Bauwelt

Richard-Wagner-Museum in Bayreuth


Staab Architekten und HG Merz schufen überzeugende räumliche Auftritte für Musik und Leben des Komponisten, die Opernfestspiele und eine bisweilen unappetitliche Rezeptionsgeschichte


Text: Stock, Wolfgang Jean, München


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    Der gläserne Erweiterungsbau versteckt sich geradezu hinter und zwischen den historischen Gebäuden.
    Foto: Marcus Ebener

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    Der gläserne Erweiterungsbau versteckt sich geradezu hinter und zwischen den historischen Gebäuden.

    Foto: Marcus Ebener

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    Linkerhand Haus Wahnfried, rechterhand der neue Haupteingang ins Richard-Wagner-Museum im Er-
    weiterungsbau
    Foto: Marcus Ebener

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    Linkerhand Haus Wahnfried, rechterhand der neue Haupteingang ins Richard-Wagner-Museum im Er-
    weiterungsbau

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    Foyer des Erweiterungsbaus, die Treppe führt zur Dauerausstellung im Untergeschoss.
    Foto: Marcus Ebener

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    Foyer des Erweiterungsbaus, die Treppe führt zur Dauerausstellung im Untergeschoss.

    Foto: Marcus Ebener

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    Die Dauerausstellung im Untergeschoss des Neubaus widmet sich der Aufführungsgeschichte der Bayreuther Festspiele.
    Foto: Marcus Ebener

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    Die Dauerausstellung im Untergeschoss des Neubaus widmet sich der Aufführungsgeschichte der Bayreuther Festspiele.

    Foto: Marcus Ebener

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    Links ein Modell des Festspielhauses, unten: Hör-station an einem der Lichthöfe und Vitrinen mit historischen Bühnenkostümen
    Foto: Marcus Ebener

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    Links ein Modell des Festspielhauses, unten: Hör-station an einem der Lichthöfe und Vitrinen mit historischen Bühnenkostümen

    Foto: Marcus Ebener

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    Im Siegfried-Wagner-Haus geht es um die Rezeption von Richard Wagners Werk, seine ideologische Vereinnahmung durch die Nachfahren und die Nazis. Die Originalsubstanz wurde nicht verändert, kommentiert wird über Medienstationen, nach Art von „Stolpersteinen“, wie der Museumsleiter es formuliert.
    Foto: Marcus Ebener

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    Im Siegfried-Wagner-Haus geht es um die Rezeption von Richard Wagners Werk, seine ideologische Vereinnahmung durch die Nachfahren und die Nazis. Die Originalsubstanz wurde nicht verändert, kommentiert wird über Medienstationen, nach Art von „Stolpersteinen“, wie der Museumsleiter es formuliert.

    Foto: Marcus Ebener

Richard Wagner und Bayreuth – das ist noch immer vermintes Gelände. Wie sehr, offenbarte sich bei der Museumseröffnung, die von Streit und Zank überlagert war. Im Kreuzfeuer stand vor allem Museumsleiter Sven Friedrich, der eine Doppelrolle zu erfüllen hat: Als Direktor des Richard-Wagner-Museums ist er Angestellter der Stadt, als Leiter des Nationalarchivs ist er zugleich bei der Richard-Wagner-Stiftung beschäftigt. Aus bislang unbekannten Gründen will die Oberbürgermeisterin den Direktor loswerden. Die Publizistin Nike Wagner, Urenkelin des Komponisten, hingegen warf Friedrich beim Festakt vor, dass das berühmt-berüchtigte Filminterview von Hans-Jürgen Syberberg mit Winifred Wagner, die bis zu ihrem Tod 1980 glühende Nationalsozialistin war, in der Dauerausstellung des Museums fehlt. Umso erfreulicher, dass die Architekten um Volker Staab sowohl mit dem städtischen Bauamt als auch mit dem Ausstellungsgestalter HG Merz und der Denkmalpflege vertrauensvoll zusammenarbeiten konnten.
Von den Anstößen für ein neues Richard-Wagner-Museum bis zu seiner Fertigstellung hat es zwölf Jahre gedauert. 2003 legte Sven Friedrich bei der Stiftung ein erstes Konzept vor, aber erst nachdem sich der Bayreuther Stadtrat für die „Große Lösung“ entschieden hatte, fand 2010 ein zweistufiger Realisierungswettbewerb für die Erweiterung des Museums statt, den Staab Architekten aus Berlin gewannen  (Bauwelt 41.2010). Der siegreiche Entwurf überzeugte besonders dadurch, dass der Erweiterungsbau als Pavillon mit optimalem Abstand zum „Haus Wahnfried“, dem Wohnhaus Richard Wagners, auf einem 1930 hinzugekauften Grundstück platziert und der größte Teil der Nutzfläche für Ausstellungsräume und Depots unter die Erde verlegt war. Das Versprechen des Wettbewerbsentwurfs ist nun im Bauwerk eingelöst. Zusätzlich haben die Architekten, ebenfalls in Verbindung mit HG Merz, zwei weitere Aufgaben gelöst, die nicht Gegenstand des Wettbewerbs waren: die Sanierung von Haus Wahnfried und die Umgestaltung des Erdgeschosses im benachbarten Siegfried-Wagner-Haus. Beide Gebäude enthalten wesentliche Teile der neuen Dauerausstellung.

Der Neubau

Wer die Museumsanlage von Norden her betritt, auf der in ihrer ursprünglichen Länge wiederhergestellten Allee, nimmt zunächst nur die historischen Gebäude war: linkerhand das Siegfried-Wagner-Haus, in der Mitte den Solitär von Haus Wahnfried und auf der rechten Seite das frühere Gärtnerhaus, das nunmehr ein kleines Café beherbergt. Der große und ungestörte Bereich des vorderen Gartens strahlt eine fast erhabene Ruhe aus. Erst beim Näherkommen bemerkt man den Neubau, der mit dem Gärtnerhaus auch funktional verbunden ist. Das flache Gebäude von Staab Architekten ist nicht „spektakulär“, wie Eleonore Büning in der FAZ schrieb, sondern das Gegenteil davon: Der zum südlichen Garten hin völlig verglaste Pavillon ist ein Musterfall für zurückhaltende Architektur, die sich dem Respekt vor dem Bestand verpflichtet fühlt. Die Leichtigkeit des Gebäudes wird durch viele Details betont, nicht zuletzt durch die feinen Proportionen des Vordachs. Die Ganzglasfassade mit ihrer dunkel eloxierten Aluminium-Konstruktion wirkt fast fugenlos, die schlanken Profile sind
lediglich 38 Millimeter stark. Mit dieser minimierten Konstruktion waren sogar mehrere Schiebe-Elemente möglich, durch die sich der Pavillon zum Garten hin öffnen lässt. Auch bei den anderen Materialien haben sich die Architekten an-genehm beschränkt: Der Boden ist einheitlich schwarzer Terrazzo, alle Einbauten haben Oberflächen aus farblos geöltem Eichenholz. Wer nach einem Beispiel für „Weniger ist mehr“ sucht – hier wird er es finden.
Im Erdgeschoss des Pavillons befinden sich der Haupteingang zum Museum, der Zugang zum Café, die üblichen Servicebereiche sowie ein Foyer, von dem aus der Weg zur großen Fläche für Sonderausstellungen führt. Deren Decke ist hell gestrichen, während der seitliche Gang entlang der Glaswand eine dunkle Decke hat, die farblich auf die künstlich belichteten Räume im Untergeschoss einstimmt. Dort widmet sich die Dauerausstellung mit in einem langen Regal gestapelten historischen Bühnenbildmodellen und mit Original-Kostümen in frei stehenden Glasvitrinen der Aufführungsgeschichte der Bayreu-ther Festspiele bis zur Gegenwart. Tageslicht erhalten lediglich die Hörstationen, über zwei zur westlichen Grundstücksgrenze hin eingeschnittene Höfe. Das große unterirdische Depot bleibt dem Publikum verborgen.

Haus Wahnfried: Leben und Werk

Vom Neubau aus kann man durch einen Verbindungsgang unmittelbar in das Untergeschoss von Haus Wahnfried gelangen. Wie in einer „Schatzkammer“ (HG Merz) sind dort Original-Partituren und Handschriften Wagners ausgestellt, an einer „interaktiven Partitur“ kann der Besucher selbst tätig werden. Die Atmosphäre ist absichtsvoll feierlich gehalten, um Wagner als Mythos zu inszenieren. Eine Art Weihestätte bildet schließlich die Rotunde: Dort steht eine Büste des Meisters vor einem dramatisch beleuchteten, kupfergoldfarbenen Vorhang – und sogar die gegenüber angebrachten Radiatoren sind goldfarben gestrichen.
Haus Wahnfried, 1872–74 erbaut, hatte im Zweiten Weltkrieg einen schweren Bombentreffer erhalten und wurde von 1974 bis 1976 rekonstruiert. Zuvor hatte die Familie Wagner das Gebäude der Stadt Bayreuth geschenkt, die es wiederum der Richard-Wagner-Stiftung für museale Zwecke überließ. Die jetzige Sanierung der Villa, die parallel zum Neubau verlief, bedeutete glücklicherweise auch das Ende einer muffigen Museumsschau. Das Haus wurde baulich wie inhaltlich gründlich entrümpelt. In Abstimmung mit der Denkmalpflege konnten dabei auch historische Schichten freigelegt werden, so etwa nach originalen Befunden die hellblaue Wandfarbe im Treppenhaus.
Das historische Esszimmer und der „Lila Salon“ hingegen sind räumliche Anmutungen aufgrund von historischen Schwarz-Weiß-Aufnahmen. Zusammen mit der imposanten zweigeschossigen Halle (in deren Oberlicht die HL-Technik verborgen ist, wie auch in der Decke des Wohnzimmers) sollen die Wohnräume möglichst viel von Wagners Lebenswelt vermitteln. Wo Möbel nicht mehr vorhanden oder auffindbar waren, stehen Stellvertreter, die mit weißen Hussen überzogen sind. Im Obergeschoss wie in den beiden Kammern des Zwischengeschosses wird das Leben von Richard Wagner und seiner Frau Cosima nachgezeichnet – mit Dokumenten und Fotos, aber auch mit original erhaltenen Kleidungsstücken und Dingen des Hausrats. HG Merz hat hier alle Wände und Möbel neutral weiß streichen lassen und auf Einbauten verzichtet. Niedrige Vitrinen aus Holz und hohe aus Glas nehmen die Exponate auf.
Stolpersteine im Siegfried-Wagner-Haus
Das Wohnhaus für Siegfried, den Sohn des Komponisten, wurde 1894 nach einem Entwurf von Carl Wölfel (dem Architekten von Haus Wahnfried) im Stil der Neurenaissance fertiggestellt und in den dreißiger Jahren durch Hans Reissinger erheblich erweitert. Dieses Gebäude ist der historisch am meisten belastete Ort auf dem Gelände. Zum einen, weil dort auf Einladung von Siegfrieds Ehefrau Winifred viele Nazi-Größen, angefangen bei Hitler, ein und aus gingen, zum anderen, weil die bis zu ihrem Lebensende von der NS-Ideologie überzeugte Hausherrin seit 1957 dort wieder wohnen durfte, nachdem es die US-Armee als Offiziersclub und zuletzt als Bordell genutzt hatte. Erstmals wird nun das aus den dreißiger Jahren erhaltene Erdgeschoss den Besuchern zugänglich gemacht.
Das originale Esszimmer der früheren Hausherrin beweist einen jämmerlichen Geschmack, ihr Arbeitszimmer ist fast leer geräumt. Wichtig ist das denkmalgeschützte Kaminzimmer mit seiner düsteren Vollholzverkleidung, in dem Winifred Wagner ihre Gespräche mit Hitler führte. Wie an anderen Stationen der Ausstellung Richard Wagners Antisemitismus nicht mehr unterschlagen wird, so wird hier nicht mehr schönfärberisch von einer „Verstrickung“ der Familie mit den Nazis gesprochen, sondern von Tatsachen: „Hier wird die Ideologiegeschichte Wagners dargestellt, die enge Verbindung zwischen Bayreuth und der NS-Diktatur beleuchtet und schließlich werden die persönlichen Beziehungen der Familie Wagner zu den Nationalsozialisten und zu Adolf Hitler dokumentiert.“ Dies geschieht durch kleine Texttafeln und durch Medienstationen, die „wie Stolpersteine“ (Sven Friedrich) auf die Böden montiert sind und Dokumente, Bilder sowie Filme zeigen. Ob das reicht? Das Museum sollte auf jeden Fall nochmals bei Hans-Jürgen Syberbergwegen seines Filminterviews mit Winifred Wagner anklopfen.



Fakten
Architekten Staab Architekten, Berlin; HG Merz, Stuttgart; Carl Wölfel (1833-1893)
Adresse Richard-Wagner-Straße 48,95444 Bayreuth


aus Bauwelt 39.2015
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