Bauwelt

Berlin guckt in die Röhre

Hauptstadtflughafen in Schönefeld

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

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    Den internationalen Wettbewerb zur Erweiterung des "Bao`an International Airport" in Shenzen gewannen im Jahr 2008 ...
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Berlin guckt in die Röhre

Hauptstadtflughafen in Schönefeld

Text: Redecke, Sebastian, Berlin

Eigentlich sollte der neue Willy-Brandt-Flughafen von Berlin deutlich unter einer Milliarde Euro kosten. Nach vier oder fünf Verschiebungen des Eröffnungstermins kalkuliert man inzwischen mit knapp fünf Milliarden. Wer verantwortet diese Mehrkosten und die der möglichen Schadensersatzforderungen?
Im chinesischen Shenzhen wurde der viertgrößte Flughafen des Landes in nur fünf Jahren geplant und gebaut. Er kostete unter einer Milliarde Euro und wurde im November eröffnet. Wie lange er was taugt, ist eine andere Frage.
Zugegeben, Massimiliano Fuksas ist kein Architekt der ausgearbeiteten Details, beileibe nicht. Seine Bauten werden bestimmt vom großen Wurf mit einer manchmal formal fragwürdigen Idee. Dem Römer gelingt es aber mit seiner Art und mit Hilfe von Fachleuten für die Konstruktion immer wieder, eine allein für das Auge erdachte Hülle eindrucksvoll in Szene zu setzen. Man muss sie nur mögen. Der zuletzt eröffnete Großflughafen mit schwungvollem Waben-Lichtdach stammt von ihm und seiner Frau Doriana. Er heißt Bao’an International Airport und ist der neue Stolz der aufstrebenden südchinesischen Stadt Shenzhen. Um die Planungs- und Bauzeiten des viertgrößten Flughafens im Land wird nicht viel Aufhebens gemacht. Sie sollten aber besonders in Berlin aufhorchen lassen: Der Wettbewerb war 2008 entschieden worden, nach nur fünf Jahren wurde der Flughafen mit seinen 62 Rüsseln Ende November eröffnet – geplant von einem Architekturbüro, dass noch nie zuvor mit einer solchen Bauaufgabe betraut war.
Und Berlin?
Shenzhen ist nicht mit Berlin zu vergleichen, gerade von Gerkan, Marg und Partner (gmp), die Entwurfsarchitekten des Willy-Brandt-Flughafens in Berlin, wissen dies genau. Sie sind das deutsche Büro mit den größten Erfolgen und Aufträgen in China. Doch wenn man zurückblickt, kommen einem auch andere Flughäfen in den Sinn, die mit festem Terminplan und großer Professionalität in einem Rutsch geplant und realisiert wurden. Ein Beispiel aus früheren Zeiten ist der Kansai International Airport von Osaka. Er wurde von Renzo Piano in ebenfalls nur fünf Jahren und noch dazu auf einer künstlichen Insel im Meer errichtet – mit perfekter Anbindung an die Stadt (Bauwelt 34.1994). Die endgültige Fertigstellung von Berlins neuem Hauptstadtflughafen in Schönefeld mit seinen zunächst 25 Rüsseln lässt hingegen weiter auf sich warten. So drängt sich im internationalen Vergleich die Frage geradezu auf, warum ein hochtechnisiertes und vor allem gut organisiertes Land, das gerade in dieser Hinsicht weltweit als Überflieger geachtet, ja sogar bestaunt wird, es nicht schafft, das vom Staat initiierte Großprojekt eines Hauptstadtflughafens, nach zugegebenermaßen schlimmen Pannen bei der technischen Ausrüstung und der vierten oder fünften Verschiebung der Eröffnung, mit ganzer Kraft schnell zum Abschluss zu bringen. Fehler können passieren, sie sind hier passiert. Doch was nun nach dem letzten, wieder gescheiterten Eröffnungstermin am 3. Juni 2012 geschieht, bleibt völlig im Dunkeln, erweckt immer mehr den Eindruck, es mangele an Ehrlichkeit. Der Flughafenbau, dessen Planungs- und Baukosten auf knapp fünf Milliarden Euro angestiegen sind, wird mehr und mehr zu einer dubiosen Geschichte, bestimmt von Machenschaften, die wohl noch lange nicht alle bekannt geworden sind. Begründungen für das Scheitern gibt es viele, ein Berliner Untersuchungsausschuss kramt schon seit einem Jahr in den Akten. Zurzeit wird davon gesprochen, dass die beiden Unternehmen Siemens (zuständig für die elektronische Steuerung des Terminals, also auch für die falsch und unzureichend installierte Entrauchungsanlage im Brandfall) und Bosch (bis vor kurzem zuständig für die Frischluftzufuhr im Brandfall), nicht nur mangelhaft konzipiert, sondern auch mangelhaft kooperiert haben. Die Architekten beharren weiter auf dem Standpunkt, dass ständige Umplanungen von Seiten der Bauherren zum Chaos in der Ausführungsplanung geführt haben. Zuletzt meldeten die Architekten JSK, Partner von gmp beim Flughafen, wegen „Verwerfungen beim BER-Bau“ Insolvenz an und sind die Affäre damit erst einmal los. Der weitaus größte Skandal ist zurzeit nicht nur, dass alles weiter offen bleibt und deswegen Kosten für Unterhalt und Instandhaltung des quasi fertigen Flughafens in Höhe von 1,3 Millionen Euro täglich auflaufen, sondern auch, dass weiter ungeklärt ist, wer die Verantwortung für dieses Desaster trägt, das noch weit mehr Kosten zur Folge haben wird. Warum wird jetzt nicht ein Schlussstrich gezogen? Stattdessen spricht man verklausuliert und von einem „schwebenden Verfahren“, das unendlich vieler Absicherungen bedürfe. Doch schon jetzt ist klar, dass die irgendwann einmal ausgemachten Verantwortlichen so oder so niemals die Mehrkosten tragen werden, dafür wird der Staat aufkommen müssen. Mangelnde Transparenz lässt noch viel Schlimmeres befürchten: Wenn seit einigen Monaten umgebaut wird – wer trägt dabei die Kosten allein schon für die zusätzliche Planung, wo doch die Verantwortlichen für die falschen Instal­lationen noch lange nicht feststehen? Siemens gab am 17. Januar bekannt, dass ihm noch immer „finale Unterlagen“ zur Entrauchung fehlen! Man kann es schon Unverfrorenheit nennen, wenn die Politik sich bei alledem ständig versteckt. Selbst der neue Flughafenchef Hartmut Mehdorn, der bei seinem Start im letzten Jahr vollmundig ein Beschleunigungsprogramm „Sprint“ in Aussicht stellte, ist bescheiden geworden. Im Januar kündigte er für Juli einen lächerlichen Probebetrieb für bis zu zehn (!) Flugzeuge täglich am easyJet-Pier ohne Rüssel an.
Mantarochen
Merkwürdigkeiten gibt es auch beim Aufsichtsrat der Flughafengesellschaft. Der nach der letzten Verschiebung der Eröffnung 2012 als Chef des Aufsichtsrats zurückgetretene Regierende Bürgermeister von Berlin hat seit Dezember 2013 seinen alten Posten wieder inne. Findet sich für dieses Großprojekt keine Person mit Kompetenz – oder soll sie vielleicht nicht gefunden werden? Worüber führt der Aufsichtsrat überhaupt Aufsicht, wenn die beteiligten Planer und Firmen eigene Wege gehen, die viel zu kompliziert und verwinkelt scheinen, um sie noch durchschauen zu können? Zu den Planungsabläufen in Shenzhen fehlen mir die Kenntnisse. Aber das Ding in der Gestalt eines Mantarochens aus den Tiefen des Meeres, der sich in die Lüfte empor geschwungen hat, ist viel komplizierter als der formal schlichte orthogonale Bau in Berlin, doch der Flughafen funktioniert. In der Hauptstadt ist ein Eröffnungstermin noch lange nicht in Sicht. 
Fakten
Architekten Fuksas, Massimiliano, Rom; gmp, Hamburg; JSK Architekten, Frankfurt am Main
aus Bauwelt 5.2014
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