Bauwelt

Niederländisches Institut für Ökologie


Drei Visitenkarten


Text: Trim, Aldo, Rotterdam


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    Foto: Christian Richters

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Architektur im Stoffkreislauf gedacht: Claus & Kaan Architecten haben das Institutsgebäude nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip konzipiert und sind dadurch zu Lösungen gelangt, die kaum etwas mit den Klischees von Öko-Architektur gemein haben.
Parallel zu den Entwicklungen nachhaltiger Umwelttechno­logien werden immer öfter auch kritische Stimmen laut. Es heißt, Windräder, Solarpaneele und Grünfassaden würden mittlerweile gerne eingesetzt, um ein Gebäude zu einem Aushängeschild für Umweltfreundlichkeit zu machen, ohne dass nach einem ökologischen Gesamtentwurf gestrebt wird. Kritiker sind der Meinung, dass eine derartige Architektur nicht öko­logisch sei, weil sich die Technologien ständig verbesserten und weiterentwickelten und das Gebäude deswegen schnell veralte.
Viele große Architekturbüros haben in den vergangenen Jahren ihre Ausrichtung verändert, um auf die Nachfrage nach ökologischem Bauen eingehen zu können. Claus&Kaan Archi­tecten scheinen sich von diesem Trend distanziert zu haben und an ihrem Kurs festzuhalten. Die Königlich Niederländische Akademie der Wissenschaften (KNAW) beauftragte das Büro auch deswegen mit dem Bau des Instituts für Öko­logie (NIOO), weil es eben kein gängiges Ökohaus bauen wollte, sondern ein schlüssiges Gebäude, das darüber hinaus auch noch ausgesprochen nachhaltig sein sollte.
Einflüsse auf den Entwurf
Der Entwurf wurde entscheidend durch städtebauliche Rahmenbedingungen, eine effiziente Grundrissgestaltung und durch den Wunsch des Bauherrn beeinflusst, dass die große Bedeutung des NIOO als wichtiges international tätiges Forschungsinstitut auch am Gebäude ablesbar sein sollte. Der Auftraggeber wollte mit seinem neuen Gebäude ausdrücklich der Vorstellung vom Institut als lieblichem Außenposten für Biologen widersprechen. Das Sinnbildliche des Gebäudes wird durch seine Lage unterstützt; gegenüber vom Universtitätscampus platziert, musste es eine deutliche Begrenzung bilden, um diesen Ort der Wissenschaft an der Einfallstraße nach Wageningen herauszustellen. Schon die städtebaulich vorgegebene  Höhe stellte die Architekten vor eine große Herausforderung, denn das Raumprogramm war nicht sehr umfangreich und beschrieb genaue Anforderungen an die Beziehung der einzelnen Räume zueinander.
Um den Grundriss so effizient wie möglich zu gestalten, wurden alle notwendigen „dunklen“ Testräume und Nebenfunktionen in der Mitte des Gebäudes angeordnet. Die Labo­ratorien hingegen sind zur mehrspurigen Mansholtlaan hin orientiert und erfüllen damit zugleich auch eine repräsen­tative Funktion. Auf der Rückseite liegen die Büros mit Blick auf den Garten, die Gewächshäuser und die Nebengebäude. Diese funk­tionelle Anordnung war notwendig, damit die Mitarbeiter auf ein und demselben Geschoss unkompliziert von den Laboratorien zu den Büros gelangen und die Nebenräume in der Mitte des Hauses nutzen können. Durch die Reduzierung der Ge­bäudehöhe und die Erweiterung der Gebäudetiefe konnte die Energiebilanz des Gebäudes effizienent gestaltet werden. Das Verhältnis von Grundfläche zu Fassadenfläche ist sehr güns­­tig und minimiert den Energieverlust über die Fas­saden. Um dem Wunsch nach einer markanten „Geste“ des Gebäudes nachzukommen, wurde ihm ein „Hut“ aufgesetzt, in dem sich die Kantine, die Besprechungsräume und die Haustechnik befinden und von dem man eine Aussicht auf das Gründach hat.
Cradle to Cradle
Abgesehen von der Vorstellung des Auftraggebers, ein in höchstem Maße energiesparendes Gebäude zu errichten, musste es auch nach der Cradle-to-Cradle-Philosophie entworfen werden. Bei diesem Prinzip ist wesentlich, dass Stoff-Kreisläufe, genauso wie in der Natur, die das Institut untersucht, geschlossen bleiben und dass bei der Wiederverwertung kein Downgrading der Rohstoffe stattfindet. Für eine gewissenhafte Anwendung dieses Prinzips müssen die Bauelemente so weit wie möglich demontierbar sein. Darauf wurde bei der Produktwahl und der Detaillierung besonders Rücksicht genommen. Ein kleiner Kompromiss ist die Tragstruktur, die zum Großteil aus Beton besteht. Dies war notwendig, da das Gebäude mit einer Betonkernaktivierung arbeitet, einem überaus ökologischen Energiekonzept. Zwar entstünde daraus bei einem künftigen Recyc­ling des Gebäudes minderwertigeres Betongranulat, also ein Downgrading, aber beim Betongemisch wurde der höchstmögliche Prozentsatz an Hochofenzement und Recycling-Betongranulat verwendet; zugleich wurden schwer zu trennende Zusatzstoffe weggelassen, bei der Verarbeitung kamen weder Kitt noch Lösungsmittel zum Einsatz.
Ein gutes Beispiel dafür, wie die Architekten versucht ha­ben, das Konzept zu perfektionieren, ist die Ausführung der Fußböden in den Büroräumen und den Laboratorien. Anstelle des in Laboratorien gebräuchlichen Fließestrichs wurden diese mit einem polierten Betonboden ausgestattet. Dazu musste bei der Ausführung äußerst gewissenhaft gearbeitet werden, um denselben Glanz wie bei Fließestrichen zu erreichen.
Holz
Neben Beton prägt naturbelassenes Holz den Charakter des Hauses. In einer nachhaltigen Forstwirtschaft ist Holz ein unbegrenzt zur Verfügung stehender Rohstoff. Der Baustoff wurde aufgrund seiner ökologischen Ausstrahlung auch für die Fassaden gewählt. Es blieb die Frage, welches Holz sich dazu am besten eignet und wie es vor Wettereinflüssen und vorzeitigem Altern geschützt werden kann. Letztlich fiel die Wahl auf Thermoholz („Platoholz“): Fichtenholz, das durch eine thermische Behandlung die Eigenschaften von Hartholz erhält. Eine chemische Behandlung ist aufgrund der Reststoffe, die kaum biologisch abbaubar sind, nachteilig für die Umwelt. Derselbe Schutz ist auch zu erreichen, indem das Holz gedämpft wird, wofür Restdampf, der bei Energieerzeugung anfällt, verwendet wurde. Da es sich dabei um inländisches Fichtenholz handelt, verbrauchte der Transport vergleichsweise we­nig Energie, und das Gebäude bekam zusätzlich einen lo­kalen Bezug.
Vorgänger
In der Ansicht weist das NIOO einige Ähnlichkeiten mit dem Niederländischen Institut für Forensik (NFI) in Den Haag auf, das ebenfalls von Claus & Kaan entworfen und 2005 fertiggestellt wurde. Wie schon beim Bau in Den Haag ging es den Architekten auch beim NIOO darum, nach außen vor allem die Laboratorien zu zeigen und diesen reichlich Tageslicht zukommen zu lassen. Nach Begutachtung mehrerer Verglasungssysteme wurde deutlich, dass sich im Sinne des Cradle-to-Cradle-Prinzips eine durchgehende Glasfassade ohne Profile am besten eignet. Eine Minimierung des Einsatzes von Bauelementen wie Dichtungen und Profilen bedeutet auch einen geringeren Einsatz von Rohstoffen. Im gesamten Gebäude wurde kein Aluminium verwendet, das wegen seiner umweltbelastenden Gewinnung und Herstellung eine miserable Ökobilanz ausweist. Wo Metall notwendig war, wie um die der Glasscheiben in der Fassade einzuklemmen und für Beschläge und Scharniere, wurde Edelstahl eingesetzt.
Damit sich die Labore durch direktes Sonnenlicht nicht zu stark erwärmen, wurden die Decken nach außen „durchgezogen“, sie bilden damit den Sonnenschutz, und die Kühllast konnte so reduziert werden. Gerade durch diese prominenten Vordächer wird das Bauwerk einerseits von der Grundfläche losgelöst und verbindet sich andererseits mit seiner Umgebung, ein landschaftliches Setting, das an das Gemeindehaus Tynaarlo (2004) von Claus & Kaan erinnert.
Technik
Obwohl von außen nur wenige Installationen sichtbar sind, ist das Gebäude doch volle technischer Raffinessen. Der Wasser- und Nährstoffkreislauf wurde geschlossen. Es wird danach gestrebt, den Abwasserkanalanschluss nicht zu verwenden. Dieser musste aufgrund der Vorschriften aber sehr wohl angelegt werden, ein gutes Beispiel dafür, dass Lokalpolitik oft noch nicht synchron mit den Möglichkeiten der heutigen Technik agiert.
Die Vakuumtoiletten werden mit Grundwasser gespült und demnächst an einen Fermenter angeschlossen, der Biogas produziert. Der hier produzierte Abfall nährt dann in einem Leitungssystem Algen. Diese Algen gewinnen für sie wichtige Nährstoffe wie Phosphate daraus. Sie reinigen so das Wasser, das anschließend in einer Pflanzenkläranlage vollständig gesäubert wird. Für ein optimales Raumklima kommt ein System zum Einsatz, das aus einem herkömmlichen Erdwärmetauscher in Kombination mit einem tief im Boden (330 Meter) liegenden, einzigartigen Hochtemperaturspeicher besteht und das über thermische Sonnenkollektoren gespeist wird. Auch die Abwärme aus den Gewächshäusern und aus dem Betriebsprozess wird wiederverwendet.
Sämtliche Dächer wurden als Gründach ausgeführt. Dies fördert die Biodiversität, filtert Wasser und Luft, bietet Kühlung, und darüber hinaus wird das Gründach auch als Experimentierfeld genutzt: Dort werden Studien nach den verschiedenen Vegetationstypen durchgeführt und ihre Brauchbarkeit für diverse Zwecke wie Energieerzeugung untersucht.
Gute Schule
Zu experimentieren und Entscheidungen zu treffen, gehört zum ökologischen Bauen. Sowohl Architekten als auch Auftraggeber müssen mit voller Überzeugung das Abenteuer wagen, Risiken einzugehen. Die unperfekten Konzepte, die dem Prinzip von Cradle to Cradle folgen, werden oft vorgescho­-ben, um schließlich überhaupt nichts Neues zu versuchen. Für den Projektarchitekten Dick van Wageningen bietet dieses Unperfekte aber gerade Möglichkeiten, neue Wege zu erkunden.
Das NIOO hat das Wissen vom ökologischen Bauen erweitert. Claus&Kaan haben mit diesem Gebäude gezeigt, dass die Ökologie nicht die Architektur dominieren muss, sondern ei­nen wichtigen Bestandteil bei jedem Entwurfsschritt darstellt, der bis ins kleinste Detail berücksichtigt werden muss. Mit diesem Bau, der konsequent an frühere Arbeiten anschließt, hat das Büro sein eigenes Idiom erweitert und gleichzeitig eine Vorreiterrolle eingenommen.



Fakten
Architekten Claus & Kaan Architecten, Amsterdam/Rotterdam
Adresse NIOO-KNAW Droevendaalsesteeg 10, 6708 PB Wageningen, Niederlande


aus Bauwelt 30.2012
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