Regen in Dubai
Sonnenkollektoren, Windtürme und energieautarke, autofreie Siedlungen: Das bekamen Besucher im Rahmenprogramm der Baumesse BIG 5 2015 in Dubai zu sehen – nicht mehr die üblichen Höher-schneller-teurer-Projekte. Haben die Golfstaaten die ökologische Wende eingeleitet? Oder nur einen Imagewandel?
Text: Brensing, Christian, Berlin
Regen in Dubai
Sonnenkollektoren, Windtürme und energieautarke, autofreie Siedlungen: Das bekamen Besucher im Rahmenprogramm der Baumesse BIG 5 2015 in Dubai zu sehen – nicht mehr die üblichen Höher-schneller-teurer-Projekte. Haben die Golfstaaten die ökologische Wende eingeleitet? Oder nur einen Imagewandel?
Text: Brensing, Christian, Berlin
Statistisch gesehen regnet es in Dubai an fünf Tagen im Jahr. Einer davon fiel in die vier Tage Ende November letzten Jahres, an denen die Baumesse BIG 5 im Dubai World Trade Center stattfand. Natürlich konnten die Veranstalter erneut ein Wachstum im Vergleich zum Vorjahr und neue Rekorde an Ausstellern und Teilnehmern vermelden: Der wirtschaftliche Boom der Vereinigten Arabischen Emirate ist ungebrochen – trotz des niedrigen Ölpreises. Dem konnte auch ein Tag mit Pfützen und grau-verhangenem Himmel nichts anhaben. Bemerkenswert ist aber schon, dass im Veranstaltungsprogramm der BIG 5 in diesem Jahr vermehrt Themen auftauchten wie erneuerbare Energie, LEED-Zertifizierung, Green-Building-Strategien, Dauerhaftigkeit von Betonkonstruktionen und – man höre und staune – bezahlbarer Wohnungsbau. Befinden sich die Golfstaaten an einem Wendepunkt? Die auf Superlative und Luxus bauenden Investitionen wie auch das damit gekoppelte Konsumverhalten scheinen jedenfalls an ihre Grenzen zu stoßen. Die Bedürfnisse der Bevölkerung sind offenbar nicht mehr allein mit schöner, höher, weiter, schneller und teurer zu befriedigen.
Die in Dubai ansässige multinationale MAG Gruppe realisiert in der Nähe des Al Maktoum International Airport den „MAG 5 Boulevard“. Dreizehn Häuser dort, mit mehr als 1000 Wohnungen, werden als „affordable housing“ bezeichnet. Der erste von drei Bauabschnitten soll 2018 übergeben werden, die Preise liegen zwischen 142.000 Dollar für eine Einzimmerwohnung und 403.000 Dollar für eine Dreizimmerwohnung mit Garten. Das ist nichts mehr für superreiche Investoren aus Saudi-Arabien oder Russland, sondern für etwas weniger Betuchte aus Indien, Pakistan oder gar Großbritannien. Viele Menschen aus diesen Ländern leben in den Golfstaaten – und haben nicht nur ihr Geld dort geparkt. Ziel, so die MAG, sei ein bewohnter Stadtteil ohne leerstehende Spekulationsobjekte, mit sozial durchmischter Bevölkerung, die zu Fuß (!) in dem Quartier unterwegs ist.
Weitergehende ökologische Ansprüche adressiert die „Sustainable City“, die der ortsansässige Entwickler Diamond Developers vor den Toren Dubais buchstäblich in die Wüste pflanzt. Das Areal liegt in der Nähe des Expo-2020-Geländes, vom Stadtzentrum mit dem Auto über Schnellstraßen in rund 40 Minuten zu erreichen. 46 Hektar Wüstensand sollen bis Ende 2016 dort „erblühen“. Vier Reihen aus 2500 mindestens zehn Meter hohen Bäumen sollen das Gelände gegen die Wüste abschirmen. Ein Drittel der Gesamtfläche ist Infrastruktur-Bauten vorbehalten – Moschee, Einkaufszentrum, Schule, Hotel, Science-Museum mit Planetarium, Innovationszentrum, Reitstall, Sportplatz, Country Club – und einer „grünen Achse“ mit elf Gewächshäusern, in denen Gemüse für die Anwohner angebaut werden soll. Auf der übrigen Fläche entstehen fünf Cluster aus je einhundert eng nebeneinander platzierten „Stadtvillen“ mit drei bis vier Schlafzimmern. Das Raster der Straßen und Wege – sogenannte Sikkas – ist engmaschig, um Schatten zu erzeugen. Die für die Region typischen Windtürme sind in regelmäßigen Abständen im Straßenraum verteilt. Sie sollen die Außentemperaturen im Sommer von bis zu 50 Grad Celsius zumindest im unmittelbaren Umfeld der Türme um einige Grad reduzieren.
Jeder Käufer eines Hauses in der Sustainable City erhält ein elektrisches Golfmobil. Nachdem er sein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor auf dem mit Solarkollektoren überdachten Hauptparkplatz zurückgelassen hat, gelangt er mit dem Elektorfahrzeug zu seinem Domizil – einem nach Norden ausgerichteten, gedämmten Haus aus Betonfertigteilen mit Solarkollektoren für Elektrizität und Warmwasser auf dem Dach. Viele der Villen verfügen über eine kleine Rasenfläche, Swimmingpools gehören hier nicht zur Standardausstattung. Den Aussagen des Projektentwicklers zufolge sind die Villen energetisch autark. Ende 2016 soll der erste Bauabschnitt bezogen werden. Wie die von Luxus und Großzügigkeit verwöhnten Dubaianer mit einem solch strengen baulichen, funktionalen und ökologischen Reglement klarkommen?
Schon seit 2012 in Betrieb ist das Verwaltungsgebäude der Dubai Elektrizitäts- und Wasserversorgung. Es gilt als größtes öffentliches Gebäude der Welt, das mit LEED-Platin ausgezeichnet wurde. Von 110 möglichen LEED-Kriterien wurden 98 erfüllt. Besieht man sich das unscheinbare mit grauen Metallpaneelen verkleidete Gebäude neben einer Zementfabrik und allerlei Gewerbebauten, möchte man dem wenig Glauben schenken. Das ändert sich, wenn man das Dach des über 31.000 Quadratmeter großen Gebäudes betritt. Fast die ganze Dachfläche ist mit aufgeständerten Sonnenkollektoren bedeckt. Unter den Kollektoren wachsen ortstypische Pflanzen und Gemüse, das die Angestellten ernten. 30 Prozent der Energie, die das Gebäude benötigt, soll von erneuerbaren Quellen kommen.
Was beim Besuch aller Projekte ins Auge fällt: der extreme Grad an Korrosion – die Luftfeuchtigkeit in Dubai liegt bei rund 80 Prozent – und die starke Verschmutzung der Glas- und Solarelemente-Flächen durch den feinen Flugsand aus der Wüste. Die Solarpaneele müssen alle zwei bis drei Wochen vom Sand gesäubert werden – ein hoher Aufwand, der in der Sustainable City durch die Übernahme der kompletten Wartungskosten durch den Projektentwickler kaschiert wird. Statistisch gesehen gibt es in Dubai eben nur fünf Mal im Jahr Regen, der den Sand wegspülen könnte.
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