Bauwelt

Schule des deutschen Buchhandels



Text: Elser, Oliver, Frankfurt am Main


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    Stefan Müller

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Der Campus der Buchhändlerschule in Frankfurt am Main kann als „Normalfall“ für den Status quo der Nachkriegsmoderne gelten: ein in früheren Sanierungen überformter Bestand ohne Denkmalschutzauflagen. Mit der energetischen Sanierung gelang es Dirk Miguel Schluppkotten, den Bestand neu zu interpretieren.
Nachdem die Architekten Walter Schwagenscheidt und Tassilo Sittmann im Jahr 1962 am Ortsrand des Frankfurter Stadtteils Seckbach die Berufsschule für den Deutschen Buchhandel fertiggestellt hatten, wurde das Ergebnis in einer ganzen Serie von Postkarten festgehalten. Die Internatsschüler konnten damit Grüße in die Heimat schicken. Für heutige Betrachter sind die Karten ein wichtiges Dokument, das den Urzustand des seither umgebauten und erweiterten kleinen Campus zeigt.
Als die Architekten Dirk Miguel Schluppkotten und Karsten Schubert im Jahr 2006 die energetische Sanierung des Ensembles übertragen bekamen, fanden sie das rote Ziegelmauerwerk weiß überstrichen vor, ein fast vollständiger Austausch der Fenster hatte stattgefunden, und ein markantes „Luftgeschoss“ im Eingangsbereich des Internats war geschlossen worden. Trotzdem: Die hohe Qualität der Campus-Architektur im landschaftsplanerisch sorgsam gestalteten Grünraum war noch deutlich wahrnehmbar. Was unter anderem daran lag, dass man in den Innenräumen nahezu keine Veränderungen vorgenommen hatte. Dort waren die rohen Ziegel­oberflächen noch sichtbar, die zusammen mit einem tadellos erhaltenen schwarzen Werksteinboden und naturbelassenen Holzeinbauten eine Raumstimmung ergaben, die man spöttisch als „Evangelische Gemeindehausarchitektur“ bezeichnen könnte. Dass einem als Referenz zunächst einmal dies in den Sinn kommt und nicht beispielsweise Alvar Aaltos MIT-Wohnheim oder das Rathaus von Säynätsalo (1946 bzw. 1949), liegt vermutlich daran, dass unser Gespür für die vielfältigen Strömungen der Architektur jener Zeit noch schwach ausgeprägt ist. Der Effekt solcher im Rohzustand belassenen Materialien ist nach 40 Jahren Benutzung angemessen zu würdigen, denn aufgrund ihrer Robustheit zeigt sich zwar Patina, aber kein Sanierungsbedarf.

Bestandsgerechte Wärmedämmung

Da die Berufsschule nicht unter Denkmalschutz stand, kam eine aufwendige Erhaltung der äußeren Mauerwerksstruktur aus Kostengründen nicht in Frage. Stattdessen entwickelten die Architekten eine Strategie, wie der Normalfall der energetischen Sanierung, also das gefürchtete Aufkleben eines konventionellen Wärmedämmverbundsystems (WDVS), in möglichst bestandsgerechter Weise erfolgen könnte. Der Besucher trifft nach Betreten des Campus zunächst auf ein Internatsgebäude aus der ersten, der Schwagenscheidt-Sittmann’schen Bauphase, bei dem die bestehenden, aber nicht mehr origina­len Fenster erhalten werden sollten. Da die Dämmung zwangsläufig auch in die Fensterlaibungen eingebracht werden musste und so den feststehenden Rahmenteil fast vollständig verdeckt, entsteht eine Art „Scharfzeichnung“ des Bauwerks: Die tiefen Öffnungen der Fenster gewinnen an Dominanz, der gestalterische Mehrwert bewegt sich, trotz sorgfältiger Bewältigung der einen oder anderen kniffligen Stelle, im Rahmen dessen, was im Normalfall eben zu erwarten ist. Bei dem Bauherr, der sich der Qualität des Schulgeländes sehr wohl bewusst ist, bewirkte dieses Ergebnis ein Umdenken. Bei allen folgenden Maßnahmen wurden die Fenster ausgetauscht und dorthin verlegt, wo sie in einem WDVS sinnvollerweise angebracht sind: in die Ebene der neuen Dämmung.
So gelang es, hochwertige Holzfenster in bisweilen riesi­gen Formaten einzubauen, die auf der Wetterseite mit einer Aluverblendung geschützt sind. Die Lackierung des aufgesetzten Rahmens erfolgte in zwei leicht unterschiedlichen Weißtönen, die auf die jeweils umgebende Feinputzfarbe abgestimmt sind. Dadurch, dass an jeder Gebäudekante die Putzfarbe subtil wechselt, erhält das Ensemble eine höhere Plastizität, als dies bei einer durchgehend gleichen Farbgebung der Fall wäre. Auf den Innenseite der neuen Fenster zeigt sich das scheinbar roh belassene Holz. Die sibirische Lärche („wegen der engen Jahresringe gewählt“, so Schluppkotten) wurde zwar mehrfach behandelt, erscheint aber nicht wie lackiert, sondern ergänzt den Materialpurismus der Innenräume als seien diese Fenster schon immer dort eingebaut gewesen.

Vereinheitlichte Bauabschnitte

Im Bereich des historisch gesehen zweiten Bauabschnitts der Schule, errichtet durch die Architekten Wolfgang Bader und DW Dreysse im Jahr 1972, wurden die dort im Brüstungsbereich eingebauten Blindfenster nun durch Glas ersetzt. Da sich der Austausch der Fenster über den gesamten Campus zieht, verschwinden die architektonischen Unterschiede zwischen 1962 und 1972, was zugunsten einer stärkeren Ensemblewirkung sehr vorteilhaft ist. So bilden die sanierten Gebäude ei­nen ruhigen Hintergrund für die auffallend sorgfältig platzierten Bäume und Sträucher.
Im Bereich der Sanierung des 1972er-Bauabschnitts, der ein weiteres Wohnheim sowie die Bibliothek umfasst, wurde auch das Innere teilweise modernisiert. Dort gaben Brandschutzauflagen zum Einkoffern von Leitungssträngen den Anstoß dafür, aus den Kabeltrassen ein architektonisches Gestaltungselement zu machen, mit dem Gänge und Zimmertüren durch indirekte Lichtführung aufgewertet werden. Auch dies eine Maßnahme im Rahmen der vorbildhaften Strategie, den Bestand nicht nur zu erhalten, sondern ihn regelrecht zu überhöhen.



Fakten
Architekten Dirk Miguel Schluppkotten, Frankfurt am Main
Adresse Wilhelmshöher Str. 283, 60389 Frankfurt am Main


aus Bauwelt 20.2010

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