Bauwelt

Revisited: HafenCity in Hamburg


Die Hamburger HafenCity ist ein Inbegriff für die Möglichkeiten und Grenzen der Stadtplanung in Deutschland am Ausklang des 20. Jahrhunderts.


Text: Landes, Josepha, Berlin


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    Blick über die Magellan-Terrassen und den Strandtorhafen bis zur Elbphilharmonie (Herzog & de Meuron, 2007–17)
    Foto: Fotografie Dorfmüller Klier

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    Blick über die Magellan-Terrassen und den Strandtorhafen bis zur Elbphilharmonie (Herzog & de Meuron, 2007–17)

    Foto: Fotografie Dorfmüller Klier

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    Ein Wohnblock am Kaiserkai: Die Innenhöfe liegen in der gesamten HafenCity mindest fünf Meter erhöht auf Warften.
    Foto: Fotografie Dorfmüller Klier

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    Ein Wohnblock am Kaiserkai: Die Innenhöfe liegen in der gesamten HafenCity mindest fünf Meter erhöht auf Warften.

    Foto: Fotografie Dorfmüller Klier

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    Figürliche Reliefs ziehen sich entlang der Warft­wände im Quartier Am Sandtorkai/Dalmannkai (EMBT Arquitectes, 2007).
    Foto: Fotografie Dorfmüller Klier

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    Figürliche Reliefs ziehen sich entlang der Warft­wände im Quartier Am Sandtorkai/Dalmannkai (EMBT Arquitectes, 2007).

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    Durch die wassernahe Bebauung am Sandtorkai fällt der Blick auf die Kontorhäuser Speicherstadt. Über die Brooks- und die Holzbrücke führt ein direkter Weg in die Innenstadt.
    Foto: Fotografie Dorfmüller Klier

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    Durch die wassernahe Bebauung am Sandtorkai fällt der Blick auf die Kontorhäuser Speicherstadt. Über die Brooks- und die Holzbrücke führt ein direkter Weg in die Innenstadt.

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    Bild: schwarzplan.eu

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Mittlerweile sind die ersten Abschnitte ein selbstverständlicher Teil der Metropole an der Elbe – doch die Entwicklung ist noch längst nicht abgeschlossen.
Um die HafenCity einmal als Ganzes zu sehen, bietet sich der „Panoramablick“ vom „HafenCity Aussichtspunkt“ an. Google Maps weist den Turm wahrheitsgemäß als „orangefarbene, 13 Meter hohe Stahlkonstruktion mit Aussichtsplattform“ aus. Hier über der Brücke, die zwischen den Quartieren Am Lohsepark und Baakenhafen spannt, rückt sogar noch mehr ins Blickfeld als die allein schon 157 Hektar umfassende HafenCity: die Quartiere Grasbrook (68 Hektar) und Billebogen (79 Hektar). Sie gehören zum „Innovationsband“ jenseits der Elbe und des Oberhafenkanals, das im Fahrwasser der HafenCity entsteht.
Die HafenCity selbst, jener Stadtteil, den die städtische Entwicklungsgesellschaft „HafenCity Hamburg GmbH“ seit 1999 Kraft eines Sondervermögens am Nordufer der Elbe aus dem Boden stampft, ist durchaus als ein städtebaulicher Almanach der jüngeren Vergangenheit und Gegenwart lesbar. Mittlerweile ist es möglich, durch fast alle zehn Quartiere der Innenstadterweiterung zu schlendern. Hamburgs Oberbaudirektor Franz Josef Höing gibt sich optimistisch, dass die letzten Areale, inklusive Elbtower, in fünf bis sechs Jahren fertiggestellt sein könnten. „Soweit eine Stadt eben einmal fertig ist“, schiebt er nach.
Derzeit schreitet die Bebauung um den Baakenhafen voran. Auch hier sind die Erdgeschosse, wie in der HafenCity allenthalben, mindestens fünf Meter hoch, um eine flexible gewerbliche Nutzung zu gewährleisten. Noch wirken die Straßen in diesem Abschnitt ausgestorben, sind die Schaufenster an der zentral erschließenden Baakenallee noch spärlich dekoriert. Was bereits ins Auge sticht: Die Unterteilung in öffentliche und halböffentliche Bereiche ist hier fast gewaltsam inszeniert, weniger elegant als in den anderen Quartieren am Sandtorkai, im Überseequartier. In einigen Blöcken liegen, über einem Sockel erhöht, zur Elbe gerichtete Höfe. Von den Pocket-Plätzen auf Straßen-, ergo Warftniveau sind sie über Treppen erschlossen. Diese Treppeneinschnitte wirken einschüchternd, sodass der Gedanke keimt, eine klare Differenzierung in öffentlich und privat wäre verträglicher gewesen – so hätte sich vielleicht auch die ein oder andere WDVS-Fassade im Inneren vermeiden lassen.
Das Quartier Baakenhafen ist eine Baustelle, also keine voreiligen Schlüsse. Um einschätzen zu können, wie die bauliche Qualität hier mit dem in den frühen Quartieren umgesetzten Standard und der dort bewiesene Alterungsfähigkeit mithalten kann, muss Zeit vergehen. Der Freiraum, namentlich der Baakenpark nebst anschließender Promenade ums Hafenbecken, weist keine Abstriche auf. Da die Verantwortlichkeit für den Freiraum jedoch die öffentliche Hand trägt und jener für die Hochbauten bei Unternehmen, Baugruppen und Wohnungsbaugesellschaften liegt, taugt dieser Eindruck nur bedingt zur Orientierung.
Der Anspruch, Wohnen, Gewerbe, Kultur und Büronutzung zu kombinieren, zieht sich durch alle Quartiere der HafenCity, mit variierender Schwerpunktsetzung. Die Wohntypologie wurde dabei mit der Zeit abwechslungsreicher. Das liegt auch an einem Umschwung der Wohnungsbaupolitik – wie andere Städte befand sich Hamburg in den neunziger Jahren in einem Schrumpfungsprozess. Erst ab 2010 investierte die Stadt wieder in den Wohnungsbau. Zunächst wurden mindestens zwanzig Prozent, seit 2011 mindestens ein Drittel aller neuen Wohnungen öffentlich gefördert. In den ersten, ab 2003 errichteten Quartieren im westlichen Teil der HafenCity (am Sandtorkai, fertiggestellt 2005, und Dalmannkai, fertiggestellt 2009) bauten neben Investoren auch Baugruppen. In den neueren Bereichen – im Überseequartier, am Strandtorkai und am Baakenhafen – finden sich auch sozialer Wohnungsbau und genossenschaftliche Projekte.
Die HafenCity war von Anbeginn als „Zentrum der Zukunft“ und Modell für die Europäische Innenstadt am Wasser gedacht. Sie ist in den Worten des amtierenden Oberbaudirektors der Hansestadt, Franz-Josef Höing, „kein architektonischer Streichelzoo“ und sollte seinem Vorgänger Jörn Walter nach, der das Projekt fast zwanzig Jahre begleitet hat, „kein wilder Trabant“ werden, nicht neo-historistisch, sondern als zeitgenössische Interpreta­tion der gewohnten Stadt mit „klassischen Straßen und schönen öffentlichen Räumen überzeugen“. Grundlage für die Ende der achtziger Jahre angedachte, im August 1997 von der Hamburgischen Bürgerschaft beschlossene Entwicklung bildet ein 1999 von Kees Christiaanse/ASTOC mit Hamburgplan gewonnener Wettbewerb für einen Masterplan. Nachgeschaltet wurden je Quartier und je Baufeld weitere, detaillierende Auswahlverfahren. Ein in der HafenCity erprobtes Vergabeverfahren für Baugrundstücke stellt die „Anhandgabe“ dar: Nach der Auswahl eines Vorschlags per Konzeptvergabe hatten die Investoren zwei Jahre Zeit, die Planungen zu finalisieren. Erst wenn diese Durcharbeitung überzeugte, wurde das Grundstück verkauft.
Jörn Walter, der das Amt des Oberbaudirektors zwischen 1999 und 2017 innehatte, erklärt, was heute kaum mehr vorstellbar ist: Hamburg war es in der Nachkriegszeit „gelungen“, zugunsten von Büros und Gewerbe das Wohnen nahezu vollständig aus der Innenstadt zu verdrängen. Mit der HafenCity sollte und schließlich wurde dem entgegengewirkt. War es ein Ziel, auf der zentralen Industriefläche mit ihren imposanten Backsteinbauten der Speicherstadt, die Wasserlage auszunutzen, so sollte doch auch „die Innenstadt zurück ans Wasser“. Letztlich rechnen die Initiatoren mit 15.000 Bewohnern – eine Verdopplung der Bewohnerschaft im Stadtzentrum innerhalb von zwanzig Jahren. (Vor dem Zweiten Weltkrieg lebten 60.000 im Inneren des Wallrings.) Walter sagt: „Die Attraktivität der HafenCity strahlt auch auf die alten Quartiere aus. Es hat ein Wandel bei Bauherren und Grundeigentümern eingesetzt, sie sind optimistisch, dass man auch dort wieder wohnen kann.“ Außerdem hätten die großen Kulturbausteine, allen voran die Elbphilharmonie, aber auch das Maritime Museum am Magdeburger Hafen, den Kulturstandort Innenstadt gestärkt.
118 Einwohner und 354 Arbeitsplätze gibt es pro Hektar im Schnitt in der HafenCity. Der Anteil an Fußgängererschließung überwiegt mit 38 Prozent gegenüber fünf Prozent zwischen Speicherstadt und Binnenalster, die Straßenfläche ist mit 23 Prozent geringer als dort mit 42 Prozent. Dennoch räumt Walter ein: „Die Straßen sind vielleicht etwas überdimensioniert.“
Franz-Josef Höing sagt: „Wir sind eine selbstbewusste Stadt. Die Ideen und die Planung, was wo in der HafenCity stattfinden sollte, lassen wir uns nicht aus der Hand nehmen.“ Die öffentlichen Räume sind das Stadtgerüst. Naheliegend, dass den Wasserflächen ein Hauptaugenmerk zufällt. Höing räumt jedoch ein, dass Wasser allein kein Attraktor sei: „Auf alten Fotografien sieht man das wuselige Treiben der Schiffe und Kähne. Eine leere Wasserfläche ist langweilig.“ Es galt also, die Hafenbecken zu be­leben; gleichzeitig muss die Elbe auf Abstand gehalten werden. Die Überschwemmungsgefahr des Geländes war ein maßgeblicher Faktor Planung. Die Finanzierung aller Infrastrukturmaßnahmen hat die Stadt über den Verkauf der Grundstücke bewerkstelligt.
Die mit dem Hochwasserschutz verbundenen Anforderungen wurden zum Leitmotiv der Freiraumgestaltung: Alle Gebäude stehen auf Warften, drei bis vier Meter über dem alten Hafenniveau. Zwischen den alten Kaimauern und den Sockelwänden dieser Warften schlängeln sich Promenaden, verbinden etwa die Magellan-Terrassen Straßenraum und Wasserfläche. Höing erinnert sich, dass die Gestaltung dieser Flächen und Räume, un­-ter anderem durch EMBT aus Barcelona, seinerzeit umstritten war. Einigen Hamburgern waren diese, in Backstein gesetzten Reliefs zu figürlich. Fraglich war zudem, ob die „mediterranen Bilder“ gut altern oder manieriert wirken würden. Diese Zweifel – auch die soziale Durchmischung betreffend – haben sich verdünnt. In den frühen Abschnitten der HafenCity erkennt Jörn Walter nun bereits die Art von „Patina“, von der eine Stadt lebt. Die Freiräume in den Vierteln nahe der Elbphilharmonie, wo eher das hochpreisige Wohnungsbausegment vertreten ist, ziehen auch Menschen an, die nicht hier wohnen – ob des strahlkräftigen Kulturbaus freilich Touristen, aber auch auf dem Basketballfeld am Kaiserkai ist fast immer etwas los. Auch die Spielplätze der HafenCity seien sehr beliebt, sagt Walter, gerade jener im Grasbrookpark. „Die HafenCity ist einer der kinderreichsten Stadtteile Hamburgs“, erklärt Walter, räumt jedoch auch ein, dass die Schulen zu spät kamen. Das entspreche zwar der Logik der Behörden, nicht vor Feststellung eines Bedarfs die Planung anzustoßen, dass deshalb allerdingserst in etwa drei Jahren mit der Fertigstellung einer Weiterführenden Schu­le am Baakenhafen zu rechnen ist, sei misslich.
„Der städtebauliche Zusammenhang wird sichtbar“, sagt Jörn Walter. Mit dem Überseeboulevard ist eine Einkaufsstraße entstanden, dank der HafenCity Universität kommen junge Menschen und eine Klientel, die zuvor eher jenseits von St. Pauli oder auf dem Rothenbaum ihren Alltag bestritt. Cafés können auch durch die über ihnen untergebrachten Büros auf Laufkundschaft für den Mittagstisch zählen, und die Tourismus- bzw. Kulturangebote bringen täglich frisches Publikum in den Stadtteil. Die HafenCity ist heute ein lebendiger Stadtteil Hamburgs, die „Elphi“ eine Adresse wie es der Jungfernstieg ist, das Schulterblatt, Övelgönne. Jörn Walter jedenfalls meint: „Ich finde, es ist gut geworden. Ich bin sehr gern in der HafenCity.“




Adresse 20457 Hamburg


aus Bauwelt 13.2023
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