedi Baur
war dabei und eine Reihe Medienfirmen. „Der Gestalter kann immer nur so gut sein wie sein Auftraggeber“, sagt Brückner am Ende und bedankt sich bei der EU. Der Rundgang beginnt.
Rollatoren und Scrollbalken
Am Eingang erhalte ich ein telefongroßes Gerät, das auf meine Sprache programmiert ist und mit dem ich Informationen abrufen kann – über die Geschichte der EU zum Beispiel. Mich zieht es zu einem Bereich, der „United in Diversity“ heißt. Er soll das Herzstück der Ausstellung sein. Hier schiebe ich einen stehpultfömigen Rollator über eine Europakarte und rufe auf dem Bildschirm Fakten zur Ostsee ab. Im Nebenraum sitze ich an einem runden Tisch und versuche in der 12-minütigen 360°-Projektion die Atmosphäre einer Parlamentssitzung nachzuempfinden. In einem dritten Raum sehe ich die Porträtfotos aller Abgeordneten und klicke mich durch deren Lebensläufe. Und in einem vierten, einer Art Lounge mit Neoantiksesseln und Stehlampen, erzählen mir Europäer in schön geschnittenen Kurzfilmen, wie die EU ihr Le-ben verändert. Schließlich betrete ich die Abteilung Rollenspiel, die sich vorrangig an Schulklassen richtet. Hier werde ich in die Situation einer Parlamentsabgeordneten versetzt, telefoniere mit Lobbyisten, schaue Nachrichten, diskutiere mit meiner Partei, bilde mir eine Meinung zu einer neuen Wasserversorgungsrichtlinie.
Nach dem einstündigen Rundgang habe ich einen warmen Zeigefinger. Das Atelier Brückner hat alle Register der Vermittlungstechnik gezogen. Doch ich fühle mich overscreened, vermisse Exponate und vor allem ein erkennbares gestalterisches Konzept. Viel Technik, vielen Farben, Oberflächen und Stimmungen machen laute, nicht unbedingt harmonische Musik. Aber so ist es ja auch mit der Europäischen Union.
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