Bauwelt

Daylighting Hand­book 1

Fundamentals, Designing With the Sun

Text: Weissman, Dan

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Daylighting Hand­book 1

Fundamentals, Designing With the Sun

Text: Weissman, Dan

Wir Menschen sind verrückt nach Sonne. Weil sich alle Kulturen – auch in ihren Bauten – mit der Sonne, mit Tageslicht und Belichtung beschäftigen, haben so viele Beschreibungen, Unter­-suchungen und Anleitungen den Weg in die Bücherregale gefunden. Auf das überlaufende Bord legt Christoph Reinhart einen schmalen Band, den ersten des auf zwei Bände an­gelegten „Daylighting Handbook“ und stellt damit schon die erste Frage in den Raum: Warum noch einen weiteren zu die­sem wahrlich umfassend abgehandelten Thema? Um das Urteil vorwegzunehmen: Es ist ihm gelungen, im allgegenwärtigen Computing dem Architekten ein Buch an die Hand zu geben, das ihm, wenn er an Nachhaltigkeit und Ökologie interessiert ist, reflektierender und überzeugender als andere das Thema näher bringt.
Als gelernter Physiker und Forscher hat Reinhart auch die Begabung eines Pädagogen und versteht es, Architekten und Lichtplaner für die Sache zu interessieren. Sein ganzes Berufs­leben war er mit der Entwicklung von Computerprogrammen beschäftigt, die für bessere Ergebnisse im Umgang mit Tageslicht sorgen sollten. Aber immer auch war er in der Lehre tätig. Daylighting Handbook 1 wäre durchaus ein Tätigkeitsnachweis für eine solide und ausgereifte Forscherkarriere, mit der gehörigen Anzahl von peer-reviewed Artikeln, einer Zusammenstellung von Seminarpapieren, Belege für Lehrtätigkeiten an Institutionen der akademischen Welt­spitze. Außerdem dokumentiert der Band die Entwicklung nutzerfreundlicher digitaler Auswertungs-/Analyseprogramme, die – bei Architekten nicht unbekannt – unter dem Namen DIVA (Design, Iterate, Validate, Adapt) laufen: Das Ergebnis einer Zusammenarbeit mit ehemaligen Studenten der Harvard Graduate School of Design und eine weiter gepflegte Plattform für Tageslicht- und Energieuntersuchungen im Rahmen des Entwurfsprogramms Rhinoceros 3D. Daylighting Handbook 1 könnte also mit Fug und Recht auch den ersten Teil eines Manuals für DIVA abgeben – aber es bietet viel mehr.
Das Handbuch steigt ein mit ganz fundamentalen Abschnitten über die Sonne („Die Quelle“) und unser Auge („Der Sensor“). Reinhart stellt hier die verschiedenen Techniken der Lichtmessung und die Wirkungsweise des Auges bei der Lichtwahrnehmung vor und flicht dabei praktische Übungen ein. „Wie stellt man HDR-Bilder für die Lichtuntersuchung her?“ sei hier als ein Beispiel genannt. Im Fortgang erklärt er ausreichend gründlich den digitalen Simula­tionsprozess einschließlich der Grundkonzeption von Wetter-Dateien oder das TMY (typical me­teorological year) und mahnt zur Vorsicht bei der Anwendung solcher Datenquellen.
Jenseits dieser Basics dient das „Daylighting Handbook 1“ als Update derjenigen Untersuchungen, die von Olgyays und Lam veröffentlicht wurden und anhand derer Reinhart über Konzeptionen der Vergangenheit in einer Gegenüberstellung mit heutigen Forschungsmethoden mit den verschiedensten analogen und digitalen Instrumenten aufklären kann. Ebenso gerne zieht er Umfrageergebnisse heran, um Berechnungsmethoden und menschliche Wahrnehmung gegeneinander abzugleichen.
Kapitel 5 über Maß und Bemessung besteht aus einer Aufgabensammlung zum Thema Tageslicht in der universitären Ausbildung, bei denen Studenten Ausmaße und Grenzen einer Belichtung durch natürliches Licht in den Grundriss einzeichnen müssen. Diese Ergebnisse werden dann mit verschiedenen Simulationsmodellen verglichen, um den Lernenden herausfinden zu lassen, welche Simulation der menschlichen Wahrnehmung am nächsten kommt. Reinhart geht es dabei nicht nur um Daten, er nimmt solche Aktivitäten als Gelegenheiten wahr, die Betrachtungsweise der Studenten zu formen und sie ein intuitives Verständnis von Simulationen entwickeln zu lassen, was eine zentrale Qualifikation für das Bestreben des Architekten ist, Simula­tions-Software produktiv einzusetzen.
Reinhart legt Wert darauf, dass der Inhalt des Buches unmittelbar im Entwurfsprozess des Architekten anwendbar sein soll. Also verknüpft er Forschungsergebnisse mit den praktischen Erfordernissen des Entwurfs von Gebäude im städtischen Raum. Faustformeln und Praxis­hinweise finden sich überall im Buch: Kleine graue Kästen mit Ratschlägen weisen den Leser da­rauf hin, dass er, was er hier liest, in Zusammenhang mit der eigenen Arbeit begreifen möge. Er konzen­triert das „Handbuch“ auf die Grundfragen der Architekten: Wie kommen Material, Form und Energie zusammen?, stellt dabei freilich noch ausreichend technische Informatio­nen für eine genauere Untersuchungen zur Verfügung.
Ich machte mich einer Unterlassung strafbar, sagte ich nicht noch etwas zum Buch als Ob­-jekt selbst, das vom Massimo Vignelli-Schüler Yoshiki Waterhouse gestaltet wurde. In seinem goldgeränderten sonnengelben Umschlag springt das Buch förmlich aus dem Regal, und sein Format 5” x 8” (Halfletter) passt noch lo­­-cker in ein schon vollgestelltes Büro oder auf überlaufende Schreibtische. Die sonst so öden Datenaufbereitungen und -darstellungen sind in diesem Buch ein erfreulicher Aspekt – alle
Tabellen und Grafiken sind für ein entspanntes Lesen maßgeschneidert, mit wohl proportio­nier­ten Schriftstärken und einer straff gehaltenen Farbpalette, die zur Ästhetik des Buchumschlags passt. Dreingabe ist ein Füllhorn an farbigen Abbildungen der neuesten Instrumente und technischen Apparaturen, von Lichtmessern, Wetterstationen u.a., wie auch der Daten, die sie sammeln. Das Buch erinnert an eine technische Betriebsanleitung, hat aber deren Gewicht, den üblicherweise hohen Preis und die versammelte Last längst überholter graphischer Pedanterien abgeworfen. Also eher ein alltagstaugliches Buch für die Gesäßtasche, und für die nahe Zukunft kann man schon sein digitales Gegenstück oder eine interaktive App prognostizieren.
Zusammen mit seinem zweiten Teil wird dann das Handbuch die perfekte Ergänzung digitaler Lichtplanungs- und Energiehandbücher für den Entwurf sein. Für diesen verspricht der Autor eine Diskussion verschiedener Berechnungsmethoden und Abläufe der Tageslichtsimulation, Energieproduktion durch Photovoltaik und passive Solarwärme, dynamische Fassaden und schließlich der künstlichen Innenraumbelichtung und ihrer Integration mit natürlichem Licht.
Übersetzung aus dem Englischen: Michael Goj
Fakten
Autor / Herausgeber Christoph Reinhart
Verlag Print-on-Demand, 2014
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aus Bauwelt 8.2017
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