Wochenendhaus im Odenwald
Nach dem Umbau durfte das Wochenendhaus nicht größer sein als vorher, aber es sollte mehr Platz bieten. Mit bemerkenswerter räumlicher Raffinesse hat das Büro NKBAK dieses Paradoxon aufgelöst.
Text: Friedrich, Jan, Berlin
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Bauen auf dem Dorf und was man im Dorf davon hält: Die Nachbarn sind weniger von der ungewöhnlichen Form des Hauses irritiert als vielmehr vom Fassadenmaterial – mit Holz baut man hier Scheunen und Ställe, keine Häuser.
Foto: Thomas Mayer
Bauen auf dem Dorf und was man im Dorf davon hält: Die Nachbarn sind weniger von der ungewöhnlichen Form des Hauses irritiert als vielmehr vom Fassadenmaterial – mit Holz baut man hier Scheunen und Ställe, keine Häuser.
Foto: Thomas Mayer
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Der Vorgängerbau wurde ...
Foto: Architekten
Der Vorgängerbau wurde ...
Foto: Architekten
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... bis auf Sockelgeschoss und Deckenplatte abgetragen.
Foto: Architekten
... bis auf Sockelgeschoss und Deckenplatte abgetragen.
Foto: Architekten
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Der Balkon musste aus statischen Gründen verkürzt werden.
Foto: Thomas Mayer
Der Balkon musste aus statischen Gründen verkürzt werden.
Foto: Thomas Mayer
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Der diagonale First hat das Volumen des Hauses vergrößert, sodass ein zusätzliches Dachgeschoss möglich wurde.
Foto: Thomas Mayer
Der diagonale First hat das Volumen des Hauses vergrößert, sodass ein zusätzliches Dachgeschoss möglich wurde.
Foto: Thomas Mayer
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Blick in eines der beiden Schlafzimmer im Dachgeschoss
Foto: Thomas Mayer
Blick in eines der beiden Schlafzimmer im Dachgeschoss
Foto: Thomas Mayer
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Das Balkongeländer ist, neu verzinkt, erst zurückgekehrt, als der Fotograf weg war.
Foto: Thomas Mayer
Das Balkongeländer ist, neu verzinkt, erst zurückgekehrt, als der Fotograf weg war.
Foto: Thomas Mayer
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Im Obergeschoss mit dem Wohn-/Essbereich haben sich, jeweils an der Fassade, zwei Lufträume ergeben.
Foto: Thomas Mayer
Im Obergeschoss mit dem Wohn-/Essbereich haben sich, jeweils an der Fassade, zwei Lufträume ergeben.
Foto: Thomas Mayer
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Das mit 64 Schrauben verankerte Blech an der Decke verhindert das Klaffen der Fuge zwischen den beiden vom Dach abgehängten Schlafzimmern.
Foto: Thomas Mayer
Das mit 64 Schrauben verankerte Blech an der Decke verhindert das Klaffen der Fuge zwischen den beiden vom Dach abgehängten Schlafzimmern.
Foto: Thomas Mayer
Nicht weit von hier soll im vergangenen Jahr ein Wolf gesichtet worden sein, der erste im Odenwald seit 150 Jahren. Man glaubt das sofort, obwohl die Autofahrt von der Frankfurter Innenstadt hierher kaum eine Stunde gedauert hat. Doch wenn man am Ende der Strecke, die auf den letzten Kilometern durch ein hügeliges Tal führt, das bei dieser Hochsommerhitze frappierend an die Toskana erinnert, aus dem Wagen gestiegen ist, die Tür hat ins Schloss fallen lassen und kurz innehält – hört man: nichts. Wirklich gar nichts.
Genau diese Ruhe war es, die die Bauherren, ein Ehepaar aus Frankfurt am Main, vor inzwischen schon etlichen Jahren dazu veranlasst hatte, das Grundstück oberhalb des winzigen Örtchens zu kaufen, um hier mit ihren drei Kindern die Wochenenden verbringen zu können. Es ist aber nicht allein diese ungewohnte Stille, die einen, kaum dass man angekommen ist, vom Großstadtalltags- in den Landlebenerholungsmodus umschalten lässt: Vor allem die Aussicht ist großartig. Man schaut über das gesamte Tal, auf Berge mit so schönen Namen wie Stotz, Küfersberg oder Dachsberg; bei gutem Wetter reicht die Sicht bis zu den zwanzig Kilometer entfernten Gipfeln der hessischen Bergstraße.
Das innen ziemlich heruntergekommene und für ihre Belange eigentlich zu kleine Häuschen, das auf dem Grundstück stand, wollten die Bauherren recht bald gegen ein neues ersetzen. Bis es dann tatsächlich so weit war, hat es einige Jahre gedauert. Genau genommen ist das neue Wochenendhaus, das hier schließlich errichtet worden ist, auch gar kein vollständiger Neubau: Das halb in den Hang eingegrabene Sockelgeschoss des Altbaus blieb erhalten; der Statiker hatte dringend abgeraten, auch nur eine der Stützwände wegzunehmen, zu groß sei die Gefahr, dass der Hang ins Rutschen komme.
Somit stand fest, dass sich die fast quadratische, rund acht auf acht Meter große Grundfläche des Hauses nicht verändern würde. Aus der Gemeindeverwaltung kam zudem der Wunsch, dass das exponiert gelegenen Haus nach dem Umbau insgesamt nicht wesentlich größer sein möge als zuvor. Doch natürlich wünschten sich die Bauherren mehr Platz.
Aus solch kniffligen Randbedingungen eine originelle, aber am Ende vollkommen selbstverständlich erscheinende Lösung austüfteln – das ist genau nach dem Geschmack von Nicole Kerstin Berganski und Andreas Krawczyk, die seit 2007 in Frankfurt am Main gemeinsam das Büro NKBAK führen, das mit seinen Schulen aus Holzmodulen bekannt geworden ist (Bauwelt
21.2015 und
20.2017). Ihre Idee für das Wochenendhaus: das Obergeschoss des Altbaus abreißen und auf dem verbleibenden Sockelgeschoss ein neues Obergeschoss aufsetzen, dessen First – und das ist der Clou bei der Sache – nicht parallel zu den Außenmauern verläuft, sondern diagonal. Auf diese Weise vergrößerte sich das Volumen des Hauses nicht wesentlich, aber doch genug, um ein zusätzliches Geschoss zu gewinnen und unter dem Dach zwei Schlafzimmer unterbringen zu können.
Die Außenwände des Neubaus sind als Holzständerkonstruktion ausgeführt, die beiden dreieckigen Dachflächen aus Brettschichtholz. Die Schlafräume unter dem Dach sind ebenfalls aus Brettschichtholz; statisch gesehen handelt es sich bei ihnen um zwei Kästen, die an den Dachflächen hängen. Der darunter gelegene Wohn-/Essbereich konnte somit stützenfrei bleiben – eine tragwerksplanerische Herausforderung, die mithilfe unzähliger Schrauben im Holz gelöst wurde. Auf der Wohnebene kommt die räumliche Raffinesse, die sich aus der Kombination von Diagonalfirst und den beiden darunter hängenden Räumen ergibt, überhaupt erst so richtig zum Tragen. Hier sind nämlich zwei gegeneinander versetzte Lufträume „übrig geblieben“, die das Obergeschoss mit seiner nicht eben üppigen Grundfläche unerwartet großzügig wirken lassen. Es ergab sich dann quasi von selbst, an den beiden Seiten, an denen der Luftraum an die Fassaden „stößt“, diese großflächig zu öffnen: hangseitig an der Küche und talseitig am Wohnbereich mit der grandiosen Aussicht.
Von außen haben die Architekten den gemauerten Bestand und den hölzernen neuen Aufbau mit einer durchgängigen vertikalen Schalung aus sägerauer Douglasie vereinheitlicht. Wer genau hinschaut, kann allerdings auch hier Alt und Neu unterscheiden: Die völlig roh belassene Betonplatte des Balkons ist unverkennbar Teil des Bestands, auch das alte Geländer wurde wiederverwendet. An der Seite des Hauses ist das Auflager einer alten Außentreppe stehengeblieben. Eigentlich wollten NKBAK die ganze Treppe erhalten. Der Abrissunternehmer war schneller.
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