Öffentlicher Raum von Wert
Ein Platz im polnischen Stettin und die wiederbelebten Obstgärten der spanischen Stadt Caldes de Montbui teilen sich den European Prize for Urban Public Space 2016
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Öffentlicher Raum von Wert
Ein Platz im polnischen Stettin und die wiederbelebten Obstgärten der spanischen Stadt Caldes de Montbui teilen sich den European Prize for Urban Public Space 2016
Text: Meyer, Friederike, Berlin
Anfang Juli wurde der European Prize for Urban Public Space zum neunten Mal vergeben. Die 9-köpfige Jury – die Direktoren der beteiligten Architekturinstitutionen und zwei Kritiker – hatte die Wahl zwischen 276 eingegangenen Projekten aus 33 Ländern. Neben vier lobenden Erwähnungen und einer Anerkennung vergab sie zwei erste Preise: für den öffentlichen Platz auf dem Dach eines Museums in Stettin und für die wiederhergestellten Obstgärten der spanischen Stadt Caldes de Montbui. Hier eine mit Stein belegte Oberfläche im Zentrum der Stadt, dort eine Landschaft am Rande der Stadt – die beiden Orte könnten unterschiedlicher nicht sein. Und doch stehen sie stellvertretend für das, was öffentlichen Raum ausmacht: Sie ermöglichen Menschen mit unterschiedlichsten Interessen, sich zu begegnen.
Die Obstgärten am Rand von Caldes de Montbui hatte man lange Jahre vernachlässigt. Das von thermischen Quellen gespeiste Bewässerungssystem war durch das schlechte Abwassermanagement der Stadt verschmutzt. Den Bauern war die Lebensgrundlage genommen. 2012 initiierte die Stadt einen Prozess, der das Ökosystem der Obstgärten wieder herstellen sollte. Das Abwasser wurde ordentlich in einen Kanal geleitet, die Anbauflächen erhielten wieder sauberes Wasser. Ein neues Wegesystem verbindet die Obstgärten nun mit der Altstadt. Der Prozess, geplant von den Büros Ciclica und Cavaa Arquitectes, hat den Bewohnern nicht zuletzt die Bedeutung der Ressource Wasser vor Augen geführt. Das Ergebnis zeige, so die Jury, wie die Bürger einer kleinen Stadt zusammenarbeiten und ihren Lebensraum schützen können.
Der Solidarność-Platz ist ein bedeutsamer Ort der jüngeren Geschichte Stettins. Er erhielt seinen Namen zum Gedenken an 16 Arbeiter, die 1970 bei einer Demonstration von der Polizei erschossen wurden. Lange Zeit hatte der Platz wenig mehr als diese Erinnerungsfunktion. Das Umfeld hat sich bis heute von der Zerstörung im Zweiten Weltkrieg nicht erholt. Seit 2014 am Rand des Platzes die Philharmonie eröffnet wurde (Bauwelt 10.2015), wandelt sich die Situation jedoch. Unter dem Platz befindet sich inzwischen das „Przełomy Dialogue Centre“, ein Ableger des Nationalmuseums. Die topographisch bewegte Oberfläche seines Daches ist ein öffentlicher Raum für Nutzungen aller Art. Der Eingriff, so die Jury, verbinde mehrere Ebenen: Museum, Denkmal und Stadtplatz. Es sei ein Ort mit hohem symbolischen Wert entstanden, ein Monument.
Die lobenden Erwähnungen stehen beispielhaft für aktuelle Themen des öffentlichen Raums in Europa. Der teilweise über einem Friedhofshügel schwebende, begehbare Ring im französischen Ablain-Saint-Nazaire, geplant von Philippe Prost, erinnert an die Opfer des Ersten Weltkriegs (Bauwelt 9.2013). Der „Heavenly Hundred Garden“ in Kiew entstand im Februar 2014, als Aktivisten einen Müllplatz besetzten und diesen später in einen Garten umgestalteten. Für den Ostlondoner Vorort Barkingside entwickelte das Büro DK-CM eine Reihe von Eingriffen, die den öffentlichen Raum mit einfachen Mitteln lebenswerter machen. Ein Parkplatz hinter einem Schwimmbad wurde zum Garten, eine fensterlose Fassade erhielt eine Arkade, Designer entwarfen Grafiken für die Geschäfte an der Hauptstraße. Im belgischen Molenbeek-Saint-Jean plante das Brüsseler Büro Baukunst einen Pocketpark und ein großes Dach, das einen Multifunktionsraum für die Anwohner markiert.
Mit einer Anerkennung zeichnete die Jury die Strategie der Stadt Kopenhagen für hohe Lebensqualität im Allgemeinen aus. So werden dort, wenn es schneit, als erstes die Fahrradwege geräumt, weil die dänische Hauptstadt auf Fahrradfreundlichkeit setzt.
European Prize für Urban Public Space 2016
ein 1. Preis Bewässerungssystem der Obstgärten in Caldes de Montbui (Spanien): Cíclica – Marta Serra Permanyer, Elena Albareda Fernández und CAVAA – Jordi Calbetó Aldoma, Barcelona
ein 1. Preis Przelomy Dialogue Center auf dem Solidar ność-Platz in Stettin: KWK Promes – Robert Konieczny, Katowice
Lobende Erwähnung Maßnahmen im Zentrum von Barkingside bei London; DK-CM. David Knight, London
Lobende Erwähnung Multifunktionshalle in Molenbeek-Saint-Jean (Belgien): Baukunst, Brüssel
Lobende Erwähnung Ring der Erinnerung in Ablain-Saint Nazaire (Frankreich): Philippe Prost, Paris (Bauwelt 9.2013)
Lobende Erwähnung Garden of the Heavenly Hundred in Kiew: Yevheniia Kuleba, NGO „Misto-sad“
Anerkennung Stadt Kopenhagen für das Konzept, die Lebensqualität im öffentlichen Raum zu verbessern
Auslober
Centre de Cultura Contemporania de Barcelona; The Architecture Foundation, London; Architekturzentrum Wien; Institut français d’architecture, Paris; Museum of Finnish Architecture, Helsinki; Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt; Museum of Architecture and Design, Ljubljana
Jury
Enric Batlle (Vorsitz), Matevž Čelik, Hans Ibelings, Juulia Kauste, Ewa P. Porebska, Francis Rambert, Peter Cachola Schmal, Dietmar Steiner, Ellis Woodman
ein 1. Preis Bewässerungssystem der Obstgärten in Caldes de Montbui (Spanien): Cíclica – Marta Serra Permanyer, Elena Albareda Fernández und CAVAA – Jordi Calbetó Aldoma, Barcelona
ein 1. Preis Przelomy Dialogue Center auf dem Solidar ność-Platz in Stettin: KWK Promes – Robert Konieczny, Katowice
Lobende Erwähnung Maßnahmen im Zentrum von Barkingside bei London; DK-CM. David Knight, London
Lobende Erwähnung Multifunktionshalle in Molenbeek-Saint-Jean (Belgien): Baukunst, Brüssel
Lobende Erwähnung Ring der Erinnerung in Ablain-Saint Nazaire (Frankreich): Philippe Prost, Paris (Bauwelt 9.2013)
Lobende Erwähnung Garden of the Heavenly Hundred in Kiew: Yevheniia Kuleba, NGO „Misto-sad“
Anerkennung Stadt Kopenhagen für das Konzept, die Lebensqualität im öffentlichen Raum zu verbessern
Auslober
Centre de Cultura Contemporania de Barcelona; The Architecture Foundation, London; Architekturzentrum Wien; Institut français d’architecture, Paris; Museum of Finnish Architecture, Helsinki; Deutsches Architekturmuseum, Frankfurt; Museum of Architecture and Design, Ljubljana
Jury
Enric Batlle (Vorsitz), Matevž Čelik, Hans Ibelings, Juulia Kauste, Ewa P. Porebska, Francis Rambert, Peter Cachola Schmal, Dietmar Steiner, Ellis Woodman
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