Zoofenster
Wilder Westen
Text: Tempel, Christoph, Berlin
Die neue Dominante am Breitscheidplatz ist auf dessen Westseite das Hochhaus Zoofenster mit dem Hotel Waldorf Astoria. Der Turm Christoph Mäckler steht auf einem Sockelblock zwischen Kant- und Hardenbergstraße
Sonntags im Romanischen Café: Die Frage nach einer ergänzenden Morgenlektüre zum Tagesspiegel beantwortet der dienstbeflissene Kellner mit einem freundlichen, aber ebenso wenig glücklich machenden: „Morgenpost“. Wir befinden uns in Westberlin, ganz eindeutig, auch wenn der Zungenschlag südöstlichere deutsche Lande vermuten lässt.
Sie wissen nicht, wo das berühmte Romanische Café ist? Ich auch nicht, aber ein Aufguss gleichen Namens befindet sich seit letztem Jahr unter der Ägide der Luxushotelkette Waldorf Astoria im sogenannten Zoofenster, Hardenbergstraße, Ecke Breitscheidplatz. Die Vorrede zur erlesenen Speisekarte verweist auf den berühmten, ursprünglich auf der anderen Seite der Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche situierten Vorgänger, bemüht das schale Bild der Goldenen Zwanziger Jahre in Berlin und auch den Zeitzeugen Erich Kästner mit seinem Zitat vom Romanischen Café als „Wartesaal der Talente“. Seinen Nachtrag: „Es gibt Leute, die hier seit zwanzig Jahren, Tag für Tag, aufs Talent warten. Sie beherrschen, wenn nichts sonst, so doch die Kunst des Wartens in verblüffendem Maße“, verschweigt man – aus nachvollziehbaren Gründen. Aber das Café ist auch nicht für die Berliner gemacht, es wendet sich an Touristen, wie überhaupt das ganze Hotel und das hohe Haus in dem es residiert, sich diese Gruppe zum Ziel gesetzt zu haben scheinen.
Zuckersüß und etwas zäh ergießt sich denn auch die Werberprosa der konzerneigenen Homepage über die unterschiedlichen Zimmer und Suiten des Waldorf Astoria: „Das purpurfarbene Dekor unserer King Deluxe Zimmer rundet die majestätische Kulisse und großzügig geschnittenen Zimmer des Hotels ab und verleiht dem luxuriösen Mobiliar und der historischen Umgebung eine ausgleichende Wirkung. (…) Der atemberaubende Blick über die Skyline Westberlins vollendet die perfekte Hotelerfahrung.“ Hier sei nur eine Kategorie der 152 Deluxe-Zimmer aufgeführt, für die 80 Suiten, die auf so schöne Namen wie Junior, Corner, Tower, Ambassador King und Präsidenten-Suite hören, sind die Beschreibungen nicht weniger blumig.
Doch innen und außen sind wenig kongruent, weswegen die Beschreibung des eigenen Entwurfs in der Pressemitteilung aus dem Büro des Architekten Christoph Mäckler nüchterner ausfällt: „Das Zoofenster mit seinem Blockrand greift die für Berlin typische Bauform des Häuserblocks auf. Die Fassade des Baus wurde in hellem Naturstein ausgeführt. Der Entwurf für das Hochhaus beruht auf dem Konzept der vertikalen Nutzungsmischung. Das 32 Geschosse hohe Bauwerk beherbergt gewerbliche Nutzung, ein Hotel der Luxusklasse und flexibel nutzbare Büroflächen.“ Blockrand und vertikale Nutzungsmischung sind die Schlüsselworte, mit denen Mäckler auf die Vorgaben des Ortes und die Empfehlungen aus einer 1997 entwickelten Planungsstudie zum Breitscheidplatz reagiert. Die sahen vor, dass die Randbebauung und vor allem die Erdgeschosszonen so intensiv wie möglich an den Breitscheidplatz angeschlossen sein müssten, sodass öffentlicher Raum, Geschäfte und Restaurants voneinander profitieren.
„Die Planung eines Hochhauses an dieser Stelle“, heißt es bei Mäckler, „schafft eine Korrespondenz zu den anderen in der Nähe angesiedelten hohen Gebäuden und wirkt einer weiteren Zusammenhanglosigkeit zwischen unterschiedlichen Großformen entgegen.“ Um den Markenwert bemüht, schreibt der Architekt Zoofenster in Großbuchstaben und lässt es in einer Publikation besingen, kaum dass es fertiggestellt ist: „Nachts ist das neue Zeichen so sichtbar wie am Tag. Das Licht aus dem siebengeschossigen gläsernen Aufsatz, mit dem Mäcklers Zoofenster-Hochhaus abschließt, strahlt wie ein gigantischer, weithin sichtbarer Leuchtturm und vermischt sich mit dem Gefunkel um den Breitscheidplatz zu einem städtischen Lichtereignis, in dem das tiefe Blau, das aus Egon Eiermanns neuer Gedächtniskirche dringt, einen aparten Kontrast bildet.“ Oder: „Besondere Sorgfalt gilt der Gestaltung der Fassaden, die, durch Vor- und Rücksprünge gegliedert und mit massiven hellbeigen Kalkplatten verkleidet, ein dezentes Farbsignal senden. Harmonisch erscheinen die bronzierten Aluminium-Kastenfenster in das Farbklima integriert.“
Man fragt sich, ob der Breitscheidplatz durch Hochhäuser genesen kann, auch angesichts eines im Bau befindlichen, ebenso hohen Nachbarn. Beide rahmen zukünftig die Einmündung der Kantstraße. Ob es dort weniger ziehen wird, als unter dem Brückenbau des Vorgängers, Schimmelpfeng-Haus genannt, wird sich zeigen. Mit Berlin hat das Ganze wenig zu tun, aber das muss es vielleicht auch nicht.
Upper West | Als südliches Pendant zum Zoofenster baut zurzeit die Strabag Real Estate den Upper West Tower. Architekten sind Christoph Langhof (Fassadenplanung) und KSP Jürgen Engel Architekten. Die beiden gleichhohen Türme werden den Beginn der Kantstraße markieren, vergleichbar den ebenfalls steinernen und gläsernen Türmen von Hans Kollhoff und Helmut Jahn am Potsdamer Platz.
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