Brauerei in Kopenhagen
Im neuen Brauhaus ÅBEN in Kopenhagen greifen Produktion und Konsum ineinander. Die Umnutzung vom Schlacht- zum Brauhaus haben pihlmann architects inszeniert.
Text: Bruun Yde, Marie, Berlin
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Die „Harlekinstruktur“ der Türe und Zwischenwände war die günstigste Art, ...
Foto: Hampus Berndtson
Die „Harlekinstruktur“ der Türe und Zwischenwände war die günstigste Art, ...
Foto: Hampus Berndtson
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... diese dünnen Stahlplatten steif zu machen.
Foto: Hampus Berndtson
... diese dünnen Stahlplatten steif zu machen.
Foto: Hampus Berndtson
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Die Räumlichkeiten wurden Anfang der 1930er Jahren als moderne Großfleischerei errichtet und 60 Jahre als solche genutzt.
Foto: Hampus Berndtson
Die Räumlichkeiten wurden Anfang der 1930er Jahren als moderne Großfleischerei errichtet und 60 Jahre als solche genutzt.
Foto: Hampus Berndtson
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Fermentierungstanks und halbtransparente Vorhänge funktionieren als Raumteiler in der offenen Halle.
Foto: Hampus Berndtson
Fermentierungstanks und halbtransparente Vorhänge funktionieren als Raumteiler in der offenen Halle.
Foto: Hampus Berndtson
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Über neuen Tanks und alten Metzgerschienen spannen die Zacken des Sheddachs der Fabrik.
Foto: Hampus Berndtson
Über neuen Tanks und alten Metzgerschienen spannen die Zacken des Sheddachs der Fabrik.
Foto: Hampus Berndtson
Nach jahrelangem Aufwärtstrend neuer Hausbrauereien schließen seit der Corona- und Energiekrise in Deutschland viele dieser kleinen Betriebe. In Dänemark, dem Land, das immer sorgloser durch gesellschaftliche Störungen zu tanzen scheint als sein südlicher Nachbar, stieg die Anzahl dieser Brauereien dagegen in den letzten Jahren weiterhin – 2022 sogar stärker als zuvor. Diese „Bierrevolution“ ist vor allem Mikrobrauereien geschuldet, die gerne mit Gastronomie kombiniert werden.
Genau dieses Konzept einer Brauerei, die Herstellung mit Ausschank zu verknüpfen, verkörpert ÅBEN in Kopenhagens Kødby. Die sogenannte Fleischstadt, die sich einen Steinwurf vom Kopenhagener Hauptbahnhof befindet, ist schon seit Ende der 00er Jahren ein Szenehotspot in der dänischen Hauptstadt. Als eins von 25 Nationalen Industriedenkmalen ist das 1934 in Betrieb genommene „Weiße Schlachthofviertel“ ein Hauptwerk der dänischen funktionalistischen Architektur und Symbol für die rationale Planung und Industrialisierung der tierischen Lebensmittelproduktion. Während viele Spuren des industriellen Erbes in Kopenhagen zu Luxuswohnungen überformt wurden, finden sie hier noch Wertschätzung.
Kødbyen ist im Besitz der Stadt Kopenhagen, die Mitte der 00er Jahren entschied, keine neu-en Metzger als Mieter zu erlauben sowie Mietpreise zum Marktniveau zu erheben. Seitdem findet eine Metzgerflucht statt. Die kommunale Vision eines Kreativquartiers ist angesichts des Preisniveaus weniger in Erfüllung gegangen – das Gelände wird von der Gastronomie und nicht von Kunsträumen dominiert. Die Ambition, das Gebiet weiterhin zur Lebensmittelproduktion zu nutzen, wurde jedoch mit einer Vorgabe von mindestens 30 Prozent im Lokalplan festgeschrieben. Dies passt gut zu jungen Unternehmen wie ÅBEN, die die Verbindung zwischen Nahrungsmittelproduktion und Konsum als Erlebnis inszenieren.
Ex-Kühlhalle
Für die Umwandlung der Ex-Kühlhalle zum Brauhaus kamen pihlmann architects zum Zug. Bürogründer Søren Pihlmann, Jahrgang 1987, bewies schon zusammen mit dem norwegischen Architekten Kim Lenschow sein räumliches Gespür bei der Gestaltung des Studiendorfs am Stadtrand von Aarhus. Dort verliehen sie dem Wohnen in der bescheidenen Lage zwischen Autobahn und lieblosem, sozialem Wohnungsbau architektonisch und städtebaulich Reiz. Mit ihrer Neuinterpretation des Fachwerkhauses und des dörflichen Lebens gewannen die Architekten mehrere Preise.
Im Fall der Brauerei bekam Pihlmann den Auf-trag direkt vom Inhaber, den er aus der Schulzeit kannte. Die Brauerei ÅBEN (offen) schreibt seit 2017 eine Erfolgsgeschichte. Sie unterhält mehrere Schankstuben in verschiedenen Städten und initiierte ein Festival. Die Brauereibar in Kopenhagen ist ihre neuste Niederlassung. Sie befindet sich in einer langen, schmalen Halle, eingebettet in einer größeren Sheddachhalle mit Eingängen von beiden Seiten. Nach vorne liegt das öffentliche Entree, nach hinten die Ladezone. Sowohl Interieur als auch Exterieur stehen unter Denkmalschutz. Nur wenige der alten Elemente wurden beim Umbau weggeworfen, sogar eine eingezogene Zwischendecke ist geblieben, drüber befindet sich das Büro. Draußen vor dem Eingang stehen Biertische unter Glühbirnengirlanden, die Fassade wurde nur um einen Schild im vorgeschriebenen grafischen Stil ergänzt.
Von Massenware zur Spezialität
Die Räume sind nach Öffentlichkeitsgrad zoniert, je tiefer man eintaucht, umso gröber wird die Produktion. Es mussten also zwei Verläufe – Herstellung und Restaurant – verflochten werden. Der hintere Raum mit den lauten Anlagen bleibt abgeschlossen, während die Gäste da sind. Von hier läuft das Bier über ein Rohrsystem in Gärtanks im öffentlichen Bereich und von dort weiter zur Bar. Diese Installationen ansprechend zu arrangieren und im bestehenden (früher für die Tierkörper genutzten) Schienensystem zu integrieren, ohne letzteres zu beeinträchtigen, war zentral bei der Umnutzung der Metzgerei.
Dabei arbeiteten pihlmann architects mit den vorhandenen Farben Weiß, Blau, Silber und Rot weiter und zogen sie bis in Details wie die großindustriellen Spülmaschinenkörbe fort, die nun ebenfalls alle rot sind. So gelang eine Verfeinerung der Ästhetik, die den Wechsel von Massenware zu Spezialität sprechen lässt. Formverknalltheit ist aber laut Søren Pihlmann vorbei, sie war ein Privileg der Generationen vor ihm. Heute liegt der Charme der Gestaltung im Kuratieren, das hier die funktionelle Lücke zwischen Metzgerei und Brauerei offenlässt. Es ist eben keine Brauerei als Brauerei gebaut, sondern die Besonderheit der Architektur entsteht durch das Ambiente der Vornutzung: durch das Biertrinken in der Fleischerei.
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