Kreative zweiter Generation
Wolfgang Kil, unser Gast-Kolumnist, erwartet von Architekten, die das Werk eines Kollegen umbauen, mehr Aufmerksamkeit
Text: Kil, Wolfgang, Berlin
Kreative zweiter Generation
Wolfgang Kil, unser Gast-Kolumnist, erwartet von Architekten, die das Werk eines Kollegen umbauen, mehr Aufmerksamkeit
Text: Kil, Wolfgang, Berlin
Na endlich! Bauen im Bestand ist jetzt Mainstream. Doch entsprechend häufen sich die Dispute um altvertraute Gebäude, die nicht nur einen (vergänglichen) Nutzen, sondern längst auch eine eigene Geschichte haben. Nimmt man etwa Dieter Oesterlens Braunschweiger Uni-Hochhaus, Ferdinand Kramers Frankfurter Philosophicum oder, ganz aktuell, Hans Schwipperts St.-Hedwigs-Kathedrale in Berlin, so blieb deren Autoren – Ehre ihrem Andenken! – manch krude Auseinandersetzung erspart. Aber nicht allen sind die Zeitläufte so gnädig. Unlängst machte Rem Koolhaas darauf aufmerksam, dass beim Thema Um- und Weiterbauen infolge immer kürzerer Nutzungszyklen auch die Zeitabstände zwischen der ursprünglichen und einer neuen Baufassung immer weiter schrumpfen. Daraus erwächst ein berufsethisches Problem: Beim Uminterpretieren uralter Gemäuer mag der Freiheitsrahmen ja grenzenlos sein. Wie aber sich verhalten, wenn eines Tages der Urheber des Originals mal auf der Umbaustelle erscheint? Wohl dem Kreativen zweiter Generation, der zuvor rechtzeitig Kontakt, womöglich Einvernehmen suchte. Wenn es den Bauherrn schon nicht kümmert, sollte man unter Kollegen so viel Respekt doch erwarten dürfen.
Das Problem gewinnt an Gewicht, wenn im Zuge globaler Verflechtungen auch immer mehr Umbau-Projekte von internationalen Büros umgesetzt werden. Sind denen Schicksal und Aura ihrer Objekte am fremden Ort wirklich immer in der nötigen Tiefe vertraut? Im Jahrzehnt nach der Wiedervereinigung wurde da, zulasten der ostdeutschen Architektenschaft, viel Porzellan zerschlagen. Damit sich solches in noch weiter östlichen Ländern jetzt nicht wiederholt, sollte deren just erst zu schreibende Architekturgeschichte bei uns dringend mehr Aufmerksamkeit finden. Koolhaas, der notorische Stichwortgeber, ist auch da beispielhaft vorangegangen: Sein Garage-Projekt in Moskau verneigt sich geradezu vor den baukonstruktiven Ideen von Igor Winogradski, seines (noch lebenden) russischen Vorläufer-Kollegen. Wie Koolhaas dann mit heutiger Raumkunst dem schon aufgegebenen Bau zu einem zweiten Leben verhalf, zeigt die Bauwelt in ihrer nächsten Ausgabe, Heft 8, in der kommenden Woche.
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